Arzneimittel und Therapie

Impfstoffe durch Zucker tropentauglich und preisgünstiger

Britische Wissenschaftler haben eine effektive und preiswerte Technik entwickelt, Impfstoffe gegen hohe Temperaturen widerstandsfähig zu machen: Lebende Impfviren werden in eine Zuckerlösung gegeben und dann langsam auf einem Filter getrocknet. Als Testorganismen wurden ein Adenovirus und ein Vaccinia-Virus eingesetzt. Der Impfstoff kann nach Rehydration verwendet werden; die Testviren überlebten mehrere Monate bei Temperaturen von 45 °C. Klinische Studien müssen nun Sicherheit und Wirksamkeit der temperaturstabilen Impfstoffe belegen.
Impfstoffentwicklung Ein neues Verfahren zur Herstellung von temperaturstabilen Virusimpfstoffen verwendet Zucker als Konservierungsmittel. Die weitere Entwicklung könnte zu preiswerter und tropentauglichen Vakzinen führen.
Foto: WHO/Chiron Vaccines

Üblicherweise dürfen Lebendvakzine nur bei Temperaturen zwischen 4 °C und maximal 8 °C gelagert werden. Nach einer Untersuchung der WHO verteuert die Kühllagerung Impfkampagnen um bis zu 20% in Ländern wie England oder den USA und kostet jährlich 200 Millionen Dollar. In tropischen Ländern, in denen es an moderner Infrastruktur wie Kühlketten fehlt, sind – abgesehen von den sonstigen Kosten – entsprechende Aktionen für Massenimpfungen noch schwieriger zu gestalten.

Neu: Hypodermic Rehydration Injection System

Britische Wissenschaftler sind jetzt der Möglichkeit näher gekommen, Impfkampagnen auch in tropischen Entwicklungsländern preisgünstig zu realisieren. Bei dem Verfahren, das Hypodermic Rehydration Injection System genannt wird und zwischenzeitlich patentiert ist, werden Impfviren zunächst in eine Lösung mit den Disacchariden Trehalose und Saccharose gegeben. Die Mischungen werden anschließend auf eine Membran aus Glasfasermaterial aufgetragen und bei Raumtemperatur in einer Kammer mit geringer Luftfeuchtigkeit getrocknet. Nach Verdunstung des Wassers bildet sich zunächst eine sirupartige Mischung, die sich schließlich verfestigt. Der auf diese Weise entstehende glasartige dünne Zuckerfilm auf der Membran schützt die Viren offensichtlich auch bei höheren Temperaturen vor Zersetzung. Die Arbeitsgruppe um den Virologen Matt Cottingham von der Oxford University setzte bei ihren Untersuchungen zwei gentechnisch veränderte Virusstämme – ein Adenovirus und ein Vaccinia-Virus – ein, die auch als Organismen in verschiedenen aktuell in der Entwicklung befindlicher Impfstoffe verwendet werden sollen.

Beide Impfstoffe waren in dieser Formulierung bei 45 °C mehrere Monate haltbar; bei 37 °C konnten sie mit nur geringen Aktivitätsverlusten über ein Jahr aufbewahrt werden, wie immunologische Tests an Mäusen zeigten. Auch die praktische weitere Verwendung der getrockneten Impfstoffe erscheint unproblematisch: die Membran mit dem Zuckerfilm wird in eine Kunststoffkartusche am hinteren Ende einer Spritze gegeben. Nach dem Aufsaugen einer Kochsalzlösung verflüssigt sich der Wirkstoff und kann nach dieser Rehydration sofort injiziert werden.

Als nächstes soll jetzt geprüft werden, ob sich die Technik auch in industriellem Maßstab darstellen lässt. Klinische Studien müssen überdies belegen, dass die Schutzwirkung auch nach dem Trocknungsverfahren besteht und ob bzw. welche Risiken bei seiner Anwendung bestehen. Außerdem soll untersucht werden, ob das Verfahren für bestehende Standardimpfstoffe Anwendung finden kann. "Durch eine Stabilisierung von Impfstoffen gegen hohe Temperaturen und einen Wegfall der Kühlkette könnten mehr Kinder weltweit geimpft werden", kommentiert der Co-Autor der Untersuchung, Professor Adrian Hill.

Quelle Alcock, R.; et al.: Long-Term Thermostabilization of Live Poxviral and Adenoviral Vaccine Vectors at Supraphysiological Temperatures in Carbohydrate Glass. Sci. Transl. Med. 2, 19ra12 (2010).

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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