Arzneimittel und Therapie

Tamoxifen nicht zusammen mit Paroxetin einsetzen

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) warnen in einer gemeinsamen Stellungnahme vor gleichzeitiger Paroxetin- und Tamoxifen-Einnahme. Anlass sind die Ergebnisse einer im British Medical Journal veröffentlichten Kohortenstudie, nach der bei Brustkrebspatientinnen unter gleichzeitiger Paroxetin- und Tamoxifen-Einnahme die Sterblichkeitsrate höher lag als bei anderen Antidepressiva.

Tamoxifen gehört zur Standardtherapie bei der Behandlung von Estrogenrezeptor-positiven Brustkrebserkrankungen. Es ist ein Prodrug, das über Cytochrom P450-Enzyme u. a. in den wirksamen Metaboliten Endoxifen umgewandelt wird. Cytochrom P450 (CYP)2D6 stellt dabei das Schlüsselenzym dar [1]. Eine verminderte CYP2D6-Aktivität, die sowohl durch genetische Variation als auch durch Inhibition des Enzyms bedingt sein kann, führt zu verminderten Endoxifen-Konzentrationen im Plasma [2, 3]. Verschiedene Untersuchungen lassen darauf schließen, dass bei verminderter Endoxifen-Konzentration die Effektivität von Tamoxifen verringert ist [3, 4].

Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) inhibieren neben anderen Cytochrom-P450-Isoenzymen CYP2D6 in unterschiedlichem Ausmaß. Ein besonders potenter und unter den SSRI der einzige irreversible Hemmstoff von CYP2D6 ist Paroxetin [5]. SSRI werden nicht selten bei Frauen mit Brustkrebs zur Behandlung einer Angst- oder Depressionserkrankung (vor allem diagnosebedingt) sowie zur Behandlung von Hitzewallungen unter der Tamoxifen-Therapie eingesetzt.

In einer retrospektiven Kohortenstudie in Kanada konnte kürzlich ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paroxetin und dem Versagen einer Tamoxifen-Therapie gezeigt werden [6]. In der Studie wurden initial die Daten von 24.430 Frauen über einen Zeitraum von 13 Jahren ausgewertet (1993 bis 2005). Diese Frauen waren 66 Jahre oder älter und nahmen Tamoxifen nach einer Brustkrebsdiagnose ein. Von diesen Frauen erhielten 30% mindestens ein Antidepressivum zusätzlich zu ihrer Tamoxifen-Therapie, 10% erhielten nur ein SSRI.

Ergebnisse

Das Risiko an Brustkrebs zu sterben, erhöhte sich mit der Dauer der gleichzeitigen Einnahme von Tamoxifen und Paroxetin (n = 630). Die Autoren berechneten, dass es bei Frauen, die Paroxetin über die Dauer von 41% der Tamoxifen-Therapie einnehmen, zu einem zusätzlichen Brustkrebstodesfall pro 19,7 behandelter Frauen (95% Konfidenzintervall 12,5 bis 46,3) innerhalb von fünf Jahren nach dem Ende der Tamoxifen-Therapie komme. Wenn Paroxetin während der gesamten Dauer der Tamoxifen-Therapie gegeben wird, komme es nach ihren Berechnungen zu einem zusätzlichen Todesfall durch Brustkrebs pro 6,9 behandelter Frauen.

Für die SSRI Fluoxetin (n = 253), Sertralin (n = 541), Fluvoxamin (n = 174) und Citalopram (n = 467) sowie den Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitor (SNRI) Venlafaxin (n = 365) konnte in dieser Untersuchung bei gleichzeitiger Einnahme mit Tamoxifen kein erhöhtes Mortalitätsrisiko für Brustkrebs beobachtet werden.

Die Autoren folgern, dass Paroxetin die Wirksamkeit von Tamoxifen in der Hormonbehandlung eines Mammakarzinoms herabsetzen kann, was zu einer erhöhten Sterblichkeit an Brustkrebs führt. Auch wenn für Fluoxetin, einem potenten CYP2D6-Inhibitor, keine herabgesetzte Sterblichkeit festgestellt werden konnte, solle dieses Ergebnis nicht als Evidenz für einen sicheren gemeinsamen Einsatz dieses SSRI mit Tamoxifen gewertet werden. Möglicherweise sei ein Zusammenhang in der aktuellen Studie nur deshalb nicht entdeckt worden, weil weniger Frauen dieses SSRI eingenommen haben. Frauen mit Brustkrebs, die das Antiestrogen Tamoxifen erhalten, sollten daher, wenn ein Antidepressivum indiziert sei, einen Arzneistoff mit geringer oder keiner CYP2D6-Inhibition erhalten.

