Arzneimittel und Therapie

Veränderte Hämagglutinin-Proteine ermöglichen Influenzaviren den Angriff an bewimperten Zellen

Der Austausch eines einzigen Proteinbausteins genügt, damit das Influenzavirus H1N1 neue Zielzellen befällt und Atemwegsbeschwerden auslösen kann. Das haben Wissenschaftler aus Marburg und London herausgefunden. Die mutierten Viren infizieren bevorzugt bewimperte Zellen in Lunge und Bronchien.
Die besonders gefährliche Variante D222G des Influenzavirus (rot gefärbt) befällt Zellen mit Flimmerhärchen (dunkelgrau).
Foto: Philipps-Universität Marburg / AG Matrosovich

Auch wenn die meisten Krankheitsfälle im vergangenen Jahr mild verliefen, verursachte das Influenzavirus (H1N1) auch schwere Krankheitsverläufen und Todesfälle. Insgesamt wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts bis zur 15. Kalenderwoche 2010 253 Todesfälle in Zusammenhang mit der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 übermittelt. Die höchste Mortalität hatten Säuglinge und Erwachsene im Alter von 35 bis 59 Jahren. Todesfälle bei der saisonalen Influenza betreffen dagegen zu über 90% Menschen über 60 Jahre. Um den Grund für die Krankheitsverläufe mit schweren Lungenentzündungen bei der "Neuen Grippe" zu ermitteln, wurden Virusvarianten untersucht, bei denen ein Bestandteil des Oberflächenproteins Hämagglutinin ausgetauscht ist. Hämagglutinin ist das Virusprotein, das an Rezeptoren auf der Wirtszelle bindet; außerdem ist es daran beteiligt, dass Virushülle und Zellmembran miteinander verschmelzen, wodurch das Virusgenom ins Zellinnere gelangen kann. Viren können nur diejenigen Zellen infizieren, deren Rezeptoren zu den jeweiligen Hämagglutinin-Proteinen passen. Diese Rezeptorvarianten verteilen sich sehr ungleich auf den Geweben. Die Wissenschaftler vom Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg untersuchten Varianten des Grippeerregers, deren Hämagglutinin-Proteine an der Position D222G mutiert sind. Das mutierte Virus infiziert in stärkerem Maße Zellen, die mit Flimmerhärchen oder Wimpern ausgestattet sind. Solche Zellen verfügen vorwiegend über eine bestimmte Rezeptorvariante und kleiden unter anderem Lungen und Bronchien aus. Wenn die bewimperten Zellen der Atemwege befallen sind, ist der Organismus nicht mehr in der Lage, Schleim aus der Lunge zu transportieren und auf diese Weise Keime zu entfernen.

Quelle Liu, Y.; et al.: Altered receptor specificity and cell tropism of D222G haemagglutinin mutants from fatal cases of pandemic A (H1N1) 2009 influenza. J. Virol. 84 (2010), 12069-12074, doi: 10.1128/JVI.01639-10

 

"Neue Grippe": Wirtswechsel mit fatalen Folgen. Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg vom 19. November 2010. 

 


 

ck

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