Recht

Kann Urlaub "verfallen"?

Oder: wie lange kann Erholung "aufgespart" werden?

(bü). Europa wächst von Monat zu Monat zusammen. Das bedeutet aber auch, dass uralte Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten neue Deutungen erfahren können. Dafür sorgt mit Eifer der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. So zum Beispiel, als er eine Regelung aus dem deutschen Bundesurlaubsgesetz aushebelte.

Ganz ausgestanden ist damit allerdings die Angelegenheit noch nicht. Denn inzwischen liegt ein weiterer Fall zu diesem Recht bei dem Luxemburger Gericht. Hier Einzelheiten:

Der EuGH hat entschieden, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers, der lange arbeitsunfähig krank war und deswegen seinen Jahresurlaub bis zum "Ende des Übertragungszeitraumes" nicht nehmen konnte (im Regelfall ist das der 31. März des Folgejahres) nicht verfallen darf. Er sei dann gegebenenfalls bar abzugelten. Die gegenteilige deutsche Vorschrift, die vom Bundesarbeitsgericht zuvor mehrfach bestätigt worden war, verstoße gegen Europarecht, so der EuGH.

In dem Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der aus einer langen "Krankschreibung" direkt in den Rentenbezug übergegangen war und somit keine Möglichkeit hatte, seine versäumte Erholung nachzuholen. Der Arbeitgeber musste ihm für zwei Jahre seinen Urlaub in Höhe von rund 9000 Euro "auszahlen". (Az.: C 350/06 u. a.)

Was folgt daraus? Könnte es auch sein, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als zwei Jahre weiterbesteht, obwohl er immer noch arbeitsunfähig krank ist, auch dann noch "in Urlaub gehen" kann? In einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Hamm klagte eine Arbeitnehmerin auf Barabgeltung ihres Urlaubs für sieben (!) Jahre und bezog sich dabei auf die oben zitierte Entscheidung des EuGH. Die Hammer Richter mochten dem aber nicht folgen und haben erneut gen Luxemburg gefragt: Kann es sein, dass Arbeitnehmer nicht genommenen Urlaub über einen derart langen Zeitraum "ansammeln" können, um sich dann zu "erholen" oder (beim Ausscheiden) Bares dafür zu bekommen? (Az.: 16 Sa 1176/09) Bisher ist diese Frage offen.

Was die "zwei Jahre" aus der ersten EuGH-Entscheidung betrifft, so dürfte für den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach solch langer Zeit arbeitsfähig in den Betrieb zurückkehrt, Folgendes gelten: Der bis zum Wiederbeginn aufgelaufene Urlaubsanspruch wird dem im laufenden Jahr aktuellen Recht auf bezahlte Ferien zugeschlagen und kann "abgefeiert" werden. Betragen beide Urlaubsansprüche zusammen zum Beispiel 60 oder gar 90 Tage, so könnte sich also der bisherigen langen Krankheitszeit ein weiterer langer Zeitraum anschließen, in dem der Arbeitnehmer dem Betrieb fehlt. Diesmal aber bezahlt. Und das einschließlich zusätzlichen Urlaubsgeldes, falls im Tarif- oder Arbeitsvertrag ein solcher Anspruch vorgesehen ist.



AZ 2011, Nr. 28, S. 4

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