Arzneimittel und Therapie

Mit Sauerstoff gegen den Schmerz

Cluster-Kopfschmerz ist ein quälendes primäres Kopfschmerz-Syndrom, das durch extrem starke periodisch wiederkehrende Schmerzattacken geprägt ist. Aktuell sind die Serotonin-Antagonisten Sumatriptan und Zolmitriptan für die Behandlung akuter Cluster-Schmerzattacken zugelassen. Es gibt schon seit Langem Hinweise darauf, dass die Inhalation von hochkonzentriertem medizinischem Sauerstoff die Schmerzattacken effektiv bekämpft. Eine Studie bestätigte jetzt diese Hinweise und leistet so einen Beitrag zur Etablierung einer wirksamen und nebenwirkungsarmen Alternative zur Triptan-Therapie.

Cluster-Kopfschmerz Als Mittel der ersten Wahl gilt nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der internationalen Literatur zur Coupierung der Cluster-Attacke die Inhalation von Sauerstoff über Maske für die Dauer von 15 Minuten in sitzender vorne übergebeugter Haltung. Die Verabreichung von Sauerstoff ist bei 70% der Patienten wirksam. Alternative medikamentöse Therapie ist die Verabreichung von 6 mg Sumatriptan s.c., was jedoch die unter Umständen nebenwirkungsreichere Alternative darstellt.

Foto: DAK

Die Akutbehandlung von Cluster-Kopfschmerzen verfolgt das Ziel bestehende Schmerzanfälle möglichst zeitnah abzubrechen. Sie erfordert daher Wirkstoffe mit guter Bioverfügbarkeit und schnellem Wirkeintritt. Als Mittel der Wahl zur Akutbehandlung von Cluster-Kopfschmerzen gelten derzeit die subkutane oder nasale Gabe von Sumatriptan bzw. die nasale oder orale Verabreichung von Zolmitriptan. Die Wirkung von subkutan injiziertem Sumatriptan setzt bereits nach 15 Minuten ein, nach nasaler Triptan-Applikation vergehen etwa 30 Minuten bis zum Wirkeintritt. Nachteile der Triptan-Therapie sind die substanzklassenspezifischen Einschränkungen bei täglichem Gebrauch. So ist etwa die Verabreichung von Sumatriptan auf zwei subkutane Injektionen respektive drei nasale Sprühstöße pro Tag beschränkt, um Tachyphylaxie und Reboundphänomene zu verhindern. Bei Patienten mit vaskulären Risiken, wie etwa ischämischer Herzkrankheit, sind Triptane kontraindiziert.

Weniger Therapierestriktionen bei Sauerstoff

Eine weitere, seit Längerem diskutierte, Therapieoption zur Behandlung akuter Cluster-Kopfschmerzattacken ist die Inhalation von hochdosiertem Sauerstoff. Der große Vorteil besteht darin, dass Sauerstoff in dieser Indikation keine relevanten Nebenwirkungen besitzt, problemlos mit anderen Therapieoptionen kombiniert und mehrmals täglich angewandt werden kann. In einer früheren kontrollierten Studie an 15 Probanden konnte eine 15-minütige Inhalation von reinem Sauerstoff die unangenehmen Schmerzattacken zuverlässig beenden. Obwohl die Sauerstofftherapie auch in verschiedene Therapie-Leitlinien zur Cluster-Kopfschmerzbehandlung aufgenommen wurde, fand sie aufgrund fehlender neuerer klinischer Daten bislang nicht die Verbreitung, die aus Expertensicht wünschenswert erscheint. Um die teilweise über 25 Jahre alten Beobachtungen mit aktuellen hochwertigen klinischen Daten zu unterfüttern, untersuchte eine anglo-amerikanische Forschergruppe den Nutzen der Sauerstofftherapie bei akuten Cluster-Kopfschmerzen nun gemäß den aktuellen Standards der klinischen Forschung in einer randomisierten, doppelblinden Cross-over-Studie.

Signifikant höhere Responderrate

Die Wissenschaftler untersuchten 109 Erwachsene im Alter 18 bis 70 Jahren, die an episodischem oder chronischem Cluster-Kopfschmerz nach Definition der International Headache Society litten. Nach einem randomisierten Schema wurden pro Proband vier Kopfschmerzepisoden bei Beginn des Schmerzanfalls abwechselnd mit einer 15-minütigen Sauerstoffinhalation (Flussrate: 12 l/min) oder einer Inhalation von normaler Luft als Placebo behandelt. Primärer Endpunkt waren Schmerzfreiheit bzw. zumindest angemessene Schmerzreduktion nach 15 Minuten. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem der Schmerzzustand der Probanden nach 30 und 60 Minuten, die Notwendigkeit der Gabe einer Notfallmedikation, die Gesamt-Ansprechrate auf die Behandlung und positive Auswirkungen auf die Begleitsymptome. Insgesamt standen den Forschern 298 Schmerzattacken zur Auswertung zur Verfügung. Während die Responderrate unter High-Flow-Sauerstofftherapie 78% betrug, lag sie nach Luft (= Placebo)-Inhalation lediglich bei 20%. Der Unterschied war signifikant (p < 0,001). Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte war die Verumbehandlung dem Placebo in allen Bereichen deutlich überlegen. Wirkstoffspezifische Nebenwirkungen traten nicht auf. Wenngleich ein Wirksamkeitsvergleich mit den Triptanen bislang noch aussteht, könnte die vorliegende Studie der Sauerstofftherapie aufgrund des hervorragenden Nebenwirkungsprofils und den damit einhergehenden geringeren Einschränkungen im therapeutischen Alltag, endgültig den Weg für die breite Anwendung bahnen.

Quelle 

 

Cohen A.S., et al.: High-Flow Oxygen for Treatment of Cluster Headache. JAMA (2009) 302, 2451 – 2457.

 


Apotheker Dr. Andreas Ziegler

Stichwort: Cluster-Kopfschmerz


Cluster-Kopfschmerz ist ein primäres Kopfschmerz-Syndrom, das durch Attacken von extrem starken, einseitigen Schmerzen in der Augen- und Schläfenregion charakterisiert ist, hinzu kommen mögliche Begleitsymptome wie Bindehautentzündung, Tränenfluss, verstopfte Nase, Schnupfen, ein hängendes Augenlid oder Lidödeme. Während der Schmerzattacken sind Patienten oft unruhig und agitiert. Unbehandelt dauern Cluster-Kopfschmerzattacken üblicherweise 15 bis 180 Minuten und treten mit einer Frequenz von einmal jeden zweiten Tag bis achtmal täglich auf. Die Bezeichnung Cluster bezieht sich auf die Eigenart dieser Kopfschmerzform, in periodisch wiederkehrenden Schüben aufzutreten, zwischen denen monate- bis jahrelange beschwerdefreie Intervalle liegen können. Man unterscheidet den episodischen Cluster-Kopfschmerz mit Remissionsphasen von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren und den chronischen Cluster-Kopfschmerz (CCH) mit Remissionsphasen von höchstens einem Monat. Etwa 80% der Betroffenen leiden an der episodisch auftretenden Cluster-Kopfschmerz-Variante. Schätzungen zufolge leiden etwa 0,3% der Gesamtbevölkerung an Cluster-Kopfschmerzen, wobei Männer stärker betroffen sind als Frauen.

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