Aus der Hochschule

Trommsdorff und die (Pharmazie-)Geschichte Erfurts

Ende Januar weilten die Studenten des Aufbaustudiengangs Pharmaziegeschichte an der Universität Marburg zwei Tage lang in Erfurt, um die Heimatstadt von Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 – 1837), dem Mitbegründer der wissenschaftlichen Pharmazie, zu erkunden. Dr. des. Florian Öxler leitete die Exkursion.
Studierende der Pharmaziegeschichte vor dem Erfurter Mariendom.

Im späten Mittelalter zählte Erfurt zu den größten Städten des deutschsprachigen Raumes. Hier kreuzten sich die Via regia, eine der wichtigsten Handelsstraßen in Ost-West-Richtung, die auf der berühmten, beidseitig bebauten Krämerbrücke die Gera überquert, und die Nürnberger Geleitstraße. Ein ehemaliger Waidspeicher, der heute ein Theater beherbergt, erinnert an die Bedeutung des in der Umgebung angebauten Färberwaids Isatis tinctoria für den Wohlstand der mittelalterlichen Stadt.

Historische Beziehungen zu Marburg

Im Festsaal des Rathauses gab eine Kunsthistorikerin anhand der Historiengemälde einen Einblick die Thüringer und Erfurter Geschichte, wobei sie immer wieder Verbindungen nach Marburg aufzeigte. Sie schilderte das Leben Martin Luthers (1483 – 1546), der in Erfurt studierte und nach einem Schlüsselerlebnis – einem in Todesangst überstandenen Gewitter – in das dortige Kloster der Augustiner-Eremiten eintrat. 1529 traf er auf Einladung des hessischen Landgrafen Philipp des Großmütigen im Marburger Schloss den Zürcher Reformator Ulrich Zwingli (1484 – 1531) zu den Marburger Religionsgesprächen. – Im Gestühl des Festsaals entdeckten wir den Ehrenplatz von J. B. Trommsdorff (s. u.).

Im Mariendom, der mit der Severikirche ein imposantes Ensemble bildet, wird zusammen mit einem Faksimile der Heiligsprechungsurkunde von 1235 eine Reliquie der heiligen Elisabeth von Thüringen, der Patronin Thüringens und Hessens, aufbewahrt – eine weitere Verbindung von Erfurt zu Marburg, wo Elisabeth ihre letzten Lebensjahre verbrachte.

Alte Synagoge mit Ausstellung

Erfurts Alte Synagoge ist um 1100 entstanden und damit die älteste erhaltene Synagoge Europas. Nach einem Pogrom ging sie 1349 in christlichen Besitz über, wurde zwischenzeitlich als Lagerhalle und später als Restaurant mit Tanzboden zweckentfremdet und überdauerte wie im Dornröschenschlaf sowohl die Nazi- als auch die DDR-Zeit. Im Oktober 2009 wurde das für 1,6 Millionen Euro sanierte und restaurierte Gebäude als Museum wiedereröffnet.

Im Keller werden Münzen und Schmuckgegenstände des sogenannten Erfurter Schatzes ausgestellt. Wir bestaunten auch Faksimiles und einige Originale von mittelalterlichen hebräischen Handschriften Erfurter Provenienz aus dem Besitz der Staatsbibliothek Berlin, die während des Zweiten Weltkriegs in das Marburger Schloss ausgelagert worden waren. Die in Fachkreisen "Erfurt 1" genannte hebräische Bibel war jedoch in den Keller des damaligen Wirtschaftsministeriums ausgelagert worden, wo sie 1945 nach einem Bombenangriff durch Feuer und Löschwasser schwer beschädigt wurde. Von 1999 bis 2007 aufwendig restauriert, erstrahlt sie heute wieder in alter Pracht und kann bis Ende Februar in Erfurt betrachtet werden (http://alte-synagoge.erfurt.de).

Johann Bartholomäus Trommsdorff Das Medaillon an der Hauptpost wurde im Jahr 2007 gestiftet.

Berühmte Apotheker: Trommsdorff und Biltz

Bei einer wissenschaftshistorischen Führung zeigte uns Priv.-Doz. Dr. Jürgen Kiefer, Institut für Geschichte der Medizin in Jena, die Wohn- und Wirkungsstätten Johann Bartholomäus Trommsdorffs und anderer berühmter Erfurter Apotheker und Ärzte und brachte uns die Geschichte der "Alma mater Erfordiensis" sowie das Studentenleben vergangener Jahrhunderte näher (www.akademie-erfurt.de/pages/geschichte/erfurt.php).

Ein Bronzemedaillon mit dem Porträt Trommsdorffs an der Hauptpost am Anger erinnert an den einstigen Standort seiner Apotheke "Zum Schwanen-Ring". Trommsdorff war seit 1792 Mitglied und ab 1822 Direktor der Erfurter Akademie gemeinnütziger Wissenschaften, in die vor Kurzem auch der Leiter des Marburger Instituts für Geschichte der Pharmazie, Prof. Dr. Christoph Friedrich, aufgenommen wurde, insbesondere aufgrund seiner Verdienste um die 2009 abgeschlossene Edition von Trommsdorffs Briefwechsel.

Am Domplatz steht das Gebäude der ehemaligen Grünen Apotheke, die Friedrich Heinrich Biltz (1790 – 1835) gehörte, einem engen Freund Trommsdorffs, der in dessen Lehrinstitut die botanischen Exkursionen durchführte. Als seine größte wissenschaftliche Leistung gilt die Gewinnung von Opium aus in der Region angebautem Mohn. Auch sein Sohn Ernst Christian August Biltz (1822 –1903), Apotheker, Botaniker und Chemiker, Erfinder der Schichtmethode in der analytischen Chemie und Ehrendoktor der Universität Marburg, ist Wissenschaftshistorikern ein Begriff.

Ferner sahen wir beim Stadtrundgang den Kaisersaal – das ehemalige Fecht- und Ballhaus der Universität –, wo sich 1808 Napoleon und Zar Alexander I. zum Erfurter Fürstenkongress trafen, das Schottenkloster mit der Sternwarte der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften und die Burse, ein Internat für mittellose Studenten.

Bistro mit Apothekenflair

In einer zum Bistro umfunktionierten, mit vielen alten Apotheken-Standgefäßen dekorierten ehemaligen Drogerie unweit der Krämerbrücke ließen wir die Exkursion ausklingen.


Johannes Müller, Marburg

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