Gesundheitspolitik

EuGH: Rx-Packungsbeilage darf ins Internet

Behördlich genehmigte und nicht aufgedrängte Information ist zulässig

Berlin (ks). Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel auf der Webseite eines Pharmaunternehmens fallen nicht zwingend unter das Verbot der Öffentlichkeitswerbung für Rx-Arzneimittel. Solange es sich um Informationen handelt, die nicht über die Wiedergabe der Verpackung sowie des Beipackzettels hinausgehen, und diese zudem nur dem zugänglich sind, der sich um sie bemüht, ist einem Pharmaunternehmen nicht verboten, diese zu verbreiten. Dies entschied vergangene Woche der Europäische Gerichtshof. (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 2011, Rs. C-316/09)

Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs zu entscheiden, dem ein Rechtsstreit der Pharmaunternehmen MSD Sharp & Dohme und Merckle zugrunde liegt: MSD präsentierte ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel "Vioxx", "Fosamax" und "Singulair" im Internet jeweils über eine nicht passwortgeschützte elektronische Verknüpfung – und damit für jedermann frei zugänglich – unter Wiedergabe der Produktpackung, der Beschreibung der Indikation und der Gebrauchsinformation. Merckle sah hierin einen Verstoß gegen das Verbot der Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und ein unzulässiges Verhalten von MSD im Wettbewerb.

Werbung oder Information? Auf das Ziel kommt es an

Der EuGH beschäftigt sich in seinem Urteil zunächst mit der Definition der Werbung (Art. 86 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG). Bei der Frage, ob es sich um Werbung oder Information handele, sei das Ziel einer Botschaft maßgeblich. Gehe es darum, den Verkauf oder Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, handele es sich um Werbung, unabhängig davon, ob die Inhalte der Veröffentlichung in sachlicher Information bestehen. Es müsse durch eine konkrete Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles ermittelt werden, ob die Information ein Werbeziel beinhalte. Lediglich der Umstand, dass der Hersteller eines Arzneimittels ein wirtschaftliches Interesse an der Vermarktung habe, lasse allerdings noch nicht den Schluss zu, dass jegliche Verbreitung von Informationen vom Hersteller selbst ein Werbeziel verfolge. Es müsse vielmehr hinzukommen, dass das Verhalten des Herstellers auf seine Absicht der Absatzförderung hinweise.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist für den EuGH, dass es sich bei den Angaben der äußeren Umhüllung und der Packungsbeilage um Informationen handelt, die auch von den Zulassungsbehörden genehmigt sind und sogar zwingend angegeben werden müssen. Im Übrigen dürften auf der äußeren Umhüllung und der Packungsbeilage keine Angaben enthalten sein, die Werbecharakter haben könnten. Für weiterhin verboten hält es der EuGH jedoch, wenn über eine solche Website Informationen über ein Arzneimittel verbreitet werden, die vom Hersteller in einer Weise ausgewählt oder umgestaltet wurden, die nur durch ein Werbeziel erklärbar seien. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts zu bestimmen, ob und in welchem Umfang dies im Ausgangsverfahren der Fall sei. Zudem stellt der EuGH darauf ab, dass in dem vorliegenden Fall die angegriffenen Informationen nur als sogenannte "Pull-Dienste" verfügbar waren – sie drängten sich dem Internetnutzer also nicht ungewollt auf. Vielmehr musste der Internetnutzer einen aktiven Suchschritt unternehmen, um an die Informationen zu gelangen. (Stichwort: Passive Darstellungsplattform).

Zuspruch vom BAH

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) begrüßte die Entscheidung. Mit ihr sei endlich geklärt, dass die neutrale Wiedergabe der Arzneimittelpackung sowie der unveränderten Packungsbeilage durch den Arzneimittelhersteller auch gegenüber "Nichtfachkreisen" im Internet zulässig ist, wenn man sich selbst um das Anklicken der entsprechenden Seite bemühen muss. Im Informationszeitalter ist es aus Sicht des BAH "bloßer Formalismus", Patienten, die nach entsprechenden Informationen suchen, auf den Weg einer schriftlichen Anfrage an den pharmazeutischen Unternehmer oder gar auf die EMA-Homepage zu verweisen.



AZ 2011, Nr. 19, S. 8

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