Arzneimittel und Therapie

Vernakalant zur Behandlung des Vorhofflimmerns

Vernakalant (Brinavess®) ist ein neues Antiarrhythmikum, das zur Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt wird. Es wirkt in erster Linie am Vorhof, verlängert die atriale Refraktärzeit und verzögert die Überleitungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Frequenz.
Vernakalant

Vorhofflimmern ist die häufigste Form von Herzrhythmusstörungen. Derzeit leiden ca. 5,5 Millionen Menschen weltweit unter dieser Erkrankung. Die elektrischen Impulse zur Erzeugung der Herzkontraktion entstehen beim Vorhofflimmern in verschiedenen Stellen der Vorhöfe.

Vernakalant ist indiziert zur raschen Konversion eines kürzlich aufgetretenen Vorhofflimmerns in den Sinusrhythmus bei Patienten ohne vorherigen chirurgischen Eingriff am Herzen bei einer Dauer des Vorhofflimmerns von weniger als sieben Tagen sowie bei Patienten nach einem chirurgischen Eingriff am Herzen von weniger als drei Tagen. Wahrscheinlich verhindern die antifibrillatorischen Effekte von Vernakalant auf Refraktärzeit und Weiterleitung der elektrischen Impulse, die sich am Vorhof während des Vorhofflimmerns potenzieren, das Reentry. Zu diesem Wiedereintritt, und damit zu einer kreisenden Erregung, kann es kommen, wenn die Erregungswelle so verzögert wird, dass sie wieder auf erregbares Gewebe trifft.


Antiarryhthmische Wirkung im Vorhof

Die relative Selektivität von Vernakalant auf die atriale Refraktärzeit beruht vermutlich auf der Blockade von Strömen, die in den Vorhöfen, jedoch nicht in den Ventrikeln vorkommen, sowie auf den besonderen elektrophysiologischen Bedingungen in den Vorhöfen während des Flimmerns. Vernakalant blockiert elektrische Ströme in allen Phasen des atrialen Aktionspotenzials, einschließlich der Kaliumströme, die nur im Vorhof vorkommen, zum Beispiel den Ultra-rapid delayed rectifyer current und den Acetylcholin-abhängigen Kaliumstrom.

Während des Vorhofflimmerns ist die Wirkung des Arzneimittels durch die frequenz- und spannungsabhängige Blockade der Natriumkanäle auf das schnell aktivierende und teilweise depolarisierte Vorhofgewebe fokussiert und nicht auf den normal polarisierten Ventrikel, der mit einer niedrigeren Herzfrequenz schlägt. Außerdem antagonisiert Vernakalant durch die Blockade der späten Phase des Natriumioneneinstroms die Wirkungen auf die ventrikuläre Repolarisation, die durch Hemmung von Kaliumströmen der Ventrikel hervorgerufen werden.

Die auf das Vorhofgewebe gezielt gerichteten Wirkungen, gepaart mit der Blockade der späten Natriumströme, lassen vermuten, dass Vernakalant ein niedriges proarrhythmisches Potenzial besitzt. Insgesamt führt der Einfluss von Vernakalant auf die kardialen Natrium- und Kaliumströme zu einer potenten antiarrhythmischen Wirkung, die hauptsächlich im Vorhof stattfindet.

Keine Wechsel-wirkungen erwartet

Die Höhe der Dosis ist vom Körpergewicht des Patienten abhängig. Die empfohlene Initialdosis beträgt 3 mg/kg als Infusion über zehn Minuten, die maximale Initialdosis wird mit ist 339 mg (84,7 ml der 4-mg/ml-Lösung) angegeben.

Findet innerhalb von 15 Minuten nach Ende der ersten Infusion keine Konversion in den Sinusrhythmus statt, kann eine zweite Infusion mit 2 mg/kg über 10 Minuten mit einer maximalen Dosis von 226 mg (56,5 ml der 4-mg/ml-Lösung) angewendet werden. Die innerhalb von 24 Stunden angewandte Gesamtdosis darf 5 mg/kg nicht überschreiten. Bei Patienten, die nicht auf die Therapie ansprechen, kann eine elektrische Kardioversion in Erwägung gezogen werden.

