Verkehrssicherheit

Fahrtauglichkeit bei Morbus Parkinson

Schon allein die motorische Beeinträchtigung kann bei Parkinson-Patienten beim Lenken eines Fahrzeugs zu einer Gefährdung des Straßenverkehrs führen. Doch es gibt große interindividuelle Unterschiede, so dass die Beurteilung der Fahrtauglichkeit immer eine Einzelfallentscheidung sein muss. Neben den krankheitsbedingten Einschränkungen muss dabei auch die dopaminerge Medikation berücksichtigt werden – spätestens seit Bekanntwerden von Einschlafattacken am Steuer unter Ropinirol und Pramipexol.
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Zur Frage, ob bei Parkinson-Patienten Beeinträchtigungen im Fahrverhalten vorliegen, ergeben alle einschlägigen Studien ein sehr konsistentes, aber leider negatives Bild: Patienten schneiden im Vergleich zu gesunden Personen durchwegs schlechter ab – unabhängig davon, ob es sich um Fahrverhaltensproben im wirklichen Verkehr oder in Fahrsimulatoren, um klassische Leistungstests der Fahreignungsdiagnostik oder eine Analyse ihrer Unfallbelastung handelt. Dabei variiert der Anteil an als fahruntauglich beurteilten Patienten enorm – zwischen 12 und 56%! Dies ist durch eine hohe interindividuelle Variabilität zu erklären, so dass sich die verschiedenen Autoren einig sind, dass die Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Parkinson-Patienten eine Einzelfallentscheidung sein muss.

Schwierige Spurhaltung

Zu den krankheitsspezifischen Problemen im Fahrverhalten zählen v. a. Beeinträchtigungen in der Spurhaltung mit gehäuftem Abkommen von der Fahrbahn sowie Fehler in typisch alterskritischen Situationen wie an Kreuzungen, beim Spurwechsel oder beim Einparken. Zudem wurden Verkehrsunfälle aufgrund von plötzlichen Einschlafereignissen berichtet, sehr vereinzelt auch aufgrund von Freezing-Episoden.

Einheitlich wurde in allen einschlägigen Studien nachgewiesen, dass die Patienten ihre Fahrleistung selbst nicht adäquat beurteilen können und dazu neigen, sich zu überschätzen.

Motorische und kognitive Defizite

Grundsätzlich kann die Fahrtauglichkeit von Parkinson-Patienten durch die motorische Symptomatik (Tremor, Rigor, Akinese, Freezing), aber auch durch kognitive Defizite (erhöhte Prävalenz von Demenz, exekutiven und visuell-räumlichen Dysfunktionen) beeinträchtigt sein. Spätestens als 1999 von einigen Parkinson-Patienten berichtet wurde, die unter den nonergolinen Dopamin-Agonisten Ropinirol und Pramipexol durch Einschlafereignisse am Steuer Verkehrsunfälle verursachten, gelten Tagesmüdigkeit und die sedierende Wirkung der dopaminergen Medikation als weitere Einflussgrößen.

Das Ausmaß der motorischen Beeinträchtigung gilt derzeit als das Hauptdiagnosekriterium bei der Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Parkinson-Patienten (s. Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung FeV) – und dies obwohl die Befunde hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Schweregrad der Erkrankung und Fahrleistung sehr widersprüchlich sind.

Der Schweregrad der Erkrankung (wie er durch klassische Skalen wie Hoehn & Yahr oder UPDRS bestimmt wird) reicht keineswegs aus, um über die Fahrtauglichkeit der Patienten zu entscheiden.

Ähnlich widersprüchlich ist die Datenlage zum Zusammenhang zwischen Fahrleistung und kognitiven (nicht-demenziellen) Beeinträchtigungen, wie sie durch psychologische Leistungstests gemessen werden. Das Vorliegen einer Demenz schließt die Fahrtauglichkeit von Parkinson-Patienten allerdings sicher aus.

Kompensationsfähigkeit mitbeurteilen

Die hohe interindividuelle Variabilität und die widersprüchlichen Befunde zum Zusammenhang zwischen der Fahrleistung und den motorischen wie mentalen Beeinträchtigungen können zu einem sehr großen Teil dadurch erklärt werden, dass die Patienten ihre Leistungsdefizite im praktischen Fahrverhalten kompensieren. Dafür spricht v. a. der häufige Befund, dass Patienten die Mindestanforderungen in klassischen Tests der Fahreignungsdiagnostik nicht erfüllen, aber im Rahmen einer prakti-schen Fahrprobe ein völlig unauffälliges Verhalten zeigen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Parkinson-Patienten im praktischen Fahrverhalten vermehrt kompensatorische Strategien einsetzen: Sie meiden schwierige Verkehrssituationen und -stoßzeiten, fahren kürzere Strecken, machen mehr Pausen, überholen seltener, halten sehr große Sicherheitsabstände und fahren langsamer als gesunde Kontrollpersonen. Auf diese Weise können sie Fahrfehler reduzieren und Müdigkeit am Steuer kontrollieren. Daher sollte die Fähigkeit zur Kompensation bei der Beurteilung ihrer Fahrtauglichkeit ein wesentliches Kriterium darstellen.

