Gesundheitspolitik

Schiedsstelle widerlegt GKV-Berechnung

Im Prozess vor dem Sozialgericht Berlin hat nun der GKV-Spitzenverband Zeit zur Erwiderung

Berlin (lk). Der Prozess um den Apothekenabschlag für das Jahr 2009 geht jetzt in die entscheidende Phase. Das Sozialgericht Berlin setzte dem GKV-Spitzenverband eine Frist bis zum 15. April, um sich zu den letzten Dienstag vorgelegten Einlassungen der Schiedsstelle zu äußern. Die Schiedsstelle hatte in ihrer Stellungnahme die Argumente des GKV-Spitzenverbandes zurückgewiesen, das Gesamtapothekenhonorar sei in den letzten Jahren aufgrund der Packungszahlen stärker gestiegen als die Kosten.

In ihrer Erwiderung auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berliner Sozialgericht überraschend vorgetragenen Argumente hat die Schiedsstelle ihren Schiedsspruch zur Verringerung des Abschlages auf 1,75 Euro im Jahr 2009 gerechtfertigt. Wie die AZ aus der Schiedsstelle erfuhr, kommt diese nach neuen, umfassenderen Berechnungen zu dem Schluss, dass auch in einer Gesamtbetrachtung die relevanten Kosten der Apotheken stärker gestiegen sind als das Gesamthonorar aufgrund der gestiegenen Packungszahlen.

In der Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin hatte der GKV-Spitzenverband argumentiert, dass das Gesamtapothekenhonorar stärker gestiegen und somit die Senkung des Apothekenabschlages auf 1,75 Euro überhöht sei. Nach dem Verlauf der Verhandlung zu urteilen, neigt Richter Gunter Rudnik dieser Betrachtung zu. Jetzt kann sich der GKV-Spitzenverband bis zum 15. April erneut zum Sachverhalt äußern. Anschließend fällt Richter Rudnik das Urteil im schriftlichen Verfahren.

Mehr Packungen sorgen für mehr Aufwand

Die Schiedsstelle argumentiert nun in der Erwiderung, dass der GKV-Spitzenverband in seiner Berechnung den Mehraufwand der Apotheken angesichts der gestiegenen Packungszahlen nicht berücksichtigt hat. Im Gegenteil seien die Belastungen der Apotheken deutlich stärker gestiegen als die Einnahmen aufgrund der gestiegenen Packungszahlen.

Von April 2007 bis April 2009 ist die Packungszahl laut Schiedsstelle von 540,2 auf 580,3 Millionen Stück gestiegen, ein Plus von 7,41 Prozent. Im Schiedsspruch berücksichtigt hatte die Schiedsstelle bislang 0,13 Euro Mehrkosten pro Packung für die Sachkosten, 0,19 Euro für Tariflohnerhöhungen und 0,23 Euro für höheren Personalbedarf aufgrund der Aut-idem-Regelung und der Rabattverträge.

Noch nicht berücksichtigt im Schiedsspruch seien die Mehrkosten der Apotheken im Jahr 2009 wegen des mit den Packungszahlen gestiegenen Beratungsaufwands. Mit jedem Versicherten, der erstmals wegen einer Verordnung in die Apotheke komme oder der eine andere Dosis erhalte, steige der Aufwand der Apotheke, argumentiert die Schiedsstelle.

Allein für 2009 verursache dieser Personalmehrbedarf laut Schiedsstelle Kosten in Höhe von 53,8 Millionen Euro. Das entspreche einer zusätzlichen Belastung von neun Cent pro Packung. Daher betrage der gesamte Anpassungsbedarf rund 370 Millionen Euro. Das entspreche umgerechnet einem Apothekenabschlag von 1,66 Euro. Es gehe mit dieser Rechnung darum zu verdeutlichen, dass mit jeder zusätzlichen Packung zusätzliche Belastungen entstanden sind, hieß es aus der Schiedsstelle. Das sei die Systematik des Schiedsspruchs. Es gebe keinen Grund, davon abzuweichen. Demgegenüber sei die vom GKV-Spitzenverband vorgebrachte Nettoapothekenvergütung 2007 bis 2009 nur um rund 180 Millionen Euro auf 3,876 Milliarden Euro gestiegen.

Das Fazit der Schiedsstelle: "In Anbetracht des hohen Anpassungsbedarfs zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit fällt die Steigerung der Apothekenvergütung deutlich zurück. Von einem Ungleichgewicht zugunsten der Apotheken kann daher keine Rede sein. Zurzeit können Mehraufwendungen für den Anstieg der Sach- und Personalkosten nicht in einem ausreichenden Umfang durch erhöhten Umsatz aufgefangen werden."

Die Erwiderung der Schiedsstelle wurde am vergangenen Dienstag dem Sozialgericht übermittelt. Wann das Urteil im schriftlichen Verfahren ergeht, ist offen – vor Ende April ist es auf keinen Fall zu erwarten.



AZ 2011, Nr. 14, S. 1

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