Arzneimittel und Therapie

Sauerstoffgehalt bestimmt Verlauf von Chlamydieninfektion

Chlamydieninfektionen sind mit Antibiotika im Allgemeinen gut therapierbar, Resistenzen sind nicht bekannt. Dennoch ist eine Behandlung in zahlreichen Fällen schwierig. Auch ist es verwunderlich, dass sich die Erreger über einen langen Zeitraum in Schleimhäuten einnisten können, ohne vom Immunsystem erfasst und eliminiert zu werden. Wissenschaftler aus Lübeck und Ulm konnten jetzt zeigen, welche Einflüsse der Sauerstoffgehalt in den betroffenen Geweben auf den Verlauf einer Chlamydieninfektion hat [1].
Chlamydien nisten sich bevorzugt in einer sauerstoffarmen Umgebung des Urogenitalsystems ein. Im Inneren ihrer Wirtszellen bilden sie Einschlusskörperchen (hier braun), in denen sie sich teilen und zu Hunderten ansammeln.
Foto: CDC/Dr. E. Arum; Dr. N. Jacobs

Infektionen mit Chlamydia trachomatis zählen heute weltweit zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten. Je nach Altersgruppe können bis zu 10% der Bevölkerung infiziert sein, wobei viele Infektionen asymptomatisch verlaufen. Die gramnegativen Bakterien besiedeln Schleimhäute im Augen-, Atemwegs- und Genitalbereich. C. trachomatis kommt in verschiedenen Formen vor, die sich durch ihre Oberflächenstruktur unterscheiden. Diese Serotypen wiederum lassen sich in Gruppen einordnen, die unterschiedliche Erkrankungen verursachen. Die Serotypen A bis C sind Erreger des Trachoms, einer Bindehautentzündung, die in tropischen und subtropischen Ländern vielfach zur Erblindung führt. Infektionen des Urogenitalsystems werden ausschließlich durch die Serotypen D bis L2 hervorgerufen.

Chlamydien bevorzugen sauerstoffarme Umgebung

Wissenschaftler aus Lübeck, Ulm und Düsseldorf haben jetzt Ergebnisse vorgelegt, wonach die natürliche Immunantwort des Menschen gegen Chlamydien nur dann funktioniert, wenn auch genügend Sauerstoff in den Schleimhäuten vorhanden ist [1]. Die Sauerstoffkonzentrationen im Urogenitaltrakt sind unter physiologischen Bedingungen gering (O2 < 5%) und sinken bei entzündlichen Prozessen nochmals. Als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen bestimmten die Forscher die IFN-γ-Konzentrationen in Primärzellen aus menschlichen Eileitern und ex vivo in einem speziellen Eileiter-Modellsystem (HFTM) bei Sauerstoffmangel. Dem Glykoprotein INF-γ kommt eine wesentliche Funktion bei der Immunantwort auf intrazelluläre Pathogene zu. Erstaunlicherweise waren selbst hohe IFN-γ-Konzentrationen (200 Einheiten/ml) nicht in der Lage, das Wachstum von C. trachomatis bei Hypoxie zu begrenzen. Noch bemerkenswerter war, dass dieser Befund nur auf Isolate der urogenitalen Serotypen D und L2 zutraf und nicht auf den Serotyp A, der zu Infektionen des Auges führt. Auch die Aktivität von Faktoren, die mit der über INF-γ vermittelten Immunantwort verknüpft sind, war bei einem Sauerstoffmangel vermindert.

"Chlamydien können somit nur erfolgreich bekämpft werden, wenn in den befallenen Schleimhäuten genügend Sauerstoff vorhanden ist. Sie suchen sich offensichtlich bevorzugt eine sauerstoffarme Umgebung aus, in der sie sich einnisten und vermehren. Da der Sauerstoffgehalt im Eileiter der Frau, wie auch an anderen Stellen im menschlichen Körper, Schwankungen unterworfen ist, hängt es also von der jeweiligen momentanen Konstitution und Verfassung ab, ob die Chlamydien eine Chance zum Überleben haben, oder nicht. Treffen die Bakterien auf eine sauerstoffarme Umgebung, wachsen sie. Dieses Wachstum wird im Körper als Entzündung wahrgenommen. Es hat zur Folge, dass der Körper Botenstoffe zur Entzündungsbekämpfung schickt, die dann "vor Ort" wiederum Sauerstoff verbrauchen und damit die Bedingungen für weiteres Chlamydien-Wachstum begünstigen. Und dies führt dann häufig zu langfristigen Entzündungen", so Prof. Dr. Jan Rupp vom "Exzellenzcluster Entzündungsforschung" der Universität Lübeck [2].


Quelle

[1] Roth, A.; et al.: Hypoxia abrogates antichlamydial properties of IFN-γ in human fallopian tube cells in vitro and ex vivo. PNAS 2010;107(45): 19502 – 19507.

[2] Excellenzcluster Entzündungsforschung: Großer Fortschritt in der Chlamydien-Forschung: Wissenschaftler erkennen bislang unbekannte Besonderheiten dieser Bakterien-Art. Pressemitteilung Kiel/Lübeck, 1. Dezember 2010.


Dr. Hans-Peter Hanssen

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