Gesundheitspolitik

Nachhaltigkeit – Ökosentimentalität oder Zukunftskonzept für Apotheken?

Andreas Kaapke

"Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann! So viel Holz, wie nachwachsen kann!" so formulierte der sächsische Berghauptmann Hans-Karl von Carlowitz bereits im Jahre 1713 das Prinzip der Nachhaltigkeit. Das ist dreihundert Jahre her und erst jetzt vor Kurzem, im späten 20. Jahrhundert gewann das Konzept der Nachhaltigkeit nennenswerte politische Relevanz und ist heute zu einem Gesamtkonzept avanciert, das drei eng verflochtene Komponenten vereint: ökologische Verträglichkeit, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Leistungsfähigkeit.

Insbesondere in den letzten Jahren wurde – nicht zuletzt aufgrund wiederkehrender Umweltkatastrophen wie zuletzt in Haiti, Pakistan und Japan – das Bewusstsein der Gesellschaft für die Themen Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung nochmals zunehmend geschärft. Vor diesem Hintergrund bekennen sich immer mehr Unternehmen zu ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Verantwortung. Unter dem Schlagwort Corporate Social Responsibility (CSR) subsumieren sie Strategien und Maßnahmen für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Aktivitäten in dieser Hinsicht sind auch vor dem Hintergrund der Imagepflege kaum mehr wegzudenken, haben also auch einen ökonomischen Hintergrund. Denn die Konsumenten erwarten und verlangen ein verantwortungsvolles Handeln von den Unternehmen. Metro-Chef Cordes hat nicht zuletzt deshalb in der Lebensmittelzeitung verkündet, dass ökologische Energiepolitik vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise auch im Höchstmaß ökonomisch sei. Die Missachtung dieser ökologischen Fragen kann erhebliche Imageschäden und letztlich Gewinneinbußen nach sich ziehen. Allein aus diesem Grund kaufte beispielsweise der BP-Konzern während der Ölkrise im Golf von Mexiko im vergangenen Jahr Antworten auf Suchanfragen bei verschiedenen Internet-Suchmaschinen in den USA auf. Ein Nutzer, der die Suchworte "Oil Spill" ("Ölpest") eingab, erhielt dann als erste zwei Treffer Links zu den Seiten von BP mit dem Titel "Erfahren Sie, wie BP hilft".

Derartige kurzfristig angelegte "Notfall"-Maßnahmen sind allerdings nur eingeschränkt geeignet, um der Öffentlichkeit glaubwürdig die Nachhaltigkeitsorientierung des Unternehmens zu vermitteln. Um dies zu erreichen, müssen Nachhaltigkeit und CSR langfristig in der Unternehmensstrategie und -philosophie verankert werden, beispielsweise in Form von Verhaltenskodizes oder von Richtlinien zur Reduktion des Material- und Energiebedarfs.

Auch in der Pharmabranche sind Ansätze, sich dem Thema Nachhaltigkeit anzunehmen, erkennbar, insbesondere bei den Arzneimittelherstellern. Für viele ist Nachhaltigkeit bereits Bestandteil ihrer Markenpositionierung. Insgesamt scheint das Thema Nachhaltigkeit jedoch oftmals noch nicht strategisch verankert zu sein, sondern in Einzelmaßnahmen Ausdruck zu finden. Entsprechend sind die Kenntnisse von Apotheken und Endkunden im Hinblick auf die herstellerseitigen Aktivitäten in diesem Bereich eher gering.

Verwunderlich ist, dass Apotheken selbst sich das Thema Nachhaltigkeit nicht stärker auf die eigenen Fahnen schreiben. Denn die Gesundheitsorientierung, insbesondere die alternative, naturorientierte Gesundheit, ist für nachhaltigkeitsorientierte Menschen von hoher Bedeutung. Insofern besteht an sich eine Art natürlicher Dreiklang zwischen Nachhaltigkeit, Gesundheit und Apotheke. Gerade Apotheken, die ohnehin einen Schwerpunkt auf alternative Medizin und Naturprodukte haben, könnten dies zur eigenen Profilierung und gezielten Abgrenzung vom Wettbewerb nutzen.

Eine besonders interessante Kundengruppe in diesem Zusammenhang könnten die sog. LOHAS sein. Die Vertreter des "Lifestyle of Health and Sustainability" sind im Grunde in allen Altersgruppen zu finden, gehören in der Regel zu den Besserverdienenden und verfügen über eine gute Bildung. 20% der bundesdeutschen Haushalte werden bereits heute den LOHAS zugerechnet.

Wer bzw. was verbirgt sich hinter dieser Kundengruppe bzw. dieser Art der Weltanschauung? LOHAS steht für einen neuen Lebensstil, eine "Umkehr der Lebensweise nach […] Entschleunigung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Beständigkeit" (www.lohas.de). LOHAS konsumieren bewusst und sind bereit, für wirtschaftlich, gesundheitlich und ökonomisch sinnvolle Produkte und Dienstleistungen auch mehr Geld zu zahlen.

Apotheken bringen nun gewissermaßen die idealen Grundvoraussetzungen mit, um gezielt auf die Bedürfnisse der LOHAS einzugehen. Das breite Angebot an hochwertigen und gesundheitsfördernden bzw. -erhaltenden Produkten, kombiniert mit kompetenter Beratung prädestiniert sie geradezu dazu, diese Kundengruppe zu erschließen.

Fachseminare zur Bedeutung von Wasser, worauf man bei Wasser achten muss usw. – Apotheker und Apothekerinnen sind dazu bestens geeignet – können Kompetenzen der Apotheke fern der reinen Arzneimittelabgabe aufzeigen. Aber auch im Bereich der Naturkosmetik lassen sich Kompetenzfelder erschließen. Weitere Beispiele lassen sich zur Genüge finden.

Keineswegs soll an dieser Stelle nun zur flächendeckenden Umwandlung von Apotheken in "LOHAS-Oasen" aufgerufen werden. Zweifelsohne erscheint es aber für jede einzelne Apotheke eine Überlegung wert zu sein, wie sie sich dem Thema Nachhaltigkeit stärker annehmen und das Potenzial einer wachsenden nachhaltigkeitsorientierten und naturverbundenen Kundengruppe ausschöpfen kann. Die Grünen haben die vielen Stimmen im bürgerlich-konservativen Baden-Württemberg nicht zuletzt durch ihre Nachhaltigkeits- und Verantwortungsdebatten gewonnen. Das Thema ist also nicht en vogue, sondern mehrheitsfähig. Und damit lässt sich sogar Geld verdienen.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2011, Nr. 34, S. 2

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