DAZ aktuell

Kritik an Packungsgrößenbegrenzung

STUTTGART (du). Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt, apothekenpflichtige Analgetika-Großpackungen wie 100er-Packungen ASS der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Folgt der Gesetzgeber dieser Empfehlung, werden nahezu alle zurzeit noch apothekenpflichtigen Analgetika in Packungen mit mehr als 20 Tabletten rezeptpflichtig. Neue Erkenntnisse zu Risiken liegen nicht vor. Man strebt damit lediglich eine Gleichbehandlung mit Paracetamol an, das in Packungsgrößen über 10 g verschreibungspflichtig ist. Dieses Ansinnen stößt bei vielen Apothekern auf Unverständnis.

Am 12. Januar 2010 hatte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht über zwei Vorschläge zur Packungsgrößenbegrenzung von Analgetika abgestimmt: Einen Vorschlag des BfArM und einen der Hersteller, vorgetragen von dem Ausschussmitglied und Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) Dr. Bernd Eberwein. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte für den Vorschlag des BfArM (s. auch AZ 2010, Nr. 3, S. 1 und 2 und DAZ 2010, Nr. 3, S. 44). Damit wurde beschlossen, dem Gesetzgeber eine Packungsgrößenbegrenzung für apothekenpflichtige Analgetika nach folgender Maßgabe zu empfehlen:

  • Acetylsalicylsäure bis zu maximal 10 g (z. B. 20 x 500 mg)
  • Diclofenac bis zu maximal 500 mg (z. B. 20 x 25 mg)
  • Ibuprofen bis zu maximal 8 g (z. B. 20 x 400 mg)
  • Phenazon bis zu maximal 10 g (z. B. 20 x 500 mg)
  • Propyphenazon bis zu maximal 10 g (z. B. 20 x 500 mg)

Die Hersteller hatten einen weniger restriktiven Vorschlag zur Abstimmung gestellt, der eine Packungsgrößenbegrenzung für den Bedarf von 10 Tagen vorsah. Von Apothekerseite wurde kein Vorschlag gemacht. Nach Bekanntwerden der Empfehlung unterstützte Prof. Dr. Martin Schulz, Leiter der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker und Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der ABDA mit Nachdruck die Empfehlung des BfArM. In einem Interview sprach er sich für eine unverzügliche Umsetzung der Empfehlung ohne Übergangsregelungen aus. Die Begründung: "Arzneimittelsicherheit geht vor!"

Keine neuen Risikoerkenntnisse

Wenn der Gesetzgeber apothekenpflichtige Arzneimittel unter die Verschreibungspflicht stellen will, muss er sich an die Vorgaben des § 48 Arzneimittelgesetz (AMG) halten. Hier wird ausgeführt, dass eine Verschreibungspflicht immer dann anzuordnen ist, wenn von dem Arzneistoff ein besonderes Risiko ausgeht, wenn durch Missbrauch eine besondere Gefährdung zu erwarten ist oder wenn es sich um einen neuen Arzneistoff mit unbekannten Risiken handelt. Die Empfehlung des Sachverständigenausschusses zu den altbekannten apothekenpflichtigen Analgetika beruht jedoch nicht auf einer neuen Risikobewertung. Triebfeder soll die Gleichbehandlung der apothekenpflichtigen Analgetika gewesen sein, was nach AMG allerdings kein Kriterium für Verschreibungspflicht ist. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber der Empfehlung des Sachverständigenausschusses folgen wird und sie in Form einer entsprechenden Änderungsverordnung zur Arzneimittelverschreibungsverordnung umsetzt. Die Änderungsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates und könnte frühestens zum 1. Juli 2010 in Kraft treten, gegebenenfalls mit Übergangsregelungen.

"Verantwortungsbewusster Umgang"

Ein Argument für die Verschreibungspflicht von Großpackungen könnte ein erhöhtes Missbrauchsrisiko sein. Dafür gibt es laut Schulz allerdings keine klaren Hinweise. Auch der Aspirin® -Hersteller Bayer kann kein erhöhtes Missbrauchsrisiko erkennen. Er beruft sich dabei unter anderem auf die Auswertung von fünf apothekenbasierten nicht interventionellen Studien mit insgesamt 9444 Patienten zu Aspirin®. Vorgestellt wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz am 3. Februar 2010 in Frankfurt. Der häufigste Verwendungsanlass waren Kopfschmerzen, gefolgt von Erkältungsbeschwerden und Fieber. Die Behandlungsdauer lag im Mittel bei 2,2 Tagen, die durchschnittliche Tagesdosis bei 2,2 Tabletten. Die Ergebnisse zeigen, dass der Patient verantwortungsbewusst mit dem Analgetikum umgehe, so Priv.-Doz. Dr. Marianne Petersen-Braun, Leiterin Scientific Affairs Consumer Care bei Bayer Vital. Der Patient orientiere sich an der Behandlungsbedürftigkeit und bleibe mit der durchschnittlichen Anwendungsdauer und Tagesdosis unter den Empfehlungen der Packungsbeilage. Für die Behandlung würden überwiegend Kleinpackungen gekauft. Auch den Apothekern bescheinigte sie, dass sie ihrer Beratungsaufgabe gerecht werden. Ein erhöhtes Missbrauchsrisiko und auch ein über das bekannte Maß hinausgehendes Nebenwirkungsrisiko sei nicht zu erkennen.

