DAZ aktuell

Elektronisch gesicherte Arzneipackungen

Arzneimittelfälschungen haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Die Pharmaindustrie sucht nach Möglichkeiten, die Vertriebswege sicherer und ihre Produkte fälschungssicher zu machen – beispielsweise über fälschungssichere Verpackungen. Das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover arbeitet zurzeit mit Industrie- und Forschungspartnern im Rahmen des Verbundprojekts EZ-Pharm daran, Arzneimittelpackungen mithilfe der Radio Frequency Identification-Technologie (RFID) sicherer und gleichzeitig den Weg des Produkts nachverfolgbar zu machen.
Elektronisch gesicherte Faltschachtel mithilfe der RFID-Technologie. Das Besondere: Der Transponder wird hier nicht aufgeklebt, sondern direkt auf die Packung aufgedruckt. Foto: ITA

In den letzten Jahren hat die Produktpiraterie in der pharmazeutischen Industrie drastisch zugenommen. Allein im Jahr 2008 stieg die Anzahl der an den EU-Außengrenzen beschlagnahmten Arzneimittel um 57% im Vergleich zum Jahr 2007 (über 4 Mio. Stück) an. Die Tatsache, dass gefälschte Arzneimittel eine potenzielle Bedrohung für die Gesundheit der Verbraucher darstellen, macht die ansteigende Zahl an sichergestellten Plagiaten in besonderem Maße besorgniserregend. Dass Medikamente in den letzten Jahren immer häufiger Gegenstand von Fälschungen geworden sind, ist auf die hohen Gewinnchancen zurückzuführen. Hierbei werden insbesondere Lifestyle-                                                                                         Präparate nachgeahmt.

Elektronisch gesicherte Faltschachtel

Seit etwa zwei Jahren arbeiten Projektgruppen an einer elektronisch gesicherten Faltschachtel mithilfe der Radio Frequency Identification-Technologie (RFID). Diese Technologie beruht beim hier angewendeten UHF-Frequenzband auf einer Identifizierung von Gegenständen mithilfe von elektromagnetischen Wellen. Der Gegenstand wird dabei mit einem Transponder (Chip mit Antenne) versehen. Über ein Lesegerät, das ein elektromagnetisches Hochfrequenzfeld erzeugt, kann mit dem Transponder Kontakt aufgenommen und die Information des Transponders ausgelesen werden. Über diese elektromagnetischen Wellen werden dabei nicht nur Daten übertragen, sondern der Transponder auch mit Energie versorgt.

Diese Technologie, die zunehmend den Barcode verdrängt, wird bereits heute für die Sicherung von Waren verwendet. Der Transponder ist dabei beispielsweise als dünne Folie im aufgeklebten Preisetikett versteckt. Im Rahmen des Projekts EZ-Pharm zur Sicherung von Arzneimittelpackungen geht man allerdings einen anderen Weg. Hier wird der Transponder nicht aufgeklebt, sondern direkt auf die Packung aufgedruckt.

RFID-Prüfstand am Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA), Hannover. Hier werden die Leistungsfähigkeit der Transponder geprüft und eine Optimierung des Antennendruck- und Kontaktierungsprozesses erarbeitet.
Foto: ITA

Der Chip wird mithilfe von Kontaktflächen, die an seinen Anschlüssen vormontiert sind, auf der Antenne fixiert. Das Besondere bei diesem Projekt: Die Antenne wird drucktechnisch in einer Offset-Druckmaschine direkt auf der Innenseite der Verpackung erzeugt. Silberpartikel in der Druckfarbe sorgen hierbei für die erforderliche elektrische Leitfähigkeit. Ein entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Verfahren ist die nicht zerstörungsfrei ablösbare direkt auf die Faltschachtel gedruckte Antennenstruktur. Außerdem ist eine gedruckte Antenne deutlich preisgünstiger herzustellen als bei den meisten gebräuchlichen Klebe-Tags, bei denen die Antennenstruktur beispielsweise durch einen Ätzprozess erzeugt wird. Sie kann im gleichen Produktionsschritt, in dem auch die Beschriftung erzeugt wird, auf die Faltschachtel aufgedruckt werden. Allerdings ist die Herstellung leitfähiger Strukturen im Rahmen des angewandten Druckprozesses besonders komplex.

