Arzneimittel und Therapie

Vorsicht beim Austausch retardierter Arzneistoffe

Durch eine Retardierung können viele Therapieziele besser erreicht werden: die Wirksamkeit kann erhöht und das zu schnelle Anfluten von Antihypertensiva vermieden werden. Doch gerade bei retardierten Arzneistoffen sollten Einnahmehinweise beachtet und die Austauschbarkeit immer wieder hinterfragt werden.

Dabei bezeichnete Prof. Dr. Werner Weitschies, Greifswald, die Diskussion Originator versus Generikum nicht nur in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als "unsinnig". Das Problem sieht er in der "wahllosen Substitution" vor allem bei Patienten, die auf ein Präparat gut eingestellt sind. Dabei sei es egal, ob das ein Original oder Generikum ist. Besonders wenig Verständnis zeigte Weitschies für die in Krankenhäusern oft übliche Praxis der Umstellung von stationär aufgenommenen, stabil eingestellten Patienten auf das im Krankenhaus gelistete Präparat. Je komplexer eine Arzneiform ist, desto fraglicher ist ihre Austauschbarkeit, betonte Weitschies und verwies auf die DPhG-Leitlinie "Gute Substitutionspraxis". Hinzu kommt ein großer Beratungsbedarf zum sachgerechten Umgang mit retardierten Arzneiformen. An erster Stelle nannte Weitschies Hinweise zum Zeitpunkt der Arzneimitteleinnahme, die bei der Abgabe immer genau erläutert werden müssten; vor allem die Frage, ob ein Präparat nüchtern, vor dem Essen, mit dem Essen oder nach dem Essen eingenommen wird. So sollten z. B. retardierte Nifedipinpräparate 30 Minuten vor dem Essen eingenommen werden, da ansonsten die Arzneiform durch den Speisebrei im Magen zurückgehalten wird, so dass der freigesetzte Arzneistoff dort verbleibt. Nach der Magenentleerung kann es zu einer deutlich überschießenden Freisetzung (dose dumping) kommen, der Retardeffekt wird fast vollständig aufgehoben. Als Folge sind ein schneller Blutdruckabfall sowie eine reflektorische Tachykardie möglich. Weitschies warnte davor, dass mögliche "Food-Effekte" von generischen schnell freisetzenden Arzneiformen in der Regel nicht untersucht sind.

Quelle Prof. Dr. Werner Weitschies, Greifswald; Pharmacon Davos, 11. Februar 2010. 

 

ck

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