Arzneimittel und Therapie

Kieselalgen als Hoffnungsträger für Leukämietherapie

Eine Arbeitsgruppe der norwegischen Universität Bergen untersuchte Extrakte aus verschiedenen Kieselalgen (Diatomeen) in Screeningversuchen auf ihre Wirksamkeit an Leukämiezelllinien. Die Ergebnisse zeigen ermutigende zelltoxische Eigenschaften. Sogar Zellklone mit bekannter Resistenz gegen Zytostatika wurden von den Einzellerextrakten in die Knie gezwungen.
Illustrationstafel Diatomeae Diatomeen können zusammen mit Cyanobakterien und heterotrophen Bakterien auf Substraten einen Aufwuchs auf der Wasseroberfläche bilden, der als Biofilm bezeichnet wird.

[aus "Kunstformen der Natur", Ernst Haeckel (1904)]

Foto: Wikipedia

Auf der Suche nach neuen onkologischen Wirkstoffen besinnt man sich mehr und mehr auf die scheinbar unerschöpfliche Vielfalt des Lebens in unseren Ozeane. Erfolgreiche Entwicklungen der letzten Jahre waren beispielsweise das Alkaloid Trabectidin und das Zyklodepsinpeptid Aplidin, die beide aus Seescheiden isoliert wurden. Diatomeen sind dagegen toxikologisch bislang lediglich durch epidemieartige Fischvergiftungen nach Algenblüten aufgefallen, die durch die neurotoxische Aminosäure Domoinsäure ausgelöst werden.

Eine norwegische Forschergruppe setzten IPC-Leukämiezellen Zellextrakten aus Kieselalgen aus, die von der Uferzone der norwegischen Atlantikküste gewonnen wurden. IPC-81-Zellen sind eine Rattenleukämie-Zelllinie, die teilweise auch das Protein Bcl-2 tragen. Bcl-2 wird auch als Überlebensprotein bezeichnet, da es in der Regulation bzw. in der Induktion der Apoptose eine wichtige Rolle spielt. Untersucht wurden die Extrakte aus vier verschiedenen Spezies der Kieselalgen, die auf der Wasseroberfläche einen Biofilm bilden können. Es zeigte sich eine Apoptoseinduktion und Autophagozytose in der Rattenleukämie-Zelllinien IPC-81 und vereinzelt konnte die Bcl-2-induzierte Zytostatikaresistenz überwunden werden. Der Effekt wird unter anderem auf den hohen Adenosingehalt der Extrakte zurückgeführt. Aber auch Adenosinunabhängige Wirkungen durch bislang unbekannte Substanzen wurden nachgewiesen. Dass das neurotoxische Algentoxin Domoinsäure an der Auslösung des Zelltodes beteilt ist, schließen die Forscher aus. In weiteren gezielten Versuchen konnten viel versprechende Effekte auf die Thrombozytenaggregation gefunden werden. Die Autoren gelangen zu dem Schluss, im weit verzweigten Reich dieser eukaryotischen Mikroalgen eine reichhaltige Quelle für neue Wirkstoffe gefunden zu haben. Ziel zukünftiger Untersuchungen sollte es daher sein, weitere Inhaltstoffe zu isolieren und in ihrer genauen Struktur aufzuklären.

 

Quelle Prestegard, S.K., et al., Marine Benthic Diatoms Contain Compounds Able to Induce Leukemia Cell Death and Modulate Blood Platelet Activity, Marine Drugs 2009, 7, 605-623;doi: 10.3390/md7040605

 


Apotheker Peter Tschiersch

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