Das EZ-Pharm-Projekt

Seit dem 1. Januar 2008 wird gemeinsam über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren an einem System zur Kennzeichnung und Verfolgung (Tracking & Tracing) von Faltschachteln geforscht. Im Rahmen des Projekts EZ-Pharm wird auf Basis der RFID-Technologie ein elektronisches Echtheitszertifikat für Medikamentenverpackungen entlang der Pharmaversorgungskette entwickelt. Das vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreute und BMBF geförderte Verbundprojekt besteht aus Industrie- und Forschungspartnern, die in einem Konsortium zusammengeschlossen sind. Das Institut für Integrierte Produktion Hannover entwickelt zusammen mit der Gesellschaft für Standardprozesse im Gesundheitswesen und dem Faltschachtelhersteller Bretschneider eine gesicherte Prozesskette. Für die Entstehung einer elektronisch geschützten Faltschachtel sind sowohl der Präzisionsautomatenhersteller Asem, der Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer als auch der Faltschachtelhersteller Bretschneider und das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik der Leibniz Universität Hannover verantwortlich.

Sichere Distributionskette

Bereits bei der Herstellung der Medikamente und der anschließenden Verpackung wird jede Faltschachtel individualisiert und so verschlossen, dass ein zwischenzeitliches Öffnen detektiert werden kann. Der Transponder-Chip wird mit Tracking-Informationen beschrieben, die mit einer Datenbank synchronisiert werden. Dieser Prozess wird an sämtlichen Distributionspunkten, die die Faltschachtel durchläuft, wiederholt, wodurch ein einzigartiges bei jeder Faltschachtel unterschiedliches Profil erzeugt wird. Bei der Ausgabe des Medikaments an den Endverbraucher wird das Profil der Faltschachtel mit der Datenbank abgeglichen und somit die Echtheit sichergestellt.

Daten können im Pulk ausgelesen werden

Das bei diesem Projekt eingesetzte System zur Erzeugung von elektromagnetischen Wellen ermöglicht eine Auslesung der Transponder im Pulk, also die Erfassung mehrerer Transponder in einem Vorgang. Diese Eigenschaft ist vor allem für die praktische Anwendbarkeit des Systems wichtig. So kann der Händler eine in einer Umverpackung befindliche elektronisch gekennzeichnete Faltschachtel erkennen. Zum Detektieren der elektronischen Faltschachtel entlang der Logistikkette ist somit kein Sichtkontakt und auch keine Vereinzelung nötig. Eine Herausforderung stellen hierbei jedoch Flüssigkeiten und metallische Gegenstände dar. Sie können die elektromagnetischen Wellen reflektieren oder sogar absorbieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass zurückgeworfene Wellen miteinander interferieren. Diese Interferenzen können stärkenden oder schwächenden Charakter haben und im Extremfall zur vollständigen Auslöschung führen.

Die Pilotphase

Transponder für die RFID-Technologie. Solche oder ähnliche Transponder werden heute bereits zur Warensicherung eingesetzt.
Foto: Lara Nachtigall, Fotolia.com

Nach Abschluss der Untersuchungen am ITA bezüglich der Leistungsfähigkeit der Transponder und einer weitergehenden Optimierung des Antennendruck- und Kontaktierungsprozesses, wird das entwickelte System in der Praxis u. a. in Kooperation mit einer Krankenhausapotheke erprobt. Während dieser Pilotphase sollen vor allem die Praxistauglichkeit, die Zuverlässigkeit und die Sicherheit des Konzepts überprüft werden.

 

 

 

 

 

 

Ansprechpartner: Dipl.-Ing. (FH) Lennart Schulz, Leibniz Universität Hannover, Institut für Transport- und Automatisierungstechnik, Tel. (0511) 762-18160, E-Mail: lennart.schulz@ita.uni-hannover.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.