Wirtschaft

DAX: Das war’s

Japanischer Reaktorunfall erweist sich als eine Krise zu viel

(hps). Die Gesundbeterei hilft den Optimisten nicht mehr. Die Belastungsfaktoren für die Börse haben ein Ausmaß erreicht, das selbst hartgesottene Bullen nicht mehr ignorieren wollen. Nun scheint die eigentlich drängende Frage zu sein: Was, wenn Japan Teile seiner Auslandsguthaben abziehen muss?

Die Marktlage: Grundoptimismus verschwindet

Mit dem Buch "Wall Street Poker" erschien bereits 1989 ein Insiderbericht über den Aufstieg eines Börsenhandlangers zu einem der bestbezahlten Broker der 80er Jahre an der Wall Street. In der Anfangsphase seiner Karriere, in der der junge Hochschulabsolvent nur zum Pizzaholen und ansonsten zum Zuschauen abgestellt wurde, wird ihm von einem Kollegen folgende Testfrage gestellt: "Stell Dir vor, in Japan wütet ein Erdbeben und verwüstet weite Teile des Landes. Was würdest Du da als Broker tun?" Die Antwort sollte lauten: Man kauft japanische Staatsanleihen, weil die Notenbank wegen der anstehenden Wiederaufbauprogramme die Zinsen senken muss und Anleihen von sinkenden Zinsen profitieren. Heute, gut 20 Jahre nach Erscheinen des Buches, ist dieses Gedankenspiel bittere Realität geworden.

Die Summe der Probleme, mit denen der Markt derzeit zu kämpfen hat, ist damit beträchtlich angewachsen: Unruhen in Bahrain, Bürgerkrieg in Libyen, ein hoher Ölpreis und nun auch noch der Reaktorunfall. Das Erdbeben hat dem Markt den Rest gegeben, so wurde ein Börsenhändler zitiert, der auf die zuvor ohnehin schon angespannte Situation am Parkett anspielte. Unter diesen Vorzeichen verabschiedete sich der DAX von der 7000er Marke, der bislang dominierende Grundoptimismus im Markt schwindet. Von den sich abzeichnenden Wiederaufbauprogrammen der japanischen Regierung erwarten einige Analysten dennoch positive Impulse für die Weltwirtschaft. Der japanische Premier höchstpersönlich stellt diese Programme als Konjunkturförderung dar.

Skeptiker weisen unterdessen darauf hin, dass diese geballte Ladung auch nach hinten losgehen könnte. Von den japanischen Versicherungen wird angenommen, dass sie jetzt ihr ausländisches Kapital "repatriieren" werden. Der aktuelle Höhenflug des Yen scheint dies zu bestätigen. Ausländische Währungen werden mit hohem Volumen in Yen rückgetauscht. Japan ist der zweitwichtigste ausländische Gläubiger der USA. Außerdem dürften auch die wirtschaftlichen Schäden durch den Reaktorunfall im Norden Japans beträchtlich sein. Hier sitzt Japans Halbleiter- und Autoindustrie. Die Aktie des Energieversorgers Tokyo Electric Power alleine hat seit dem Reaktorunfall 18 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung eingebüßt. Am Parkett sprechen nun viele Händler von einem "kontrollierten Rückzug" aus Aktien. Zu unsicher erscheint der weitere Verlauf der Dinge.

Bulle & Bär

Für das Bankhaus Hauck&Aufhäuser ist die Nachrichtenlage unter dem Strich zu schlecht für den DAX. Die Strategen erwarten einen deutlichen Fall unter die 6900er Marke. Dagegen sieht die Postbank auf einem Niveau von ca. 7000 Punkten eigentlich alle Risiken weitgehend als eingepreist an. Die Commerzbank stimmt inzwischen vorsichtigere Töne an. Die Konsolidierung könne noch bis Mitte April anhalten. Die Strategen vermuten jedoch, dass spätestens bei 6800 Punkten viele Anleger wieder zum Einstieg bereit sind.

Unterdessen wurde letzte Woche bekannt, dass der weltgrößte Anleihenfonds Pimco seinen Bestand an US-Staatsanleihen auf Null reduziert hat. Die absolut versierten Experten von Pimco sind eine angenehme Erscheinung in einer Welt des marktanalytischen Halbwissens und halbseidener Börsengurus. Für den Privatanleger liefert die Einschätzung von Pimco einen Hinweis darauf, dass die amerikanischen Renditen stark steigen und der Dollar weiter an Wert verlieren dürfte. Mit der zur Schau getragenen Gelassenheit der US-Investoren könnte es daher bald vorbei sein.

Karten werden neu gemischt

Die Situation spitzt sich weltweit zu, das ist unverkennbar. Weder die Situation in Japan noch die Unruhen in der arabischen Welt sind dazu angetan, von heute auf morgen vom Radar der Anleger zu verschwinden. Nachdem – wie letzte Woche erwartet – die 7000er Marke im DAX sogar mit Leichtigkeit gerissen wurde, dürfte sich nun einiges an weiterem Abgabedruck aufbauen.

Neuer Kurskorridor für den DAX: 6000 bis 6400 Punkte. Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass die Profis praktisch voll investiert in die Krise steuern. Das war angesichts des Aufschwungs auf Pump sehr fahrlässig. Wäre die Weltwirtschaft etwas solider aufgestellt gewesen, der Reaktorunfall hätte weit weniger Wirkung auf die Märkte gehabt. Jetzt bittet die Börse jedoch zur Kasse. Die Karten werden neu gemischt.


Eckdaten zum 17. März 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (17. 3., 11.45 h)
6541 Punkte
Dow Jones (10. 3. Schluss)
11.613 Punkte
Gold (Feinunze)
1397,00 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,19%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
0,94%
1,30% (ING-DiBa)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,56%
2,10% (Netbank AG)

*Quelle: www.festgeld.de



AZ 2011, Nr. 12, S. 4

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