Gesundheitspolitik

Metoprolol-Rezepte: AOK schaltet Staatsanwaltschaft ein

DAV und AOK finden keine Einigung im Fall der falsch gekennzeichneten Verordnungen

Berlin (ks). Die AOK hat angekündigt, wegen der von Apotheken mit einer falschen PZN versehenen Metoprolol-Rezepte die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Allein im Juni seien mehr als 30.000 Fälle bekannt geworden – und hierbei handele es sich möglicherweise nur um "die Spitze eines Eisberges", sagte AOK-Sprecher Udo Barske. Die AOK prüfe derzeit, ob Apotheken auch bei weiteren Wirkstoffen entsprechend verfahren seien.

Bundesweit dürften mehrere tausend Apotheken Medikamente zulasten der AOK abgerechnet haben, die nachweislich nicht auf dem Markt waren, so die AOK. Dabei geht es um das Arzneimittel Metoprolol-Succinat des Herstellers Betapharm. Hierfür besteht seit 1. Juni ein Rabattvertrag mit der AOK – doch Betapharm kann das Medikament noch nicht liefern. Die AOK hatte dem Hersteller kurzfristig den Zuschlag für das Arzneimittel erteilt, wohl wissend dass dieser den Wirkstoff bis dato gar nicht in seinem Sortiment hatte. Die Apotheken waren mithin gezwungen, AOK-Patienten ein anderes Präparat zu geben. Welches, das kann anhand der abgerechneten Rezepte nicht nachvollzogen werden. Denn diese wurden in vielen Fällen mit der PZN für das nicht lieferbare Betapharm-Produkt bedruckt und wurden auch entsprechend abgerechnet. "Die AOK prüft derzeit die Vorfälle und wird entsprechend die zuständigen Staatsanwaltschaften einschalten", sagte Barske.

AOK: Verstoß gegen die Arzneimittelsicherheit

Auch wenn grundsätzlich keine akute Gesundheitsgefahr für Patienten bestehe, die ein anderes Präparat als das von betapharm erhielten, verweist die AOK angesichts der nicht möglichen Rückverfolgbarkeit der Rezepte doch auf Risiken: "Kommt es zum Beispiel zu einem Arzneimittelrückruf – etwa aufgrund einer gefährlichen Verunreinigung oder Falschdosierung – wäre eine direkte Information der betroffenen Patienten schlichtweg nicht möglich", so Barske. Die AOK betont, dass die Apotheken gesetzlich verpflichtet sind, auf dem Rezept die PZN des jeweils abgegebenen Medikamentes anzugeben. Bei den mit falscher PZN bedruckten Rezepten gehe es deshalb vorrangig nicht um die Frage des Abrechnungsbetruges, sondern vor allem um einen relevanten Verstoß gegen die Arzneimittelsicherheit.

Die AOK kann sich vorstellen, dass der Metoprolol-Fall keine Ausnahme ist: "Bei den bekannt gewordenen Fällen handelt es sich möglicherweise um die Spitze eines Eisberges", sagte Barske. Derart falsch abgerechnete Arzneimittel fielen im Normalfall nicht auf. Der Stein ist vorliegend nur deshalb ins Rollen gekommen, weil das aufgedruckte Medikament nachweislich noch nie am Markt verfügbar war, der Hersteller aber trotzdem Rechnungen für den gesetzlich festgelegten Großhandelsrabatt erhalten hat.

Bewusstes und systematisches Vorgehen?

AOK und Deutscher Apothekerverband versuchen nun schon seit einiger Zeit, eine Lösung zu finden – bislang erfolglos. Nun will die AOK offenbar andere Saiten aufziehen: "Es gibt keine Konstellation, in der eine Apotheke ein anderes Medikament abrechnen darf, als sie tatsächlich abgegeben hat", betonte Barske. Gibt sie ein anderes Medikament ab als sie eigentlich müsste, so müsse sie dies auf dem Rezept plausibel begründen. Angesichts der massiven Häufung allein bei dem einen Wirkstoff, sei zu befürchten, dass eine Vielzahl von Apotheken hier "bewusst und systematisch" vorgegangen ist. Der AOK-Sprecher: "Es liegt nahe, dass betroffene Apotheken daraus einen Nutzen – etwa durch günstigere Einkaufskonditionen oder einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, korrekt abrechnenden Apotheken – ziehen. Das kann auch strafrechtliche Relevanz haben."

Die "Ärzte-Zeitung" berichtete, dass Betapharm zufolge hinter den 30.000 falschen Metoprolol-Rezepten rund 12.000 Apotheken stehen – also mehr als die Hälfte aller Apotheken hierzulande. Die meisten hätten nur ein- bis viermal geschludert. Rund ein Viertel jedoch zehnmal und häufiger. Ein Apotheker hat laut Rezeptbedruckung allein im Juni 70 mal das nicht verfügbare Arzneimittel abgegeben.

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet, dass sich "Apotheker an Recht und Gesetz halten" und sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind, sagte ein Sprecher gegenüber der AZ. Nun will man zunächst die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten.




AZ 2011, Nr. 34, S. 1

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