Gesundheitspolitik

Krankenkassen-Landschaft in Bewegung

Gegenwärtig existieren noch 154 gesetzliche Krankenkassen

(leo). Die deutsche Krankenkassen-Landschaft befindet sich derzeit in einem Umbruch, wie es in der bald 130-jährigen Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) noch nie der Fall war. Sichtbares Zeichen dafür ist die stark rückläufige Zahl der gesetzlichen Krankenkassen. Hatte es im Jahr der Wiedervereinigung noch 1147 Krankenkassen in den alten Bundesländern gegeben, so reduzierte sich ihre Zahl in ganz Deutschland am 1. Juli 1998 auf 600.
Alles im Fluss – Krankenkassen melden Insolvenz an, erheben einen Zusatzbeitrag oder schließen sich zusammen. Was bedeutet das für die Versicherten bei einem Wechsel?
Foto: KV B ayerns

Gegenwärtig existieren, nachdem die City-Betriebskrankenkasse zum 30. Juni 2011 vom Bundesversicherungsamt geschlossen wurde, noch 154 Krankenkassen, darunter zwölf Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK), 119 Betriebskrankenkassen (BKK), sieben Innungskrankenkassen (IKK), sechs Ersatzkassen, die Knappschaft sowie neun Landwirtschaftliche Krankenkassen. Und die Fusion weiterer Krankenkassen ist bereits beschlossene Sache wie der Zusammenschluss von AOK Rheinland-Pfalz, AOK Saarland und IKK Südwest zum 1. Oktober 2011.

Krankenkassenwechsel, Abweisung von Versicherten, Zusatzbeitrag und Sonderkündigungsrecht beherrschen zurzeit die Diskussion in den Medien. Daneben spielen auch andere Gesichtspunkte wie Wahltarife, Zusatzleistungen, Zuzahlungen und Service der Krankenkassen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Über Einzelheiten informieren die folgenden Ausführungen.

Zusatzbeitrag bei einem Dutzend Krankenkassen

Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem am 1. Januar 2009 eingeführten Gesundheitsfonds nicht gedeckt ist, muss die Krankenkasse in ihrer Satzung bestimmen, dass ausschließlich von den Mitgliedern – nicht von deren Arbeitgebern – ein Zusatzbeitrag erhoben wird. Derzeit ziehen zwölf gesetzliche Krankenkassen mit rund zehn Millionen Mitgliedern einen solchen kassenindividuellen Beitrag von maximal 15 Euro monatlich ein.

Ein solcher "Obolus" kann manches Mitglied dazu veranlassen, nach einer neuen Krankenkasse Umschau zu halten. Wenn auch ein Wechsel heute nicht mehr ein so großes Sparpotenzial wie früher beinhaltet, als der Krankenkassenbeitrag noch individuell und nicht bundeseinheitlich – auf derzeit 15,5 Prozentpunkte – festgelegt war, so ist der Zusatzbeitrag gleichwohl keine zu vernachlässigende Größe, vor allem, weil er von der Krankenkasse seit 1. Januar 2011 praktisch ohne Begrenzung nach oben erhoben werden kann.

Nach der geltenden Rechtslage ist ein Mitglied zwar 18 Monate an seine Krankenkasse gebunden und hat bei einem Wechsel eine zweimonatige Kündigungsfrist einzuhalten; denn die Mitgliedschaft kann jeweils nur bis zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Wer dies beispielsweise im Juli 2011 tut, wird zum 1. Oktober 2011 Mitglied bei der neuen Krankenkasse.

Das Kündigungsprocedere bei einem Zusatzbeitrag

Bei Erhebung eines Zusatzbeitrages besteht – ohne Einhaltung der Bindungswirkung – ein Sonderkündigungsrecht. Dabei heißt es aufpassen, weil das Gesetz in diesem Fall die Kündigung bis zur erstmaligen Fälligkeit des Zusatzbeitrages verlangt. Auch hat die Krankenkasse ihre Mitglieder auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Kommt sie dieser Verpflichtung verspätet nach, verschiebt sich die Frist für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts um den entsprechenden Zeitraum. Die Mitgliedschaft endet bei einer Sonderkündigung zum Ende des übernächsten Monats, gerechnet von dem Monat an, in dem das Kündigungsschreiben bei der Krankenkasse eingegangen ist.

Dazu bei Beispiel: Eine Krankenkasse erhebt ab 1. Oktober 2011 von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag von acht Euro monatlich und informiert alle Mitglieder bis 15. Oktober 2011, dass der Zusatzbeitrag jeweils am 15. des Folgemonats (hier: November 2011) fällig wird. Otto Maier macht von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch und kündigt die Mitgliedschaft am 10. November 2011, also rechtzeitig bis zur ersten Fälligkeit des Zusatzbeitrages. Der Krankenkassenwechsel erfolgt dann zum 1. Februar 2012. Weil Otto Maier ordnungsgemäß gekündigt hat, muss er für den Zeitraum vom November 2011 bis Januar 2012 den monatlichen Zusatzbeitrag von acht Euro nicht zahlen.

