Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Mortalitätsrisiko bei Lungenkrebs

Eine Post-hoc-Analyse der Women’s Health Initiative (WHI) kommt zum Schluss, dass die postmenopausale Estrogen- und Progesterongabe das Risiko für die Sterblichkeit an Lungenkrebs erhöht. Dieses Ergebnis gesellt sich zu den bereits bekannten unerwünschten Wirkungen einer Hormonersatztherapie und wird von einem Kommentator als "weiterer Sargnagel der postmenopausalen Hormongabe" bezeichnet.

Die WHI-Studie, die sich mit den Auswirkungen einer postmenopausalen Hormonersatztherapie befasst, wurde nach knapp sechsjähriger Dauer abgebrochen, da sie mehr negative als positive Auswirkungen zeigte. So stand dem Rückgang von Osteoporose und Darmkrebs ein Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen, Thromboembolien, koronaren Herzerkrankungen und Brustkrebs gegenüber. Ein Einfluss auf das Lungenkrebsrisiko konnte während der Studiendauer (5,6, Jahre) nicht festgestellt werden. Allerdings wurde in der Nachbeobachtungszeit (2,4 Jahre) eine höhere Anzahl an Todesfällen aufgrund eines Lungenkarzinoms registriert.

Post-hoc-Analyse

In einer Post-hoc-Analyse wurden die Daten der WHI erneut betrachtet, um mögliche Auswirkungen auf das Lungenkrebs- und Mortalitätsrisiko aufgrund eines Lungenkarzinoms zu untersuchen. Dazu wurden die Daten von mehr als 16.500 postmenopausalen Frauen herangezogen, die entweder eine Hormonersatztherapie (täglich 0,625 mg konjugierte equine Estrogene und 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat) oder ein Placebo erhalten hatten. Der Auswertungszeitraum umfasste die Studiendauer und die Nachbeobachtungsphase, also median acht Jahre. Ermittelt wurden die Inzidenz- und Mortalitätsraten für alle Lungenkrebserkrankungen sowie getrennt nach kleinzelligen (small cell lung cancer = SCLC) und nicht-kleinzelligen (NSCLC = non-small lung cell cancer) Bronchialkarzinomen.

Erhöhte Lungenkrebsmortalität

Nach acht Jahren war bei 109 Frauen der Verumgruppe und bei 85 Teilnehmerinnen der Placebogruppe ein Lungenkarzinom festgestellt worden. 73 Frauen der Verumgruppe und 40 Patienten der Placebogruppe waren an Lungenkrebs gestorben. Die negativen Auswirkungen einer Hormonersatztherapie zeigten sich vor allem bei den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC). Hier verstarben 62 Frauen in der Verumgruppe vs. 31 Frauen in der Placebogruppe (Einzelheiten siehe Tabelle). Die in der Verumgruppe festgestellten Lungenkarzinome waren weniger gut differenziert und neigten stärker zur Metastasierung als die in der Placebogruppe diagnostizierten Lungentumore.

Bei Raucherinnen betrug die Mortalitätsrate in der Verumgruppe 3,4% vs. 2,4% in der Vergleichsgruppe.

Klinische Konsequenzen

Ein Kommentator der Studie stellt die Frage, ob angesichts der Häufung unerwünschter Wirkungen eine postmenopausale Hormonersatztherapie heute noch eingesetzt werden sollte, da nicht bekannt ist, über welchen Zeitraum hinweg die Hormongabe ohne negative Wirkungen erfolgen kann. Auf jeden Fall müssen mögliche negative Folgen vor der Verordnung einer Hormonersatztherapie bedacht werden. Dies gilt für allem für Frauen mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko, also für Raucherinnen.

Quellen Chlebowski R., et al.: Oestrogen plus progestin and lung cancer in postmenopausal women (Womens Health Initiative trial): a post-hoc analysis of a randomised controlled trial. Lancet 374, 1243 –1251 (2009). Kishor Ganti A.: Another nail in the coffin for hormone-replacement therapy? Lancet 374, 1217–1218 (2009).

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Estrogene und Lungenkrebs


Dem heutigen Kenntnisstand zufolge scheint eine Überexpression von Estrogenrezeptor β bei der Tumorbildung im Lungengewebe eine Rolle zu spielen. Die Estrogen-modulierte Genexpression ist mit der Proliferation und dem Wachstum maligner Zellen beim NSCLC assoziiert. Ferner scheinen Estrogene die Angiogenese zu stimulieren.

Jährliche Gesamtinzidenz und Gesamtmortalität von Lungenkarzinomen in der WHI-Studie

Hormon-
ersatz-
therapie
Placebo
Hazard ratio
95% Konfidenzintervall
p-Wert
Gesamtinzidenz
0,16%
0,13%
1,23
0,92–1,63
0,16
  • NSCLC
0,14%
0,11%
1,28
0,94–1,73
0,12
  • SCLC
0,02%
0,02%
0,96
0,44–2,07
0,91
Gesamtmortalität
0,11%
0,06%
1,71
1,16–2,52
0,01
  • NSCLC
0,09%
0,05%
1,87
1,22–2,88
0,004
  • SCLC
0,02%
0,01%
1,16
0,48–2,79
0,75

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.