Wirtschaft

Ob Mini- oder Midi-Job: Arbeitnehmer "zweiter Klasse"?

Im Arbeitsrecht kein Unterschied zwischen "voll" und "teil"

Über sechs Millionen Frauen und Männer arbeiten als Teilzeitkräfte – meistens "auf 400-Euro-Basis", viele aber auch als "Midi-Jobber" mit Verdiensten zwischen 400 und 800 Euro im Monat. Ob so oder so: Oft herrscht die Meinung vor, arbeitsrechtlich hätten sie nicht dieselben Ansprüche wie Arbeitnehmer mit Vollzeitjobs. Viele Teilzeiter empfinden sich sogar als "Arbeitnehmer zweiter Klasse". Doch das stimmt – rechtlich gesehen – nicht. Und zwar weder bei einer Tätigkeit in einem Unternehmen noch in einem Kleinbetrieb, etwa bei einem Gewerbetreibenden oder Freiberufler. Und auch nicht in Privathaushalten.

Eine Kurzübersicht von A bis Z

Arbeitsvertrag. Auch Mini- oder Midi-Jobber können einen Arbeitsvertrag verlangen. Das sieht das "Nachweisgesetz" vor. Inhalt: Dauer des Arbeitsverhältnisses (und ob es befristet ist), Arbeitsort, Aufgabenbereich, Lohnhöhe, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen. Es ist zwar auch möglich, "ohne" zu arbeiten. Das erschwert allerdings bei Streit den Nachweis über das Vereinbarte.

Elternzeit steht bis zu drei Jahre zu, der Arbeitsplatz bleibt erhalten. Elterngeld gibt es bis zu einem Jahr – mindestens in Höhe von 300 Euro monatlich bis zu 65 Prozent vom "Netto".

Feiertage. Fällt Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertages aus, so zahlt der Arbeitgeber den Lohn weiter. "Nacharbeit" ist nicht nötig – aber möglich; die muss der Chef dann aber extra bezahlen.

Kündigung. Grundsätzlich können Arbeitgeber wie Teilzeitkräfte mit vierwöchiger Frist zum 15. oder zum Letzten eines Monats kündigen. Nach längerer Betriebszugehörigkeit verlängern sich die Kündigungsfristen, die vom Arbeitgeber einzuhalten sind, auf einen Monat (nach 2 Jahren), auf zwei Monate (5 Jahre), auf drei Monate (8 Jahre) bis auf sieben Monate (nach 20 Jahren). Für die Arbeitnehmer können dieselben, aber auch kürzere Fristen vereinbart werden. Und nach Tarifvertrag können insgesamt andere Fristen gelten.

Kurzfristige Beschäftigung. Wer sonst nicht "berufsmäßig tätig" ist, etwa Schüler, Hausfrauen und Rentner, der darf "kurzfristig" arbeiten, ohne dass Sozialabgabenpflicht eintritt. Bedingung: Die Beschäftigung ist von vornherein auf höchstens zwei Monate (oder 50 Arbeitstage) "im Laufe eines Jahres" beschränkt. Auf die Höhe des Verdienstes kommt es dabei nicht an. Auch der Arbeitgeber braucht in diesen Fällen keine Beiträge zu berappen.

Lohnfortzahlungsanspruch besteht bis zu sechs Wochen für dieselbe Krankheit (nicht in den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses). Das gilt für jede neue Krankheit, die nicht zu einer anderen "hinzugetreten" ist, erneut. In bestimmten Fällen darf der Arbeitgeber "Vorerkrankungen" anrechnen – mit der Folge, dass er keine sechs Wochen Krankenlohn berappen muss. Die Krankenkasse der Beschäftigten gibt darüber Auskunft.

Mutterschaftsgeld (einmalig 210 €) bekommen Minijobberinnen, die bis 400 Euro verdienen, vom Bundesversicherungsamt, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn. Das Antragsformular gibt’s beim Amt. Midi-Jobber haben Anspruch auf Mutterschaftsgeld von ihrer Krankenkasse in Höhe von 13 Euro pro Tag; die Differenz bis zum Nettoverdienst legt der Arbeitgeber zu. Der Anspruch besteht für sechs Wochen vor und acht Wochen (bei Mehrlings- oder Frühgeburten 12) Wochen nach der Entbindung.

Rentner gehören zwar auch zu der Gruppe, die auf "400- oder 800-Euro-Basis" arbeiten können. Aber: Ein Verdienst oberhalb von 400 Euro im Monat ist rentenrechtlich nicht erlaubt – jedenfalls nicht ohne "Sanktion", wenn eine vorzeitige Alters- oder eine Erwerbsminderungsrente bezogen wird. Zweimal im Jahr darf zwar bis zu 800 Euro im Monat vom Arbeitgeber überwiesen werden. Doch der Bezieher einer solchen vorzeitigen Rente, der davon ausgeht, dass er rentenunschädlich regelmäßig auch auf 800 Euro-Basis tätig sein darf, wird für den Mehrverdienst herb zur Kasse gebeten: Seine Rente sinkt um mindestens 1/3 oder 1/4 – je nach Art seiner Rente. Vom 65. Geburtstag an sind Rentner frei in der Wahl ihrer Arbeitsverdienste; die Rente wird dadurch nicht mehr beeinträchtigt.

