Pick-up und Versandhandel

MVDA-Chef Simons: "Wenn Pick-up abgeschafft wird, schalten wir "Vorteil24" ab."

Die Linda AG hat sich dazu entschlossen, das System "Vorteil24" auszuprobieren. Mitte des Jahres startete die Testphase. Linda ist das Dachmarkenkonzept des Marketing Vereins Deutscher Apotheker e.V. (MVDA e.V.), des Vereins, der hinter Linda steht. DAZ-Chefredakteur Peter Ditzel fragte Wolfgang Simons, Präsident des Marketing Vereins Deutscher Apotheker (MVDA), warum er Sympathien für "Vorteil24" hegt und was er sich davon verspricht.
Wolfgang Simons
Foto: Reimo Schaaf

DAZ: Herr Simons, die Linda-Apothekenkooperation arbeitet mit "Vorteil24" zusammen. Mitte des Jahres startete eine Testphase mit 30 Apotheken, mittlerweile sollen es über 50 sein. Wie ist der Stand der Dinge?

Simons: Wir haben im Augenblick etwas mehr als 40 Apotheken, die bei diesem System aktiv mitmachen.


DAZ: In einer Roadshow haben Sie versucht, den Linda-Apotheken das System schmackhaft zu machen. Linda und "Vorteil24" möchten weitere Teilnehmer gewinnen. Warum sollte Ihrer Meinung nach eine Apotheke am System "Vorteil24" teilnehmen? Was darf sich die teilnehmende Apotheke – kurz gesagt – davon versprechen?

Simons: Bei der Roadshow handelte es sich um unsere jährlich stattfindenden MVDA-Mitgliederveranstaltungen. Diese war am 3. Dezember zu Ende. Die Urheber des Systems "Vorteil24", die beiden Apotheker Dr. Andreas und Dr. Thomas Winterfeld, haben die Roadshow begleitet. Wir wollten wissen, wie MVDA, Linda und das "Vorteil24"-System zusammen kommen können. Auf dieser Tour haben wir den interessierten Mitgliedern die Möglichkeit geboten, das System und den Ablauf des Systems aus erster Hand haarklein erläutert und offene Fragen beantwortet zu bekommen. Wir wollten testen, wie viele wir für dieses System gewinnen könnten. Das Ergebnis: Von Seiten der Apotheker wurde das System überwiegend positiv aufgenommen. Vereinzelt wurde Skepsis sichtbar, aber das ist bei einem solchen neuen System klar. Wir wollen den Apothekern Zeit lassen, darüber nachzudenken.


DAZ: Sind Sie noch in der Testphase?

Simons: Ja, die Testphase läuft noch, etwa bis Januar oder Februar. Die Entscheidung, wie weiter mit dem System umgegangen wird, treffen wir nach abschließender Bewertung der Erkenntnisse aus der Testphase.


DAZ: Wie viele zeigten letztlich großes Interesse, bei "Vorteil24" einzusteigen?

Simons: Etwa 30 bis 40 Prozent zeigten starkes Interesse und haben auch schriftlich ihren Willen zum Mitmachen bekundet. Die Verbreitung und Durchdringung des Systems braucht seine Zeit. Ich habe selbst eine zeitlang dafür gebraucht, das zu verstehen und zu überlegen, wer anderer Meinung sein könnte und wie man damit umgeht. Also, die Roadshow war ein erster Schritt, um das Procedere des Systems mit den Apotheken persönlich zu besprechen.


DAZ: Welche Gründe gibt es denn aus Ihrer Sicht für eine Apotheke, bei "Vorteil24" mitzumachen?

Simons: Der einzige Freund des Apothekers ist der Kunde – es gibt keinen anderen. Und genau für den Kunden bringt dieses System nur Vorteile. Meine Erfahrungen mit unseren Kunden zeigen mir und bestärken mich in der Überzeugung, dass wir hier mit diesem System auf dem richtigen Weg sind. Denn immer wieder stelle ich fest: mehr und mehr Kunden wandern derzeit ab hin zu Versandapotheken, vor allem bei den höherpreisigen Arzneimitteln. Beispiele, die jeder kennt, sind Großpackungen von Umckaloabo, Tebonin intens, die Kunden über das Internet beziehen, z. T. 30 Prozent und mehr günstiger übers Netz. Ein anderes Beispiel: Kunden verhandeln mit dem Apotheker über einen Erlass der Zuzahlung, weil ausländische Versandapotheken dies anbieten.

Als MVDA und Linda beobachten wir sehr genau die Entwicklung des Versandhandels. Anfangs war die Rede davon, dass nur 5 bis 6% des Umsatzes über den Versandhandel laufen werden. Heute sind wir bei einigen Indikationen bereits im zweistelligen Bereich angelangt – und dies, obwohl an jeder Ecke eine Apotheke zu finden ist.

Ein weiterer Grund: In Deutschland darf auf Rx-Arzneimittel kein Nachlass gegeben werden. Wir haben bei unseren Mitgliedern durchgesetzt, dass bei Rx keine Payback-Punkte gegeben werden dürfen. Doch auf einmal brechen innerhalb Deutschlands andere Zeiten an, da werden von einigen Anbietern Vorteile bei Rx-Rezepten eingeräumt …

Meine Leitsatz dazu: Wenn dies alles abgeschafft wird und gesetzlich verboten wird, wird in allen Apotheken, in denen das System "Vorteil24" läuft, dies sofort eingestellt. Dazu stehe ich, auch die Apotheker Winterfeld. Denn dann sind wir, die inhabergeführten Apotheker, die Sieger.


