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Im Schlepptau des AMNOG

Peter Ditzel

Man kann und will es nicht mehr hören und lesen, aber es wird uns weiterhin beschäftigen: AMNOG, das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz. Für uns Apothekerinnen und Apotheker ist es schon jetzt das Unwort des Jahres.

Und für Ärzte? Laut MLP-Gesundheitsreport, der auf einer repräsentativen Allensbach-Umfrage unter Ärzten und in der Gesamtbevölkerung beruht, ist der Anteil der Ärzte, die ihre wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut bewerten, in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um zehn auf 83 Prozent gestiegen. "Wohlstand bei Ärzten wächst", titelt die Ärzte Zeitung. Unseren Heilberufskolleginnen und -kollegen sei’s gegönnt. Wir Apothekerinnen und Apotheker können von wachsendem Wohlstand nur träumen. Unsere Honorierung ist seit 2004 unverändert bei 8,10 Euro eingefroren. Es gehen im nächsten Jahr sogar 30 Cent mehr an Rabatt an die Kassen weg als 2010 und 5 Cent mehr als 2004.

Damit nicht genug. Die schlechteren Konditionen des Großhandels kündigen sich schon an, Rabattkürzungen werden kommen. Die Rede ist außerdem von Tourenstreichungen, höheren Lieferpauschalen und vorverlegten Zahlungszielen – weitere Einkommensverluste sind vorprogrammiert.

Dann "erfreut" es uns besonders, wenn Krankenkassen glauben, ihren Versicherten mitteilen zu müssen, dass auch die Apotheker mit mehr Geld rechnen könnten. So gelesen im neuesten Mitteilungsblatt "Bleibgesund" der AOK Bayern. Dort schreibt deren Vorstandsvorsitzender Helmut Platzer: "Um die Sparlasten im Gesundheitswesen zu schultern, will man den Krankenkassen nun eine zweijährige Nullrunde verordnen. Demgegenüber können Leistungserbringer im Gesundheitswesen, beispielsweise Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker, nach wie vor auf politische Zusagen für wachsende Honorare bauen." Sieht so Partnerschaft aus? Warum verbreitet der bayerische AOK-Chef die Aussage, Apotheker könnten auf wachsende Honorare bauen?

Nicht nur der steigende Kassenrabatt und eine neue Großhandelsmarge werden die Apotheken bald stärker belasten. Deutliche Auswirkungen auf die Apotheken dürften auch die geplanten Änderungen der Packungsgrößenverordnung haben, die mit dem AMNOG kommen werden (siehe hierzu unseren Beitrag in dieser Ausgabe, Seite 76). Ab Januar werden bei den bisherigen N1-, N2- und N3-Messzahlen definierte Abweichungen möglich sein. Für die Praxis heißt dies, dass Packungen wirkstoffgleicher Arzneimittel mit derselben N-Kennzeichnung gegeneinander ausgetauscht werden können, sofern auch nur ein Indikationsgebiet übereinstimmt. Zahlreiche Fertigarzneimittel werden aber auch ihre N-Kennzeichnung verlieren.

Ab Mitte 2013 werden wir mit einer Reichdauerorientierten Packungsgrößenverordnung leben müssen. Das bedeutet, dass die N-Zahlen die Arzneimittelmenge für eine Therapiedauer von 10, 30 und 100 Tagen bezeichnen mit definierten möglichen Abweichungen. Mit der Umstellung der N-Zahlen und der Packungsgrößen werden auch neue PZN-Kennzeichen vergeben. Es wird Abverkaufsfristen für die alten Packungen geben.

Experten gehen davon aus, dass die Orientierung der neuen N-Messzahlen in bestimmten Fällen zu größeren Packungen führen könnte. Im Klartext: weniger Packungen, weniger Honorar, der Patient kommt seltener in die Apotheke.

Eine neue Packungsgrößenverordnung bedeutet aber auch eine Neuberechnung der Festbeträge. Und: neue PZN-Kennzeichen bedeuten wiederum eine Änderung aller Rabattverträge, da diese Verträge auf den PZN-Kennzeichen beruhen. Letztlich bedeuten auch diese Veränderungen für die Apotheken weitere Belastungen, auch finanzieller Natur.

Eine weitere Folge des AMNOG: Ab 2011 wird es den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Integrierten Versorgung möglich sein, direkte Verträge mit pharmazeutischen Unternehmen abzuschließen. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) warnt in ihrem aktuellen Statement davor, die Integrierte Versorgung ohne pharmazeutischen Sachverstand einzuführen (siehe hier das Statement auf Seite 37). Pharmazeutische Unternehmen sollen in der Integrierten Versorgung keine so zentrale Rolle spielen dürfen.

Fazit: Die Auswirkungen des AMNOG werden wohl noch weit größer ausfallen als zunächst angenommen. Vor einigen Wochen sprach die ABDA-Kampagne von einem Raubbau an Apotheken: Der Nacht- und Notdienst sei gefährdet und die flächendeckende Versorgung, hieß es in der Kampagne. Das AMNOG steht vor der Tür – werden die Kammern im nächsten Jahr den Nacht und Notdienst ausdünnen? Werden die Apotheken Serviceleistungen einstellen? Wird der Bürger spüren, dass das AMNOG den Apotheken zu schaffen macht?


Peter Ditzel

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