Auch in einem begleitenden Editorial in derselben Ausgabe des British Medical Journal wurde nicht nur vor dem gleichzeitigen Einsatz von Paroxetin, sondern auch vor der gemeinsamen Einnahme mit Fluoxetin gewarnt [7]. Es wird zudem zurecht darauf hingewiesen, dass die Interaktion von Tamoxifen mit Paroxetin bisher nicht in allen Fachinformationen der in Deutschland im Handel befindlichen Fertigarzneimittel von Tamoxifen bzw. Paroxetin entsprechend aufgenommen ist und es hier einer Harmonisierung bedarf. Gleichzeitig wird in dem Editorial der Hinweis gegeben, dass der Einfluss von CYP2D6-Inhibitoren auf die Effektivität von Tamoxifen weiterer Untersuchungen bedarf. So liegen mittlerweile sowohl Kohortenstudien vor, die keinen Einfluss [8, 9], als auch Kohortenstudien, die einen Einfluss von CYP2D6-Inhibitoren auf die Tamoxifen-Effektivität zeigen konnten [10].

Schlussfolgerungen aus Sicht der AMK und DPhG

Für eine abschließende Bewertung sind unbedingt weitere Studien erforderlich. Bei einer Komedikation mit bekannten Inhibitoren des CYP2D6-Isoenzyms sollte auch bei noch fehlender klinischer Evidenz eine relevante Interaktion zumindest in Betracht gezogen werden. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt es sich, dass Patienten, die Tamoxifen einnehmen, wenn möglich nur Arzneistoffe mit geringer oder am besten keiner CYP2D6-inhibierenden Wirkung erhalten. Tamoxifen sollte daher nicht gleichzeitig mit Paroxetin bzw. Fluoxetin eingesetzt werden. Ist eine Therapie mit einem SSRI notwendig, sollte ein Einsatz von bzw. der Wechsel auf die schwachen CYP2D6-Inhibitoren Citalopram oder Escitalopram in Erwägung gezogen werden [1, 7]. Auch der SNRI Venlafaxin stellt eine Therapieoption dar, da der Arzneistoff CYP2D6 nicht nennenswert inhibiert und in der kanadischen Studie die Sterblichkeit nicht erhöhte [1, 6]. Nicht nur bei den SSRI, sondern auch bei anderen Arzneistoffklassen finden sich CYP2D6-Inhibitoren. Hierzu zählen zum Beispiel Bupropion, Chinidin, Duloxetin und Terbinafin.


Quelle

[1] Brauch, H., Murdter, T. E., Eichelbaum, M., et al., Pharmacogenomics of tamoxifen therapy. Clin. Chem. 55 (2009) 1770-1782.

[2] Borges, S., Desta, Z., Li, L., et al., Quantitative effect of CYP2D6 genotype and inhibitors on tamoxifen metabolism: implication for optimization of breast cancer treatment. Clin. Pharmacol. Ther. 80 (2006) 61-74.

[3] Schroth, W., Goetz, M. P., Hamann, U., et al., Association between CYP2D6 polymorphisms and outcomes among women with early stage breast cancer treated with tamoxifen. JAMA 302 (2009) 1429-1436.

[4] Stearns, V., Johnson, M. D., Rae, J. M., et al., Active tamoxifen metabolite plasma concentrations after coadministration of tamoxifen and the selective serotonin reuptake inhibitor paroxetine. J. Natl. Cancer Inst. 95 (2003) 1758-1764.

[5] Bertelsen, K. M., Venkatakrishnan, K., Von Moltke, L. L., et al., Apparent mechanism-based inhibition of human CYP2D6 in vitro by paroxetine: comparison with fluoxetine and quinidine. Drug Metab. Dispos. 31 (2003) 289-293.

[6] Kelly, C. M., Juurlink, D. N., Gomes, T., et al., Selective serotonin reuptake inhibitors and breast cancer mortality in women receiving tamoxifen. BMJ 340 (2010) c693.

[7] Andersohn, F. und Willich, S. N., Interaction of serotonin reuptake inhibitors with tamoxifen. BMJ 340 (2010) c783.

[8] Lash, T. L., et al., Breast cancer recurrence risk related to concurrent use of SSRI antidepressants and tamoxifen. Acta Oncol. (2010) Early Online, 1-8.

[9] Dezentje, V., van Blijderveen, N. J., Gelderblom, H., et al., Concomitant CYP2D6 inhibitor use and tamoxifen adherence in early-stage breast cancer: A pharmacoepidemiologic study. J. Clin. Oncol. 27 (2010) CRA509.

[10] Aubert, R. E., Stanek, E. J., Yao, J., et al., Risk of breast cancer recurrence in women initiating tamoxifen with CYP2D6 inhibitors. J. Clin. Oncol. 27 (2009) CRA508.


Prof. Dr. Theo Dingermann
Dr. Nina Griese
Prof. Dr. Wolfgang Kämmerer
Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Prof. Dr. Martin Schulz

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