Gesundheitspolitik

AMNOG – kann es sein, dass Angestellte mehr verdienen als der Inhaber?

Andreas Kaapke

Seit Inkrafttreten des AMNOG reißen die Horrormeldungen nicht ab, wie sich in den Apotheken das betriebswirtschaftliche Ergebnis verschlechtert hat. Natürlich sind gerade die ersten vier, fünf Monate nach Realisation eines Gesetzes besonders markant. Von daher stimmt es wenig verwunderlich, dass die Töne jetzt schriller sind und die Nerven jetzt blank liegen. Eine finale Aussage über die betriebswirtschaftlichen Wirkungen des AMNOG wird man wohl erst in einem Jahr treffen können, wenn tatsächlich ein Geschäftsjahr nach AMNOG vergangen ist und auch auf dieser Grundlage schon ein weiteres Halbjahr ins Land gezogen ist. Dies ist zwar bedauerlich, aber so sind die betriebswirtschaftlichen Mechanismen.

In diesem Zusammenhang wird durch Modellrechnungen immer wieder nachgewiesen, dass es in nicht wenigen Apotheken zu der grotesk anmutenden Situation kommt, dass die angestellten Apothekerinnen und Apotheker mehr verdienen als der jeweilige Inhaber. Korrekt muss es wohl heißen, der Verdienst der Angestellten übersteigt den für 2011 prognostizierten Jahresüberschuss, der nach Steuern dem Unternehmer bleibt. Damit haben wir schon den ersten Vergleich. Natürlich muss das jeweilige Entgelt nach Steuern verglichen werden. Auch der angestellte Apotheker muss sein Gehalt noch versteuern.

Dass Chefs weniger verdienen als ihre Mitarbeiter, ist nicht selten. In einem starr geregelten System wie dem Öffentlichen Dienst kann das dann passieren, wenn die Summe aus Gehalt und Lebensaltersstufen bei einem Untergegebenen mehr ausmacht als bei seinem deutlich jüngeren Vorgesetzten. Im Banking-Bereich mit hohen Provisionen kann es durchaus vorkommen, dass ein gewiefter Investment-Banker durch risikoreiches Handeln mehr verdient als sein mit Verwaltungsaufgaben betrauter Bereichsleiter. Natürlich sind wir darauf geeicht, dass Macht und Hierarchie positiv mit Vergütung korreliert und derjenige, der in der Hierarchie höher steht, auch besser verdient und umgekehrt. Aber es gibt auch Ausnahmen.

Im Falle von Apotheken ist das Verhältnis nochmals anders zu deuten. Der Inhaber ist als selbstständiger Gewerbetreibender und Freiberufler Herr seines Tuns. Dies ist ein Wert an sich, bei allen damit einhergehenden Risiken. Und natürlich verbindet sich mit dieser Situation die Hoffnung auf eine angemessene Vergütung: die Hoffnung, nicht die Gewissheit.

An dieser Stelle unterscheiden sich Apotheken aber auch wieder von anderen Freiberuflern. Diesen ist nicht mehr oder weniger vorgeschrieben, wann und ob sie ihr Geschäft betreiben und öffnen müssen oder nicht. Und auch andere Themen sind nicht derart starr geregelt. Zu jedem Zeitpunkt muss ein approbierter Apotheker in der Offizin Dienst leisten. Daraus erwächst eine hohe Personalkostenbelastung. Genau an dieser Stelle greift Gesetz in Unternehmertum ein. Nicht, dass etwas gegen diese Regel spräche: im Gegenteil, daraus resultiert der zu Recht bestehende Anspruch der Apotheken, Güter der besonderen Art zu distribuieren, was sie von allen anderen Betriebsformen des Einzelhandels signifikant unterscheidet. Da aber die Vorgaben so sind wie sie sind, weite Teile des Apothekensortiments auch preislich geregelt sind und sich aus dieser Preisregulierung die Verdienstmöglichkeit des Apothekers ergibt, müssen die Anreize durch den Gesetzgeber gesetzt werden. Und hier kommt die Empörung ins Spiel. Wenn der Anreiz zum Führen einer Apotheke niedriger liegt als im Mitarbeiten in einer Apotheke, stellt sich die Frage, ob es nicht ökonomisch sinnvoller ist, seine Apotheke zu verkaufen (so man unter diesen Bedingungen einen Käufer findet) und sich anstellen zu lassen. Ein Schuft, der Übles vermutet, wenn dies nicht ein neuer Vorhof zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots darstellen könnte. Denn, wenn die ökonomische Konstellation so ist wie beschrieben, kann nur die dauerhafte Entkopplung von Inhaberschaft und Führung des Betriebs das Problem lösen. Damit würde eine Erweiterung auf Kapitalgesellschaften Tür und Tor geöffnet und damit eine Möglichkeit gegeben, am Ende des Tages langfristig doch Kettenbildungen zu bewerkstelligen.

Deshalb muss schnell geprüft werden, ob es sich bei den geschilderten Fällen um Ausnahmen handelt, die auch schon vor der Einführung des AMNOG unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als bedenklich einzustufen waren, oder ob es zu einem ökonomischen Flächenbrand kommt, der dann diese Konsequenz bedingt.

Gesundheitsminister Bahr wird nicht müde, in nahezu jedem seiner Auftritte völlig nachvollziehbar den Begriff "Anreiz" zu strapazieren, dann aber bitte richtig und dann aber konsequent. Auch Apothekerinnen und Apotheker wären für Anreize empfänglich, die zum einen die geleistete Arbeit würdigen und zum anderen als Äquivalent für Ausbildung und geleistete Stunden angesehen werden können. Dass dies Geld kostet, ist klar, aber bei der kurzfristigen Aufstockung der Mittel für Afghanistan-Einsätze oder für die Griechenland-Hilfe ist die deutsche Politik auch nicht zimperlich, nur bei der Gesundheit tut sie sich schwer. Ganz schön krank!


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2011, Nr. 30-31, S. 2

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