Arzneimittel und Therapie

Erythropoietin hilft Frühchen mit Hirnblutung

Das körpereigene Hormon Erythropoietin (EPO) hat als verbotenes Dopingmittel eher einen schlechten Ruf. Das Mittel wird aber auch erfolgreich vorwiegend zur Behandlung verschiedener Formen der Anämie eingesetzt. Ein weiteres positives Ergebnis für den Einsatz von EPO zeigte jetzt eine niedersächsische Langzeitstudie mit Frühgeborenen, die nach einer Hirnblutung mit dem Mittel behandelt wurden. Zehn Jahre später zeigten deutlich mehr Kinder eine normale Entwicklung als solche, die nicht mit dem Medikament behandelt worden waren.
Foto: BVMed, Berlin
Frühgeborene mit einer Hirnblutung entwickeln sich nach einer Bahandlung mit Erythropoietin geistig und körperlich normal
Foto: BVMed, Berlin
 

Das Glykoprotein Erythropoietin (EPO) ist ein körpereigenes Hormon, das die Bildung und Reifung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Mehr als 90% des Erythropoietins werden in den Nieren gebildet, ein kleiner Teil auch in der Leber. Indikationen für eine EPO-Therapie sind vor allem verschiedene Formen der Blutarmut, um die Bildung neuer Erythrozyten zu unterstützen (renale Anämie, Tumoranämie und Anämien als Folge von Chemotherapien). Auch kann eine Behandlung mit dem Hormon offensichtlich Gehirn und Nervengewebe schützen. Durch seine Verwendung als Dopingmittel ist Erythropoietin in den vergangenen Jahren allerdings häufiger in die negativen Schlagzeilen geraten.

Langzeitstudie zeigt erfolgreiche EPO-Therapie

In einer Langzeitstudie konnten niedersächsische Kinderärzte und Psychologen jetzt zeigen, dass extrem kleine Frühgeborene mit Hirnblutung nach einer EPO-Therapie seltener behindert waren als die Kinder ohne Behandlung. Zwischen 1993 bis 1998 wurden zunächst 200 Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1000 Gramm untersucht. Im Rahmen der Studie erhielten einige der Frühgeborenen Erythropoietin, um die Blutbildung zu steigern. Zehn Jahre später wurden sie jetzt als Schulkinder erneut untersucht. 52% der behandelten Frühgeborenen hatten sich trotz Hirnblutung geistig und körperlich normal entwickelt. In der Vergleichsgruppe ohne EPO-Behandlung war dies nur bei 6% der Kinder der Fall. Auch der Intelligenzquotient der zuvor behandelten Kinder lag im Vergleich deutlich höher: Während nur 24% der Vergleichsgruppe einen normalen IQ über 85 zeigten, waren es bei ihnen 62%. Die Fachärzte gehen davon aus, dass die Entwicklung von Frühgeborenen mit einer Hirnblutung nach der EPO-Behandlung der von Kindern ohne Hirnblutung entspricht. Das Hormon "schützt offensichtlich das Gehirn vor den Folgen der Hirnblutung, die mit Nervenzellschädigungen einhergeht", so Achim-Peter Neubauer, Chefarzt der Klinik für Neonatologie am Hildesheimer St. Bernward Krankenhaus.

Eine Steigerung der kognitiven Fähigkeiten ist allerdings für Erythropoietin schon verschiedentlich gezeigt worden, so z. B. für Dialysepatienten nach Beginn der Therapie. Erst kürzlich hatten tierexperimentelle Studien des Göttinger Max-Planck-Instituts für Experimentelle Medizin gezeigt, dass Erythropoietin diese Fähigkeiten auch langfristig verbessert. Die Vorteile einer EPO-Therapie sollten allerdings grundsätzlich kritisch geprüft werden: Eine ebenfalls vor Kurzem vorgelegte Metastudie bestätigte den Verdacht, dass der Einsatz von künstlichen Erythropoietinen, die vor allem in der Krebstherapie begleitend eingesetzt werden, mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist.


Quelle

El-Kordi, A.; et al.: Erythropoietin improves operant conditioning and stability of cognitive performance in mice: BMC Biol. (2009) 7: 37.

Bohlius, J.; et al.: Recombinant human erythropoiesis-stimulating agents and mortality in patients with cancer: a meta-analysis of randomised trials. Lancet (2009) 373(9674): 1532 –1542.


Dr. Hans-Peter Hanssen

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