Arzneimittel und Therapie

Zu intensive Behandlung erhöht das Mortalitätsrisiko

In jüngster Zeit mehren sich Untersuchungen, die die These stützen, dass unter bestimmten Umständen eine strenge HbA1c-Einstellung in Nähe des Normwertes bei Typ-2-Diabetikern mit einer höheren Mortalität assoziiert ist, als eine konventionelle Therapie. Eine retrospektive Kohortenstudie, die die Daten von fast 50.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes analysierte, bestätigte nun diese Vermutung.

Die Patientendaten für diese aktuelle Untersuchung stammen aus der General Practice Research Database, in der die Krankenakten britischer Patienten gesammelt werden. Ausgewertet wurden die Daten von Typ-2-Diabetikern im Alter ab 50 Jahren, die die Forscher in zwei Gruppen einteilten. Die erste Kohorte bestand aus 27.965 Typ-2-Diabetikern, die von einer oralen antidiabetischen Monotherapie auf ein orales Kombinationsregime mit Metformin und einem Sulfonylharnstoff umgestellt wurden. Die 20.005 Patienten der zweiten Kohorte wurden im Beobachtungszeitraum auf ein Insulin-Regime mit oder ohne zusätzlich orale Antidiabetikagabe umgestellt. Primärer Endpunkt war die Gesamtmortalität. Begleitfaktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchen, Cholesterin, kardiovaskuläres Risiko und Komorbiditäten wurden bei der Auswertung adäquat berücksichtigt.

Erhöhte Sterblichkeit bei zu niedrigen Zuckerwerten

Im Zehntel der Patienten mit der besten Blutzuckerkontrolle konnte ein HbA1c-Wert von etwa 6,5% erreicht werden. Allerdings lag Sterblichkeit dieser Gruppe deutlich höher als bei Patienten, deren der HbA1c-Wert etwa 7,5% betrug. Im diesem Blutzuckerbereich war die Mortalität am niedrigsten, bei höheren HbA1c-Werten stieg auch die Sterblichkeit wieder an. Gemessen an der Sterblichkeit jener Patienten, die auf einen HbA1c-Wert um 7,5% eingestellt wurden erhöhte sich das Mortalitätsrisiko für die Patienten mit den niedrigsten Blutzuckerwerten um mehr als die Hälfte. Bei den Patienten mit den höchsten – aus diabetologischer Sicht katastrophalen – HbA1c-Werten von über 10% stieg das Risiko um fast 80%. Das heißt de facto kann eine intensive Behandlung zur Senkung des Blutzuckers bei Patienten mit Diabetes fast genau so schädlich sein wie das Beibehalten der hohen Werte.

Risiko bei Insulinpatienten noch höher

Ein Vergleich der beiden Kohorten zeigte, dass das Mortalitätsrisiko bei Patienten, die mit Insulin behandelt wurden, offenbar besonders ausgeprägt ist. Unabhängig davon, ob die HbA1c-Werte hoch oder niedrig waren, kam es in der Kohorte mit Insulintherapie zu rund 50% mehr Todesfällen als bei Patienten, die mit einer Kombination von oralen Antidiabetika behandelt wurden. Hierbei könnten verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Beispielsweise sind insulinpflichtige Patienten in der Regel älter und leiden damit bereits länger an Diabetes. Zudem haben sie häufig auch noch an andere Gesundheitsprobleme. In anderen Studien wurde auch auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Insulin und dem Verlauf von Krebserkrankungen hingewiesen.

Regelmäßige Blutzuckerselbstkontrolle essenziell

Wenngleich mit einer solchen retrospektive Datenbankanalyse keine Kausalität nachgewiesen werden kann, so nähren die aktuellen Ergebnisse doch den bereits in anderen Studien geäußerten Verdacht, dass allzu ambitionierte Ziele bei der Blutzuckereinstellung Typ-2-Diabetikern eher schaden als nützen. Die eigentlichen Ursachen für die vermehrten Todesfälle sind indes weiterhin unklar. Die meisten Diabetologen dürften vermehrte Hypoglykämien als Grund ansehen und daher bei einer intensivierten blutzuckersenkenden Therapie – noch mehr als bisher – Wert auf regelmäßige Blutzuckerselbstkontrollen durch den Patienten legen.

Quelle Currie C.J., et al.: Survival as a function of HbA1c in people with type 2 diabetes: a retrospective cohort study. Lancet DOI:10.1016/ S0140-6736(09) 61969-3

 


Apotheker Dr. Andreas Ziegler

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