DAZ aktuell

Keine Integrierte Versorgung ohne pharmazeutischen Sachverstand

Die Versorgung mit Arzneimitteln, so sieht es der Gesetzgeber, kann ein wesentlicher Bestandteil innovativer, Integrierter Versorgungskonzepte sein. Ab 2011 wird es den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Integrierten Versorgung möglich sein, direkte Vertragsabschlüsse mit pharmazeutischen Unternehmen zu ermöglichen. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) fordert, dass der pharmazeutische Sachverstand unabhängiger Apotheker Bestandteil der Integrierten Versorgungsmodelle sein muss. Ansonsten werden Patienten spürbare Einbußen bei der Qualität der Versorgung erleiden.

Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das Anfang 2011 in Kraft tritt, soll die Integrierte Versorgung von chronisch Kranken gefördert werden, nicht zuletzt, um Sparpotenziale, z. B. durch Mehrfachuntersuchungen beim Arzt, auszuschöpfen. Versorgungszentren können in der Tat für Patienten von Vorteil sein, da unter einem Dach alle benötigten Leistungen angeboten werden. Was ab 2011 neu sein wird: pharmazeutische Unternehmen werden in der Integrierten Versorgung direkte Verträge mit den Krankenkassen schließen können und damit eine zentrale Rolle in der Integrierten Versorgung spielen.

Erste Projekte zur Integrierten Versorgung, bei denen die pharmazeutische Industrie bereits mittelbar beteiligt ist, geben Anlass zur Besorgnis. Vor Kurzem etwa hat die AOK Niedersachsen mit dem "Institut für Innovation und Integration im Gesundheitswesen" (I3G-GmbH), einer 100-prozentigen Tochter der Janssen-Cilag-GmbH, einen Vertrag zur Versorgung von Schizophrenie-Patienten abgeschlossen. Durch die eingeschränkte Arzneimittelauswahl wird das Prinzip der unabhängigen Arzneimittelauswahl durch den Arzt und der pharmazeutischen Kompetenz durch den Apotheker systematisch untergraben. Apotheker und Ärzte als Angestellte eines Pharmaunternehmens können diese Lücke nicht ausfüllen, denn sie sind durch den wirtschaftlichen Druck ihres Unternehmens in ihren Entscheidungen gebunden.

Um weiterhin in Deutschland die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung sicherzustellen, lehnt die DPhG entschieden ab, dass pharmazeutische Unternehmen in der Integrierten Versorgung eine so zentrale Rolle spielen dürfen. Zwar kann die Integrierte Versorgung sinnvolle Anreize bieten, eine qualitativ hochwertige Versorgung auch unter wirtschaftlichen Aspekten zu gewährleisten. Aber dies wird nur gelingen, wenn Arzt und Apotheker unabhängig und in eigener Verantwortung das jeweils beste Arzneimittel für jeden Patienten nach pharmakotherapeutischen und wirtschaftlichen Kriterien auswählen können. Pharmazeutische Unternehmer als Verantwortliche in der Integrierten Versorgung werden zu einer Einschränkung der Arzneimittelauswahl und damit zu einer Verschlechterung in der Versorgung chronisch Kranker führen. Die Einbeziehung des unabhängigen pharmazeutischen Sachverstands wird dagegen auf lange Sicht eine qualitativ hohe und auch bezahlbare Versorgung von kranken Menschen gewährleisten. Dazu gibt es keine sinnvolle Alternative.


Apl. Professor Dr. Georg Hempel, Universität Münster

Dr. Anke Ritter, Vizepräsidentin der DPhG

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, DPhG-Präsident

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