Aus Kammern und Verbänden

"Süßes" in der Pharmazie

"Arznei muss nicht bitter sein – die süßen Seiten der Pharmazie" lautete das Motto einer pharmaziehistorischen Veranstaltung am 23. und 24. Oktober in Basel.
Viele Genussmittel wurden früher als Arzneimittel angesehen und waren offizinell, auch Zucker, Kaffee und Tabak.
Foto: ABDA

Einen Überblick über die Genussmittel in der Berner pharmakognostischen Sammlung gab Prof. Dr. François Ledermann, Bern. Die Sammlung geht auf die Berner Pharmazieprofessoren Friedrich August Flückiger, Paul Perrenoud und Alexander Tschirch zurück. Viele der 60.000 Exponate, welche am Höhepunkt der Sammlung vorhanden waren, wurden bei etlichen Umzügen des Pharmazeutischen Instituts und bei seiner Schließung (1996) zerstört oder gingen verloren. Die Sammlung wurde kürzlich komplett neu inventarisiert. Von den 16 "Genussmitteln" gemäß der Definition von Carl Hartwich sind 14 in der Sammlung vorhanden, mit bis zu 34 unterschiedlichen Mustern. Zehn der 16 "Genussmittel" waren in der Schweiz einmal offizinell. Unter Tschirch wurden drei Dissertationen über Genussdrogen verfasst – eine über Opium und zwei über Kakao.

Kakao als Arznei

Über die "Protopharmakologie" von Kakao und Schokolade referierte Dr. Thomas Langebner, Linz. Es dauerte einige Zeit, bis der aus der Neuen Welt stammende Kakao in Europa akzeptiert wurde. Während einige ihn als "Göttertrank" (Theobroma) priesen, störten sich andere am Aussehen des Gebräus mit seinem Schaum. Mediziner des Barock beschrieben positive Wirkungen des Kakaos auf Magen, Bauch und bei Erkältungen; auch die Verwendung als Aphrodisiakum ist überliefert. Allerdings hatte die humoralpathologische Lehre ein Problem damit, dass die "kalten, trockenen" Kakaobohnen heiß und feucht zubereitet wurden. Eine Alternative war die Schokolade, deren Rezepte in zahlreiche Pharmakopöen aufgenommen und die in vielen verschiedenen Formen auf den Markt gebracht wurde.

Dr. Günther Hanke, Heilbronn, ergänzte die Ausführungen zur Schokolade mit einem Beitrag über Darmol®. Der Mann im Schlafrock mit Zipfelmütze, Schlüssel und Kerze ist seit über 100 Jahren als Bildmarke bekannt. Die abführende Wirkung wurde früher mit Phenolphthalein erzielt, heute wird Natriumpicosulfat in die Schokolade gemischt.

Das Manna – ein Wunder oder ein Naturphänomen?

Über das Manna, von dem sich die Israeliten in der Wüste Sinai ernährt haben sollen, berichtete PD Dr. Frank Leimkugel, Mülheim. Als eine Quelle für Manna wurden lange Zeit die vereinzelt in der Wüste wachsenden Tamarisken angesehen – diese sind aber nur sehr wenig produktiv, sodass die Ausbeute gering ist. Bedeutend produktiver sind Blattläuse und andere Insekten, die sich von Pflanzensäften ernähren. Sie müssen große Mengen davon aufnehmen, um ihren Stickstoffbedarf zu decken, und scheiden den im Übermaß aufgenommenen Zucker in Form von Tropfen aus, die in der Wüstenluft schnell trocknen und als stecknadel- bis erbsengroße Zuckerkörner zu Boden fallen. Diese werden von Ameisen verspeist, die jedoch nur tagsüber aktiv sind, weil es ihnen nachts zu kalt ist. Der aus Köln stammende Zoologe Fritz Simon Bodenheimer (1897 – 1959) hatte dies 1927 auf einer Expedition der Hebräischen Universität Jerusalem herausgefunden und die Zuckerkörner mit dem Manna der Bibel identifiziert, denn dort heißt es: "Und als der Tau weg war, siehe, da lags in der Wüste rund und klein wie der Reif auf dem Lande." Durch die Publikation dieser und anderer Expeditionsergebnisse erlangte Bodenheimer weltweite Reputation, die auch das wissenschaftliche Ansehen der Hebräischen Universität im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina hob.

Mehr als Malz und Zucker

Ursula Hirter-Trüb, Basel, fasste die Erfolgsgeschichte von Ovomaltine, dem "Energiedrink des frühen 20. Jahrhunderts", zusammen. Der Schweizer Apotheker Albert Wander, Inhaber einer Fabrik, die u. a. Malzextrakt produzierte, stellte ab 1904 nach eigenem Rezept Ovomaltine her und vertrieb sie anfangs ausschließlich über Apotheken. Neben Ei ("ovo"), Malzextrakt ("malt"), Milch und Hefe enthielt Ovomaltine früher sehr viel Zucker; heute ist das Produkt in der Schweiz zuckerfrei, doch werden in anderen Ländern weiterhin zuckerhaltige Varianten angeboten. Dank der in ihr enthaltenen Enzyme verbessert Ovomaltine die Verdaulichkeit der Milch.

Ein Erfolg wurde das Instant-Getränk letztlich aufgrund der Werbung. Der Vortrag endete mit einer kleinen Überraschung: Die junge Dame, die vor Jahren in einer Bildwerbung von Ovomaltine zu sehen war, saß im Plenum – nicht mehr ganz so jung, aber nach wie vor schön.

Pigmente aus der Offizin

Maler bezogen früher die für ihre Farben benötigten Rohstoffe in der Apotheke, wie Prof. Dr. Christoph Krekel, Stuttgart, darlegte. Als Quelle für deren Verfügbarkeit und Preise hat er alte Apothekertaxen ausgewertet. Am teuersten waren verschiedene Pigmente. Krekels historische Forschungen sind auch für die Praxis relevant, denn je besser man über die früher verwendeten Materialien Bescheid weiß, desto besser kann man alte Gemälde restaurieren. Die Apothekertaxen können auch beim Datieren oder Lokalisieren von Bildern helfen, weil bestimmte Pigmente zeitlich oder örtlich beschränkt verfügbar waren.

Genussdroge Coffein

Wie eine Sonderausstellung entsteht, zeigte Dr. Michael Kessler, Leiter des Pharmazie-Historischen Museums der Universität Basel, am Beispiel "Coffein – das globale Suchtmittel". Ausgangspunkt ist die aktuelle Relevanz: Die Schweizer konsumieren täglich etwa eine Tonne Coffein. Es ist in Kaffee, Tee, Mate, Cola und Guarana sowie zahllosen anderen Produkten enthalten. Von hier folgt der Gang in die Geschichte: Gewinnung und Nutzung der verschiedenen Coffein-Drogen, verschiedene Zubereitungs- und Anwendungsarten, Missbrauch und vieles andere mehr.


Andreas U. Schmid / cae

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