Wirtschaft

DAX: Wende oder Zwischenerholung?

Anhaltende Sorgen um US-Konjunktur – DAX mit Fehlstart in den September

(hps). Beruhigende Worte von US-Notenbankchef Bernanke, Labsal für die geschundene Anlegerseele. Dankbar griffen die Investoren alles auf, was auf den ersten Blick nicht gleich nach Rezession aussah. Alles in allem jedoch wenig Substanz für eine nachhaltige Wende am Aktienmarkt.

Die Marktlage

Die Akteure an der Wall Street wussten nicht, was sie mehr fürchten sollten – die Rede von US-Notenbankchef Bernanke zur künftigen US-Geldpolitik oder Hurrikan "Irene". Beiden Ereignissen wurde eine desaströse Wirkung zugeschrieben. Bernanke erreichte das Parkett noch vor "Irene". In Frankfurt hatte man die DAX-Aktien gleich vorsorglich vor der eigentlichen Rede verkauft. Dabei hatte Bernanke eigentlich nicht viel zu sagen. Insbesondere kündigte er keine neuen Konjunkturstimuli an, mahnte stattdessen fiskalpolitische Reformen an. Immerhin war das Parkett geneigt, seine Aussagen dahingehend zu interpretieren, dass es um die Wirtschaft der USA nicht so schlecht steht wie befürchtet. Und da die Anleger in Frankfurt das Worst-Case-Szenario bereits im Vorfeld der Rede mit einem Absturz von 160 DAX-Punkten quittiert hatten, blieb am Ende sogar Luft für eine Kurserholung. Schon wittern die Optimisten Morgenluft. Das Wort "Bodenbildung" geht an den Börsen dies- und jenseits des Atlantiks um. Doch die fundamentalen Rahmenbedingungen spielen nicht mit. Der US-Häusermarkt bleibt am Boden, das Verbrauchervertrauen in den USA und Europa fällt im August weit zurück. Die jüngsten Zahlen zu den US-Industrieaufträgen und dem Einkaufsmanagerindex sehen zwar nicht nach Rezession aus, deuten aber auf eine Abschwächung der Wirtschaft hin. Skeptiker fürchten, dass den Optimisten am Parkett bald die Argumente ausgehen werden. Die Rede ist von einer kurzlebigen "Bärenmarktrallye", der schon bald die Ernüchterung folgen könnte.

Thema der Woche: 1 Mio. neue Jobs für die USA

Die Zeit drängt. Nächstes Jahr wird in den USA gewählt und eine Arbeitslosenrate von 9,1 Prozent ist für US-Präsident Obama keine gute Reklame. Neue Jobs müssen her. Das Problem ist nur die Finanzierung. Der Staatshaushalt wirft bei einem Defizit von 10,4 Prozent nichts ab und Neuausgaben werden die Republikaner nicht durchgehen lassen. Experten vermuten, dass Obama Steuergutschriften für solche Unternehmen einführen dürfte, die Arbeitsplätze schaffen. Grundlage hierfür scheint ein entsprechender Plan von Obamas neuem Chef-Wirtschaftsberater zu sein: Princeton-Professor Alan Krueger. Um Unternehmer für Neueinstellungen zu begeistern, fehlt es bislang allerdings an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mit den schleppenden Konsumausgaben halten sich auch die Unternehmen mit Einstellungen zurück. Außerdem erweist sich gerade die US-Regierung derzeit als großer Jobkiller. Unter dem massiven Sparzwang sind in diesem Jahr bislang über 100.000 Angestellte in zivilen Behörden und Militär gekündigt worden, wobei hier die Spitze der Kündigungswelle erst 2014 erreicht werden soll. Unter dem Strich dürfte es also bei den Arbeitslosenzahlen kaum Fortschritte geben. Experten sehen daher in Obamas jüngster Job-Offensive kein echtes Konjunkturprogramm, sondern vielmehr schnöde Wahlkampftaktik, von der sich auch die Börse nur kurzzeitig blenden ließ.

Bulle & Bär – was bringt die neue Börsenwoche?

Die meisten Analysten beurteilen die Lage am Parkett kritisch. Viele, wie beispielsweise die Strategen von der Privatbank M.M. Warburg, sehen Einstiegskurse noch nicht erreicht. Die Akteure nennen es "Jojo-Börse", bei der nur Hedgefonds Geld verdienen, Privatanleger sich aber besser heraushalten. Weder aus fundamentaler noch aus charttechnischer Sicht sei ein Ende der Talfahrt absehbar, meint etwa die Landesbank Berlin. Es sei damit zu rechnen, dass der DAX in den kommenden Tagen auf neue Jahrestiefs fallen werde. Einige Profis befürchten, dass sich das Szenario von 2008 wiederholen könnte, also ein monatelanger Sinkflug der Kurse im Zuge einer sukzessiven Eintrübung des Konjunkturklimas.

Andererseits zeigen sich die Optimisten davon überzeugt, dass der DAX bei rund 5400 Punkten die Bodenbildung bereits hinter sich hatte und deuten die steigenden Kurse der letzten Tage als Trendwende. Die "Bären" sehen dagegen in der jüngsten Aufwärtsbewegung nur ein kurzes Zwischenspiel auf dem weiteren Weg nach unten. Der Markt ist zwischen immer noch ansprechenden Unternehmensgewinnen und Rezessionsprognosen hin und her gerissen. Ökonomen beziffern die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Rezession mitunter auf bis zu 75 Prozent. Dem amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz zufolge steht der "Double Dip" in den USA bereits vor der Tür. Feiern da die Optimisten noch die Zahlen von gestern? Zumindest stellt sich die Frage, aus welcher Richtung ein besseres Zahlenwerk kommen soll. In Sachen Schuldenkrise wurde zwar auf beiden Seiten des Atlantiks viel geredet, aber keine Lösung gefunden. Die Wirtschaftsentwicklung lahmt inzwischen fast überall. Selbst die Zauberformel des billigen Geldes zieht nicht mehr, sie symbolisiert inzwischen nur noch die Hilflosigkeit der amerikanischen Finanzpolitik. Jetzt spielt die US-Notenbank einen Strategiewechsel durch, indem sie – statt kurzfristige – nun langfristige US-Staatsanleihen zurückkaufen will, um am langen Ende der Zinskurve die Zinsen zu drücken. Ratlosigkeit in Reinkultur. Unter diesen Bedingungen werden die Amerikaner weder ihr Defizit noch die Arbeitslosigkeit reduzieren können. Unter dem Strich spricht einiges für ein böses Erwachen, bei dem die Akteure problemlos nochmals den vermeintlichen Boden bei 5400 Punkten antesten könnten. Das Kursziel beim DAX dürfte eher bei 5000 Punkten anzusiedeln sein. Für eine Wende zum Besseren braucht es mehr als nur das Glaubensbekenntnis einiger Charttechniker.


Eckdaten zum 1. September 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (1. 9., 14.00 h)
5687 Punkte
Dow Jones (31. 8., Schluss)
11.613 Punkte
Gold (Feinunze)
1823,70 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,80%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,28%
2,50% (NBC Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,90%
2,70% (NBC Direkt)

*Quelle: www.fmh.de



AZ 2011, Nr. 36, S. 4

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