Wirtschaft

Rentensteuer: Langsam wird es ernst

Jetzt sind schon 62 Prozent einer "Neurente" steuerpflichtig

(bü). Nun müssten auch bei den letzten "vergesslichen" Rentnern die Alarmglocken schrillen: Haben sie ihre Bezüge bisher in ihrer Steuererklärung nicht angegeben – ob solo oder gemeinsam mit dem Ehepartner – , so kann es passieren, dass ihnen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. So vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden. (Az: 2 K 1592/10)

Und die Richter haben es an klaren Worten nicht fehlen lassen: Wer heute noch nicht wisse, dass Renten dem Grunde nach steuerpflichtig sind, dem müsse grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen – oder eben Absicht unterstellt werden. Denn bereits auf der ersten Seite der Anleitungen zur Einkommensteuererklärung würden die Rentner mit dem Hinweis angesprochen, dass die Anlage "R" auszufüllen sei.

Fakt ist: Rentner sind bereits seit 2005 in größerem Umfang steuerpflichtig als davor. Nur: Die Finanzämter "merkten" das oft nicht, weil ihnen nicht bekannt ist, welcher Rentner Rente(n) in welcher Höhe bezieht. Die technischen Voraussetzungen dafür, dass diejenigen Stellen, die Renten auszahlen, den Finanzämtern per "Identifikationsnummer" punktgenau mitteilen können (und müssen), wer von wem Alters- und andere Rentenbezüge in welcher Höhe bezieht, sind inzwischen erfüllt.

Damit wird es für viele Rentner eng, die sich längst bei ihrem Finanzamt hätten melden müssen, im Stillen aber wohl darauf gehofft hatten, dass die starke Heranziehung ihrer Erwerbsminderungs-, Alters- oder Hinterbliebenenbezüge "auffallen" könnte. Offenbar hat sich aber auch noch nicht bei allen herumgesprochen, dass seit fast sechs Jahren die gesetzlichen Renten generell stärker steuerpflichtig sind als vorher – mindestens zu 50%.

Vorher waren es – je nach Rentenart und Alter bei Rentenbeginn – etwa 10 bis 32%. Der Steuersatz von 50% gilt – lebenslang – für sämtliche Renten, die spätestens im Jahr 2005 begonnen haben. Bei erster Rentenzahlung im Jahr 2006 war der steuerpflichtige Anteil bereits auf 52% geklettert. Auf 60% der Rente greift der Fiskus zu, wenn im vergangenen Jahr (2010) der Ruhestand begonnen oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit an der Weiterarbeit gehindert hatte. Bei Rentenbeginn in 2011 sind es 62% – wiederum lebenslang.

Sind zum Beispiel (bei Rentenbeginn in 2005 oder früher) 50% der Rente steuerpflichtig, so sind die restlichen 50% steuerfrei. Von einer 1000 Euro Altersrente werden also 500 Euro "besteuert", 500 Euro nicht. Das wenig Schöne hieran ist, dass dieser Freibetrag von 500 Euro den Rentner lebenslang begleitet, also sich auch dann nicht erhöht, wenn es mal wieder bescheidene Rentenerhöhungen gegeben hat, etwa auf 1050 Euro. Davon sind dann – zum Beispiel auf das Steuerjahr 2010 bezogen – 550 Euro steuerpflichtig, weil von den 1050 Euro ja nur der unverrückbare 500 Euro-Freibetrag abgezogen wird. Entsprechend wird in den folgenden Jahren verfahren.

Nun bedeutet ein höherer steuerpflichtiger Anteil in einer Rente nicht automatisch, dass damit überhaupt eine Steuerzahlung einsetzt. Das heißt: Steuerpflicht ist nicht identisch mit einer Steuerabführung. Denn jedem Bundesbürger stehen steuerliche Freibeträge zu. Etwa der Grundfreibetrag ("Existenzminimum") in Höhe von 8004 Euro jährlich, bei Verheirateten 16.008 Euro.

Das heißt: Nur steuerpflichtige Einkünfte, die diese Grundfreibeträge übersteigen, können überhaupt zur Steuerzahlung führen. Eine Rente, die 2010 begonnen hat und beispielsweise 12.000 Euro im Jahr beträgt, ist zu 60% steuerpflichtig. Sie wird deshalb an sich in Höhe von 7200 Euro zur Steuer herangezogen. Da aber schon der Grundfreibetrag 8004 Euro beträgt, geht die grundsätzliche Steuerpflicht der 7200 Euro ins Leere. Die vom Rententräger überwiesenen 12.000 Euro bleiben steuerfrei.

Das kann sich aber schnell ändern, wenn dieser Rentner weitere steuerpflichtige Einkünfte hat, etwa

  • weil er ein Zimmer in seiner Wohnung vermietet oder
  • weil er 2010 Zinseinkünfte oberhalb von 801 Euro im Jahr (ein Ehepaar: 1602 Euro) hatte oder
  • weil der Ehepartner noch arbeitete.

Kommt der Rentner damit über die Freibetrags-Schwelle von 8004 (bei Verheirateten: 16.008) Euro im Jahr, dann wird er für den Fiskus interessant.

Der Rentner kann jedoch weiterhin ohne Steuerabzug bleiben, wenn er weitere steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann, etwa einen Behindertenfreibetrag, der bis zu 3700 Euro im Jahr betragen kann, oder mindestens den Arbeitnehmerfreibetrag (920 Euro im Jahr), falls noch Gehalt bezogen wird. Auch die Beiträge zur Sozial- oder Haftpflichtversicherung mindern das steuerpflichtige Einkommen, ferner Spenden. Nicht zu vergessen: Für mindestens 64-Jährige sieht das Gesetz den "Altersentlastungsbetrag" vor, der Arbeitseinkommen und andere Nebeneinkünfte (Zinsen, Mieten) reduziert. Er beträgt im Jahr 2010 32% solcher Nebeneinkünfte, maximal 1520 Euro.

Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass auch andere Renteneinkünfte zum steuerpflichtigen Einkommen gehören, etwa

  • aus einer Zusatzversorgungskasse oder
  • einer privaten Rentenversicherung,

für die jeweils Sonderregeln gelten.

Die Betriebsrenten können sowohl in Höhe eines "Ertragsanteils" als auch voll (als "nachwirkender Arbeitsverdienst") steuerpflichtig sein. Für die privaten Renten gelten nur die sogenannten Ertragsanteile. So ist eine Privatrente, die mit 60 Jahren einsetzt, zu 22% steuerpflichtig, bei Rentenbeginn mit "65" sogar nur zu 18%.


Was in welcher Höhe dem Finanzamt zu offenbaren ist, das ergibt sich aus der "Anlage R" zum vierseitigen "Mantelbogen", bei Arbeitnehmereinkünften zusätzlich aus der "Anlage N". Die Formulare gibt es beim Finanzamt. Sie können auch aus dem Internet heruntergeladen werden. Über "www.Finanzamt.de – Bundesländer" kann zum zuständigen Finanzamt geklickt werden. - Die Stiftung Warentest widmet im neuen "FINANZtest spezial Steuern 2011" mehrere Kapitel der Rentenbesteuerung. Sie hat außerdem die Spezialbroschüre "Steuererklärung für Rentner 2010/2011" herausgegeben. Beide Schriften sind zu haben im Buchhandel für 7,80 Euro beziehungsweise 14,90 Euro.



AZ 2011, Nr. 36, S. 4

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