Viele Apotheker finden Neuregelung überflüssig

Mit Bekanntwerden der Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht hat die Deutsche Apotheker Zeitung auf DAZ.online (www.deutsche-apotheker-zeitung.de) eine Umfrage zu diesem Thema gestartet. Etwa 20% der Apotheker, die an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen haben, unterstützen den Vorschlag des Sachverständigenausschusses, die Packungsgröße auf 20 Tabletten zu begrenzen. 13% bevorzugen den weniger restriktiven Vorschlag der Hersteller mit einer Begrenzung auf 10 Tagesdosen. Etwa 20% hätten einen Vorschlag von Apothekerseite begrüßt. Gut 47% halten eine Neuregelung für überflüssig. Nach den Ergebnissen einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung halten 68% der Apotheker und 55% der Endverbraucher eine Packungsgrößenbeschränkung bei rezeptfreien Schmerzmitteln und damit eine Neuregelung nicht für sinnvoll (s. Kasten).

Mehrere Kommentatoren auf DAZ.online können in der Begrenzung der Packungsgröße kein sinnvolles Instrument erkennen kann, eventuellen Missbrauch wirkungsvoll zu unterbinden. Dann würden eben anstelle einer Hunderterpackung fünf Kleinpackungen gekauft, so der Tenor. Von übertriebenem Verbraucherschutz ist die Rede. Ein Leser sieht in dem Wegfall der Apothekenfestpreise das Grundübel: "Solange es möglich ist, über Preisnachlässe einen Mehrverbrauch zu generieren, ist es schwachsinnig die Menge überhaupt zu begrenzen. Die Kunden lachen sich tot und bestellen einfach im Versandhandel. Wirksame Begrenzung würde nur über eine Wiedereinführung der alten Apothekenfestpreise für alle funktionieren."

DAZ-Leser haben auf DAZ.online wie oben zu sehen abgestimmt (Stand 9. Februar). Die Mehrzahl hält eine Neuregelung für überflüssig.

Leserstimmen auf DAZ.online


"Man kann alles regulieren, aber das Grundübel, nämlich die Sucht bzw. der Schmerz, wird dadurch nicht verbessert. Wer süchtig ist, wird immer Wege finden, sich seine Schmerzmittel zu besorgen, z. B. in verschiedenen Apotheken einkaufen. Besser ist es, die Patienten ernst zu nehmen und sich um eine adäquate, individuelle Behandlung zu kümmern und keine Schema F Behandlung durchzuführen (in die "Leitlinie" muss jeder hineinpassen, Individualität gibt es nicht). Oberstes Ziel sollte es sein, dem Patienten zu helfen und ohne Scheu die ganzen Therapieangebote auszunutzen."

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"Entweder verschreibungspflichtig oder nicht. Es werden dann einfach mehrere Packungen gekauft/verkauft. Gleicher Unsinn wie beim Paracetamol, Elmex, ..."

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"Ich halte eine Neuregelung für überflüssig, weil ich prinzipiell für den mündigen Bürger bin, dem der Staat nicht in allen Belangen in die Entscheidungsprozesse interferiert. Käufer einer Großpackung tun dies auch aus Kosten- und Zeitgründen (etwa für die Hausapotheke). Alternative Abgabewege existieren, ob nun legal oder illegal, dies wird den eigentlich zu verhindernden Missbrauch nicht einschränken. Legal kann zum Beispiel ein Arzt aufgesucht werden, der die Großpackung verschreibt - Mehrkosten für das Gesundheitssystem inklusive. Der Hersteller ist sicherlich am Verkauf mehrerer Kleinpackungen interessiert. Er kann einen höheren Stückwert realisieren. Illegal besteht weiter die Möglichkeit online in den dubiosen Shops dieser Welt auch größere Mengen als 100 Stück ASS 500 zu ordern. Summa summarum: Dies ist schlicht und einfach übertriebener Verbraucherschutz."

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"Solange es möglich ist, über Preisnachlässe einen Mehrverbrauch zu generieren, ist es schwachsinnig die Menge überhaupt zu begrenzen. Die Kunden lachen sich tot und bestellen einfach im Versandhandel. Wirksame Begrenzung würde nur über eine Wiedereinführung der alten Apothekenfestpreise für Alle funktionieren."

Rezeptfreie Schmerzmittel


Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung

Im Auftrag der Bayer AG hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK HealthCare) eine telefonische Umfrage bei 1006 Endverbrauchern, 150 Apothekern und 100 PTA aus öffentlichen Apotheken zu rezeptfreien Schmerzmitteln durchgeführt. Gefragt wurde unter anderem nach dem Anlass, nach dem Beratungsbedarf, nach Einnahmegewohnheiten und nach der Meinung zur Packungsgrößenbegrenzung. Den Ergebnissen ist Folgendes zu entnehmen:

  • Rezeptfreie Schmerzmittel werden überwiegend für den akuten Bedarf gekauft, 28% kaufen diese auch für die Hausapotheke.
  • Etwa 60% der Endverbraucher erwarten eine Beratung, nach Einschätzung der befragten Apotheker sind es gut die Hälfte der Patienten. Nach Meinung der PTA sind es nur 38%, sie scheinen den Beratungsbedarf zu unterschätzen.
  • Mehr als Dreiviertel der Patienten halten sich an die Dosierungsanleitung laut Packungsbeilage.
  • Die Mehrheit sowohl von Endverbrauchern, Apothekern und PTA halten eine Packungsgrößenbeschränkung für nicht sinnvoll.

Das Resümee: Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der Endverbraucher mit dem Kauf und der Verwendung rezeptfreier Schmerzmittel verantwortungsvoll umgeht.

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