Vernakalant zeichnet sich durch schnelle Verteilung, nur vorübergehende Exposition und geringe Proteinbindung aus und hemmt weder andere CYP450-Enzyme (CYP3A4, 1A2, 2C9, 2C19 oder 2E1) noch den P-Glycoprotein-vermittelten Digoxintransport. Die mittlere Elimininationshalbwertszeit von Vernakalant betrug bei schnellen CYP2D6-Metabolisierern etwa drei Stunden und bei langsamen CYP2D6-Metabolisierern rund 5,5 Stunden. Insgesamt wird die Gefahr von pharmakokinetischen Wechselwirkungen als relativ gering eingeschätzt.

Da die Erfahrungen aus klinischen Studien zu Patienten mit fortgeschrittener Leberfunktionseinschränkung begrenzt sind, wird die Anwendung von Vernakalant bei diesen Patienten nicht empfohlen.

Nebenwirkung: Dysgeusie, Niesen und Parästhesien

Die Sicherheit von Vernakalant wurde im Rahmen klinischer Studien an 883 Patienten und gesunden Freiwilligen untersucht. Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (> 5%) innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Anwendung waren Dysgeusie (Störung des Geschmacksempfindens, 20%), Niesen (15%) und Parästhesien (10%). Die Ereignisse traten während oder kurz nach der Infusion auf, waren vorübergehend und führten nur selten zu einer Einschränkung der Therapie. In den ersten beiden Stunden nach der Anwendung kann Schwindel auftreten. Bei einer schweren Aortenklappenstenose, einem systolischen Blutdruck von unter 100 mmHg, einem akuten Koronarsyndrom innerhalb der vergangenen 30 Tage darf Vernakalant nicht eingesetzt werden, ebenfalls ist es kontraindiziert bei einer QT-Verlängerung (unkorrigiert > 440 ms) zu Behandlungsbeginn, einer schweren Bradykardie, einer Sinusknotenerkrankung oder einem AV-Block zweiten und dritten Grades (ohne Herzschrittmacher).

Aufgrund der höheren Inzidenz von Hypotonie und ventrikulären Arrhythmien bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz sollte die Anwendung von Vernakalant bei hämodynamisch stabilen Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz der NYHA-Stadien I bis II mit Vorsicht erfolgen. Die Anwendung bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien III oder IV) ist kontraindiziert.

Aufgrund unzureichender Daten kann Vernakalant bei Patienten, bei denen vier bis 24 Stunden vor Anwendung von Vernakalant intravenös Antiarrhythmika (Klasse I und III) angewendet wurden, nicht empfohlen werden. Bei Patienten, die innerhalb von vier Stunden vor der geplanten Anwendung von Vernakalant intravenös Antiarrhythmika (Klasse I und III) erhalten haben, sollte Vernakalant generell nicht angewendet werden.

Bei Patienten unter Therapie mit oralen Antiarrhythmika (Klasse I und III) sollte Vernakalant mit Vorsicht angewendet werden. Bei Patienten unter der Behandlung mit Klasse-I-Antiarrhythmika kann das Risiko für Vorhofflattern erhöht sein. Die Fortführung oder Einleitung einer oralen Erhaltungstherapie mit Antiarrhythmika kann zwei Stunden nach der Infusion von Vernakalant in Betracht gezogen werden. Derzeit wird auch eine orale Darreichungsform von Vernakalant zur Folgetherapie klinisch erprobt.


Quelle: Fachinformation zu Brinavess®, Stand September 2010.


hel

Steckbrief: Vernakalant


Handelsname: Brinavess

Hersteller: MSD Sharp & Dohme, Haar

Einführungsdatum: 1. Dezember 2010

Zusammensetzung: 1 ml Konzentrat enthält 20 mg Vernakalanthydrochlorid, entsprechend 18,1 mg Vernakalant als freie Base. Nach Verdünnung beträgt die Konzentration der Lösung 4 mg/ml Vernakalanthydrochlorid. Sonstige Bestandteile: Citronensäure E 330, Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke, Natriumhydroxid E 524 (zur pH-Wert-Einstellung).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche zu 25 ml Konzentrat, 522,84 Euro, PZN 7396403.