Sozialversicherung. Ein einziger 400 Euro-Job ist abzugsfrei. Der Arbeitgeber zahlt im Regelfall pauschal 13 Prozent für die Kranken- und 15 Prozent für die Rentenversicherung. Im Privathaushalt sind vom Arbeitgeber je 5 Prozent an die Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen. – Bei Midi-Jobbern werden "normale" Sozialversicherungsbeiträge fällig, jedoch beteiligt sich der Arbeitgeber daran in größerem Umfang als der Arbeitnehmer.

Steuern. 400-Euro-Jobber können "ohne Steuerkarte" arbeiten. Das trifft auf Studenten, Hausfrauen, Schüler und Rentner zu. Entgegen landläufiger Meinung sind die Firmen aber nicht verpflichtet, neben den pauschalen Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung auch die pauschale Steuer zu übernehmen. Sie beträgt allerdings nur 2 Prozent vom Bruttoverdienst, so dass die Hemmschwelle für die Arbeitgeber, den Betrag zu übernehmen, ziemlich gering ist.

Entschließen sie sich dennoch nicht zur Steuerpauschalierung, so muss der Arbeitnehmer eine Steuerkarte vorlegen. Und das kann dann sogar sinnvoll sein, wenn auf dieser Karte die Klassen I, II, III oder IV eingetragen sind. Hier fällt bei einem 400 Euro-Job jeweils keine Steuer an – so dass der Arbeitgeber auch die 2-Prozent-Pauschale sparen könnte. In Steuerklasse V sind bei 400 Euro Monatslohn 35,58 Euro Lohnsteuern zu entrichten, in Steuerklasse VI sogar 46,75 Euro. – Midi-Jobber arbeiten stets "auf Steuerkarte".

Unfallversicherung. Jeder Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber bei der Berufsgenossenschaft angemeldet – egal, ob voll- oder teilzeitbeschäftigt. Die Beiträge trägt die Firma allein. Bei einer 400-Euro-Beschäftigung im Privathaushalt wird der Beitrag zur Unfallversicherung unmittelbar von der Minijobzentrale in 45115 Essen (bei der die dienstbaren Geister per "Haushaltsscheckverfahren" anzumelden sind) eingezogen. – Midi-Jobber werden bei der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft beziehungsweise – bei einer Beschäftigung im Privathaushalt – bei der Landesunfallkasse oder dem Gemeindeunfallversicherungsverband angemeldet.

Urlaub. Auch den "400ern" beziehungsweise "800ern" steht bezahlter Erholungsurlaub für mindestens vier Wochen pro Jahr zu. Wer drei Tage pro Woche arbeitet, der bekommt mindestens (4 Wochen x 3 Tage =) zwölf Tage frei. Bei einer 5-Tage-Woche sind es 20 Tage. Je nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Vertrag kann der Urlaub auch länger dauern – so wie er auch den Vollzeitkräften zusteht.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld können Teilzeitkräfte beanspruchen, wenn es im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder wenn die Vollbeschäftigten des Betriebes solche Einmalzahlungen erhalten (Gleichbehandlungsgrundsatz). Streng genommen haben Teilzeiter, die keiner Gewerkschaft angehören, keinen tariflichen Anspruch auf solche (tariflich vereinbarten) Sonderzahlungen. Doch machen die Arbeitgeber hier regelmäßig keinen Unterschied (um den Gewerkschafts-"Zulauf" nicht zu forcieren). Wer den 400 Euro-Verdienstrahmen voll ausschöpft, der reduziert seine Arbeitszeit klugerweise so, dass im Jahr nicht mehr als 4800 Euro (dem Zwölffachen von 400 €) herauskommen. Oder er verzichtet am besten auf die Gratifikation, sonst wird er sozialversicherungspflichtig – wie ein Midi-Jobber. (Achtung: Die zweite Variante wirkt nur, wenn Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht tarifvertraglich zustehen)

Zusatzbeitrag. Erhebt eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag, so gilt das nicht nur für die Vollbeschäftigten, sondern auch für jene, die erheblich weniger verdienen. Und da es sich meist um einen Zusatzbeitrag handelt, der sich nicht an der Höhe des Einkommens orientiert (etwa 8 € pro Monat), sind gering verdienende Kassenmitglieder stärker belastet als ihre vollbeschäftigten Kollegen.


Und die Pflichten?

Ob auf 400 Euro-Basis oder als Midi-Jobber oder als Teilzeitkraft mit "halber Stundenzahl" tätig: Die arbeitsvertraglichen Pflichten sind dieselben wie für vollbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das beginnt bei der Pünktlichkeit des Erscheinens am Arbeitsplatz und geht über die Ehrlichkeit dem Betrieb und den Kollegen gegenüber bis hin zur sorgfältigen, die Firma nicht schädigenden Arbeit einer Teilzeitkraft. Der hauptsächliche Unterschied zu den Vollzeitern liegt darin, dass weniger gearbeitet werden muss – und deshalb auch weniger verdient wird …




AZ 2011, Nr. 35, S. 4

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