Falls ein Krankenkassen-Mitglied einen Wahltarif, etwa für eine hausarztzentrierte Versorgung oder für Naturarzneimittel gewählt hat, ist es drei Jahre lang an seine Krankenkasse gebunden. Während dieses Zeitraums ist eine Kündigung der Mitgliedschaft im Rahmen des Sonderkündigungsrechts ausgeschlossen.

Für die Kündigung genügt übrigens ein formloser Brief, am besten mit Einschreiben, in dem das Mitglied zum nächstmöglichen Zeitpunkt seine Kündigung erklärt und die Krankenkasse um eine Kündigungsbestätigung bittet. Im Brief sollte die Krankenversicherten-Nummer angegeben werden. Die Kündigungsbestätigung ist der neuen Krankenkasse bei der Anmeldung vorzulegen. Diese stellt dann eine Mitgliedsbescheinigung aus, die dem Arbeitgeber oder der meldepflichtigen Stelle vorzulegen ist.

Worauf es bei einem Wechsel ankommt

Es spielt keine Rolle, welchen Beruf der Versicherte ausübt. Die Entscheidung für die eine oder andere Krankenkasse liegt ausschließlich beim Versicherten selbst und nicht beim Arbeitgeber. Und die Krankenkasse darf potenzielle Mitglieder nicht abweisen, wie dies unlängst bei den Mitgliedern der City-BKK durch rund ein Dutzend Krankenkassen zu Unrecht geschehen ist. Insofern unterliegen alle gesetzlichen Krankenkassen – im Gegensatz zu den Unternehmen der PKV – einem Kontrahierungszwang. Wenn sich ein Versicherter für eine bestimmte Krankenkasse entschieden hat, muss diese ihn als Mitglied auch aufnehmen – unabhängig von Alter, Gesundheitszustand, Beruf oder Familienstand.

Nicht immer muss bei Erhebung eines Zusatzbeitrages die Krankenkasse gewechselt werden; denn auch Wahltarife, die eine Krankenkasse anbietet oder Zusatzangebote können ein wichtiger Faktor und ausschlaggebend bei der Wahl einer Krankenkasse sein, ebenso zusätzliche freiwillige Leistungen über den gesetzlichen Rahmen hinaus wie häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Sterbebegleitung im Hospiz oder Impfungen.

Einsparungen in dreistelliger Höhe sind möglich

Wer sich gezielt nach einer Krankenkasse mit den für ihn geeigneten Leistungen umsieht und diese Angebote auch nutzt, kann im Jahr 100 Euro und mehr sparen, z. B. bei homöopathischen Leistungen, speziellen Gesundheitskursen, Reiseimpfungen, professioneller Zahnreinigung oder bei Bonusprogrammen. Deshalb warnen Verbraucherschützer vor einem übereilten Wechsel der Krankenkasse und empfehlen, zuerst das Angebot der eigenen Krankenkasse zu prüfen; denn viele Mitglieder wissen von den Zusatzleistungen ihrer Krankenkasse oft nur wenig. Wer auf eine bestimmte Leistung Wert legt, sollte auch konkret bei seiner Krankenkasse nachfragen, ob diese Leistung auch angeboten wird und in welchem Umfang. Beispielsweise bieten die meisten Krankenkassen eigene Kurse zur Rückengymnastik, Entspannung oder Raucherentwöhnung an und bezahlen dafür die Kosten. Dagegen unterscheidet sich bei Angeboten anderer Krankenkassen die Kostenübernahme teilweise erheblich. So zahlt manche Krankenkasse dafür nichts; eine andere erstattet bis zu 500 Euro im Jahr. Dabei sollte auch darauf geachtet werden, welche Anforderungen die Krankenkasse an die einzelnen Kurse stellt, damit sie die Kosten auch wirklich übernimmt.

Auch den Service prüfen

Wer seine Krankenkasse wechseln will, sollte allerdings nicht allein Zusatzleistungen ins Auge fassen, sondern auch den Service der Krankenkasse "unter die Lupe" nehmen, so nicht nur die telefonische Erreichbarkeit und die Dichte der Beratung, sondern ebenso Bonus- und Hausarztmodelle bzw. Selbstbehalt, Kostenerstattung und Beitragsrückerstattung. Auch dadurch lässt sich möglicherweise der monatliche Beitrag senken.



AZ 2011, Nr. 29, S. 3

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