Stoffklasse: Antiarrhythmika. ATC-Code: C01BG11.

Indikation: Zur raschen Konversion eines kürzlich aufgetretenen Vorhofflimmerns in den Sinusrhythmus bei Erwachsenen.

Dosierung: Initialdosis 3 mg/kg als Infusion über zehn Minuten, maximale Initialdosis 339 mg (84,7 ml der 4-mg/ml-Lösung); eine zweite Infusion mit 2 mg/kg über 10 Minuten mit einer maximalen Dosis von 226 mg (56,5 ml der 4-mg/ml-Lösung) ist möglich, die innerhalb von 24 Stunden angewendete Gesamtdosis darf 5 mg/kg nicht überschreiten.

Gegenanzeigen: Schwere Aortenklappenstenose, systolischer Blutdruck <100 mm Hg, Herzinsuffizienz NYHA-Stadium III und IV; QT-Verlängerung (unkorrigiert >440 ms) zu Behandlungsbeginn oder schwere Bradykardie, Sinusknotenerkrankung oder AV-Block zweiten und dritten Grades (ohne Herzschrittmacher); intravenöse Anwendung von Antiarrhythmika zur Rhythmuskontrolle (Klasse I und Klasse III) innerhalb von vier Stunden vor der Anwendung von Vernakalant; akutes Koronarsyndrom innerhalb der vergangenen 30 Tage.

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Dysgeusie; Niesen. Häufig: Parästhesie, Schwindel, Kopfschmerzen, Hypoästhesie; Bradykardie, Vorhofflattern; Hypotonie; Niesen; häufig: Husten, nasale Beschwerden; Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit; Pruritus, Hyperhidrose; Schmerzen an der Infusionsstelle, Parästhesien an der Infusionsstelle, Hitzegefühl, Müdigkeit.

Wechselwirkungen: Vernakalant zeichnet sich durch schnelle Verteilung, vorübergehende Exposition und geringe Proteinbindung aus und hemmt weder andere untersuchte CYP450-Enzyme (CYP3A4, 1A2, 2C9, 2C19 oder 2E1) noch den P-Glycoprotein-vermittelten Digoxintransport. Vernakalant ist ein moderater, kompetitiver CYP2D6-Hemmer; aufgrund der kurzen Halbwertszeit von Vernakalant wird jedoch nicht mit Wechselwirkungen gerechnet.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Patienten sollten während und nach der Anwendung von Vernakalant engmaschig überwacht werden, bis die klinischen Zeichen und EKG-Parameter stabil sind. Entwickelt ein Patient während der Infusion von Vernakalant eine klinisch bedeutsame Bradykardie und/oder Hypotonie oder EKG-Veränderungen, ist die Anwendung zu unterbrechen und der Patient entsprechend medizinisch zu versorgen. Die Anwendung von Vernakalant bei hämodynamisch stabilen Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz der NYHA-Stadien I bis II sollte mit Vorsicht erfolgen. Vernakalant kann bei Patienten, bei denen vier bis 24 Stunden vor Anwendung von Vernakalant intravenös Antiarrhythmika (Klasse I und III) angewendet wurden, nicht empfohlen werden. Bei Patienten, die innerhalb von vier Stunden vor der geplanten Anwendung von Vernakalant intravenös Antiarrhythmika (Klasse I und III) erhalten haben, sollte Vernakalant generell nicht angewendet werden. Bei Patienten mit einer Herzklappenerkrankung kam es unter Vernakalant häufiger zu ventrikulären Arrhythmien. Die Anwendung bei Patienten mit klinisch bedeutsamer Herzklappenstenose, hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie, restriktiver Kardiomyopathie oder konstriktiver Perikarditis wurde noch nicht untersucht und kann in diesen Fällen nicht empfohlen werden.

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