DAZ: Zurück zum Hier und Heute: Kritisch betrachtet kann man davon ausgehen, dass eine am System "Vorteil24" teilnehmende Apotheke als Pick-up-Stelle fungiert. Wie stellt sich das für Sie dar? Welche Rolle spielt die Apotheke hier?

Simons: Für mich ist es klar: Eine Pick-up-Stelle ist es nicht, denn eine Pick-up-Stelle hat nichts mit einer Apotheke zu tun. Für mich ist dies "Vorteil24". Es geht einfach darum, dass der Patient Vorteile hat. Es ist eine Dienstleistung am Kunden, um ihn zu behalten und nicht an den Versandhandel zu verlieren.


DAZ: Und der formale Umweg über das Konstrukt mit dem zwischengeschalteten Dienstleistungsunternehmen Sequalog ist der Versuch, dieses Systems gerichtsfest zu machen? Bei "Vorteil24" lässt bekanntlich der Kunde seine Arzneimittel in den Niederlanden abholen und in die Apotheke liefern.

Simons: Ich bin kein Jurist, aber ich nehme an, dass dies dazu dient. Möglicherweise gibt es hier noch Klärungsbedarf. Allerdings besteht das System seit drei Jahren am Markt und wurde auch bereits überprüft und für legitim erachtet.


DAZ: Bleiben wir bei juristischen Fragen: Die eigentliche Belieferung des Rezeptes erfolgt de facto in der niederländischen Montanus-Apotheke B.V., obwohl dort das Rezept physisch nicht vorliegt. In der deutschen "Vorteil24"-Linda-Apotheke erfolgt die Aushändigung. Haben wir es hier nicht mit einer Arbeitsteilung zu tun, die so im deutschen Apothekenrecht nicht vorgesehen ist?

Simons: Grundsätzlich sind bei dem System "Vorteil24" die Arzneimittel so, wie sie von der Montanus-Apotheke geliefert werden, abzugeben. Das bedeutet: Der Apotheker darf die Tüte mit den für den Patienten angelieferten Arzneimitteln nicht öffnen. Aber: Wenn der Patient seine Liefertüte öffnet und mich dann zu den Arzneimitteln befragt, dann werde ich ihn natürlich beraten. Wie gesagt: Im eigentlichen Vorgang des Aushändigens darf ich keine Beratung vornehmen, das werde ich auch nicht tun; nur wenn der Kunde es aktiv nach der Aushändigung einfordert.

Uns geht es nicht darum, in der Öffentlichkeit für dieses System zu werben. Außerdem sind nicht alle Patienten versandhandelsaffin.


DAZ: Und wirft man einen Blick auf das, was für den Apotheker dabei übrig bleibt, stellt man fest: Im unteren Preissegment lohnt es sich für den Apotheker nicht, Kunden darauf anzusprechen …

Simons: So ist es. Lukrativ wird es für den Apotheker sowieso erst bei hochpreisigen Arzneimitteln – so wie auch im klassischen Apothekengeschäft. Vor diesem Hintergrund wird "Vorteil24" sich auch nie zu einem Massengeschäft entwickeln. Es geht darum, dem Kunden in der Apotheke Vorteile zugänglich zu machen, die er sonst nur im Internet erhält.


DAZ: Bleiben wir bei diesem Thema: Der teilnehmende Apotheker erhält eine Provision für seine Tätigkeit von einem Dritten, der Sequalog im niederländischen Nijmegen. Provisionen sind aber im Apothekenrecht für die apothekerliche Tätigkeit nicht vorgesehen. Wie gehen Sie damit um?

Simons: Das Wort Provision ist hier nicht zutreffend. Es ist eine Art Anerkennung für seine Tätigkeit. Das System ist sicher nicht dazu geeignet, die deutsche Apotheke zu retten.


DAZ: Sprechen wir noch die politische Frage an: Gesundheits- und Berufspolitik habe sich deutlich gegen Pick-up-Stellen gewandt. Unterläuft nicht das Modell "Vorteil24" alle Bemühungen von Berufs- und Gesundheitspolitik, Pick-up zu verbieten?

Simons: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was die Politik will. Ständig hört man neue Aussagen, leere Versprechungen. Bis heute ist kein Pick-up-Verbot erfolgt – siehe AMNOG. Es gibt keine begründete Hoffnung, dass der Gesetzgeber es dennoch in Kürze verbieten wird. Mein Credo: Was mit Arzneimitteln zu tun hat, gehört in die Apotheke! Und nicht in eine wildfremde Pick-up-Stelle. Was sich hier um die Apotheken herum tut, ist gar nicht mehr aufzuhalten. Eigentlich sollte es die Berufsvertretung allen Apothekern empfehlen, damit wir uns gegen diese Auswüchse wehren können.


DAZ: Herr Simons, vielen Dank für das Gespräch.

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