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Aber bitte ohne Kopftuch!?

Wie sieht es eigentlich in den Apotheken mit der Offenheit gegenüber muslimischen Bewerberinnen aus? Diese Frage stellte sich ein ADEXA-Mitglied, als sie bei ihrer Arbeitssuche vom potenziellen neuen Arbeitgeber die Antwort bekam: "Eigentlich würde ich Sie gerne einstellen. Aber nur ohne Kopftuch …"

Die junge Frau war verständlicherweise verunsichert und wandte sich mit dem Problem an die ADEXA-Rechtsabteilung, die bislang nicht mit diesem Rechtsproblem konfrontiert worden war. Es schien, dass die Zusammenarbeit in der Apotheke in dieser Frage reibungslos klappt. Gerade in Großstädten kommt das Tragen eines Kopftuchs oft bei den Kunden gut an und zeigt die Offenheit des Teams nach außen.

Wie sieht nun die rechtliche Situation aus? Wichtigste Rechtsgrundlage für Ansprüche, die man aus einer ungerechtfertigten Diskriminierung herleiten könnte, ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Besonders geschützt sind dabei Arbeitnehmer, aber ausdrücklich auch Bewerber (§ 6 AGG).

Verboten sind nach dem AGG die mittelbare und die unmittelbare Diskriminierung – auch bei der Stellenausschreibung. So könnte eine mittelbare Benachteiligung wegen der Herkunft darin liegen, dass zum Beispiel für eine Reinigungskraft perfekte Deutschkenntnisse in der Stellenausschreibung erwartet werden. Ebenso ist es für Arbeitgeber heikel, ausdrücklich "junge" Bewerber zu suchen. Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fernsehsender zur Zahlung eines Schadensersatzes verurteilt, weil er in einer Stellenanzeige "eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen" gesucht hatte [1].

Auch die Religionsfreiheit ist ausdrücklich durch das AGG geschützt. In seinem "Kopftuch-Urteil" vom 24. September 2003 [2] hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Tragen eines Kopftuchs durch die Glaubensfreiheit geschützt ist, wenn dies für die Trägerin als verbindliche Regel ihrer Religion aufgefasst wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es auch andere Auslegungen der religiösen Regeln gibt. Insbesondere ist die umstrittene Frage, ob und inwieweit eine Verschleierung durch den Islam vorgeschrieben ist, nicht maßgeblich. Es kann zwar nicht jedes subjektive Verhalten mit der Religionsfreiheit begründet werden, doch wenn es dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft entspricht, ist dies grundsätzlich geschützt.

Nach diesen Grundsätzen würde ein Arbeitgeber eine Bewerberin, die er wegen des Kopftuches abweist, gemäß § 7 Abs. 1 AGG unangemessen benachteiligen und sich damit unter Umständen schadensersatzpflichtig machen. Vor der Einführung des AGG gab es eine Rechtsprechung, wonach das Tragen eines Kopftuchs im Verkauf einen Grund für eine personenbedingte Kündigung darstellen könnte – jedenfalls dann, wenn wegen des Kopftuchs nachgewiesenermaßen erhebliche Umsatzeinbußen entstanden wären.

Seit Inkrafttreten des AGG gibt es nur noch ganz eingeschränkte Möglichkeiten, Mitarbeiter wegen ihrer Religion anders zu behandeln. Zum einen könnte dies gemäß § 8 AGG wegen besonderer beruflicher Anforderungen der Fall sein. Dann müsste der "kopftuchfreie" Kopf wegen der Art der Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Eine Rechtsprechung gibt es – soweit ersichtlich – zu dieser Frage seit Inkrafttreten des AGG noch nicht. Aus der Kommentierung zu diesem Gesetz ergibt sich allerdings, dass ein Trendfriseur unter Umständen berechtigt wäre, nur junge Friseure einzustellen. Ein Arbeitgeber wäre nicht verpflichtet, erhebliche Umsatzeinbußen hinzunehmen, weil sein Mitarbeiter nicht zur gleichen Gruppe wie seine Kunden gehört.

Es ist zum einen höchst fraglich, ob sich diese Gedanken auch auf die Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgruppe übertragen lassen. In jedem Fall wäre Voraussetzung, dass der Arbeitgeber nicht nur einen Umsatzrückgang vermutet, sondern dass er diesen beweisen kann. Wenn also in einem sehr ländlichen, streng katholischen Gebiet die Kunden wegen einer muslimischen Mitarbeiterin die Apotheke nachweislich boykottieren und dadurch erhebliche Umsatzeinbußen entstehen, könnte eine personenbedingte Kündigung unter Umständen gerechtfertigt sein – wenn auch mit einem schalen Beigeschmack.

In unserem Fall des Bewerbungsgesprächs gilt dies allerdings nicht: Hier ist es reine Vermutung des Arbeitgebers, dass seine Kunden Berührungsängste haben. Auch die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion gemäß § 9 AGG könnte allenfalls in Krankenhausapotheken, etwa in katholischen Krankenhäusern, eine Rolle spielen.

Einen Anspruch auf Einstellung gibt es nach dem Gesetz ausdrücklich nicht. Allerdings wäre eine personenbedingte Kündigung wegen des Kopftuchs in den allermeisten Fällen unwirksam.

Vor diesem Hintergrund würde ein Arbeitgeber, der eine Bewerberin wegen ihres Kopftuchs nicht einstellt oder ihr wegen ihres Kopftuchs kündigt, sich tatsächlich schadensersatzpflichtig machen.

Bitte mehr Offenheit

 

ADEXA wünscht sich deshalb von den Apothekenleitern mehr Offenheit. Dies gilt natürlich auch für die Kunden. Toleranz kann gefördert werden, wenn dem Kunden in einem so angesehenen Bereich wie der öffentlichen Apotheke eine von Team und Leitung mit Wertschätzung behandelte Muslimin gegenübersteht.

Quellen
 [1] BAG, 19. 8. 2010, 8 AZR 530/09. [2] BVG, 24. 9. 2003, 2 BvR 1436/02. 

 


 

Rechtsanwältin Minou Hansen, ADEXA

Internet


Ungekürzter Beitrag in www.adexa-online.de

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