Einschlafattacken unter dopaminerger Medikation

Hinsichtlich der plötzlichen Einschlafereignisse besteht inzwischen Einigkeit in der empirischen Forschung, dass diese Ausdruck einer extremen Tagesmüdigkeit sind, welche bei Parkinsonpatienten ein weit verbreitetes und multifaktoriell bedingtes Phänomen darstellt. Allenfalls bei jüngeren und kurz erkrankten Patienten scheinen solche Einschlafereignisse gehäuft unter den Nonergot-Agonisten aufzutreten. Insgesamt wurden sie aber sowohl unter Ergot-Agonisten wie Pergolid und Cabergolin als auch unter einer Monotherapie mit L-Dopa berichtet. Neben der Medikation gelten ein hohes Lebensalter, eine lange und schwere Erkrankung, männliches Geschlecht und Schlafstörungen als weitere signifikante Risikofaktoren.

Im Februar 2002 verfügte die European Medicines Agency (EMEA), dass Patienten unter jeglicher dopaminerger Medikation über die Gefahr plötzlicher Einschlafereignisse informiert werden müssen. Auf die aktive Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr muss aber nur dann verzichtet werden, wenn bei dem betroffenen Patienten unter der gegebenen Medikation Tagesmüdigkeit oder plötzliches Einschlafen tatsächlich aufgetreten sind.

In jedem Fall sollten Ärzte und Apotheker auf die Gefahr der Tagesmüdigkeit hinweisen und den Patienten empfehlen, bei neuen Medikamenten oder Dosiserhöhungen in den ersten Wochen nicht selbst Auto zu fahren. Ärzte sollten Parkinsonpatienten unbedingt über das Thema Fahrtauglichkeit aufklären und sich dies auch schriftlich bestätigen lassen, da sie zivil- oder strafrechtlich haften müssen, wenn sie einen Patienten auf seine Fahruntüchtigkeit nicht oder nicht hinreichend deutlich hinweisen.

Die Fahrerlaubnisbehörde erhält i. d. R. keine Meldung über eine Parkinson-Erkrankung, d. h. es findet auch keine amtliche Kontrolle der Fahreignung statt. Trotzdem besteht für die Patienten eine Vorsorgepflicht (§ 2 Absatz 1 FeV), selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die eigene Fahrtauglichkeit noch gegeben ist. Dies kann im Rahmen einer freiwilligen Untersuchung der fahrrelevanten körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit (z. B. durch einen Arzt und einen klinischen Neuropsychologen) beurteilt werden. Ergänzend kann eine praktische Fahrverhaltensprobe durchgeführt werden. Wenn noch eine ausreichende Fahrtauglichkeit besteht, kann eine befürwortende Beurteilung schriftlich bescheinigt werden. Diese gilt auch als Nachweis dafür, dass man seiner Vorsorgepflicht nachgekommen ist. Da der M. Parkinson eine fortschreitende Erkrankung ist, gilt eine solche Bestätigung immer nur vorübergehend und muss je nach Entwicklung der Erkrankung erneut ausgestellt oder verweigert werden.

Literatur Kaußner Y, Krüger HP: Drugs, driving and traffic safety in Parkinson‘s disease. In Verster JC, Pandi-Perumal SR, Ramaekers JG, de Gier JJ (Hrsg.): Drugs, driving and traffic safety. Birkhäuser Verlag, Basel 2009, S. 331 – 346.

 


Autorin

 

Dr. Yvonne Kaußner 
Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH) 
Raiffeisenstr. 17 
97209 Veitshöchheim

Tipps für Parkinsonpatienten und Angehörige


  • Bitte bedenken Sie grundsätzlich, dass Sie nach Fahrerlaubnisverordnung verpflichtet sind, selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob Sie fahrtauglich sind.
  • Machen Sie sich bewusst, dass man dazu neigt, die eigene Fahrleistung zu überschätzen.
  • Beobachten Sie Ihr Fahrverhalten genau: Kommt es vor, dass Sie die Fahrbahnbegrenzungen überfahren bzw. nach rechts oder links von der Fahrbahn abkommen? Kommt es vor, dass andere Fahrzeuge wegen Ihnen bremsen müssen oder hupen?
  • Fragen Sie Ihren Beifahrer, ob er bei Ihnen Auffälligkeiten bemerkt hat und nehmen Sie seine Kritik auch an.
  • Beobachten Sie Ihre Symptome im Verlauf des Tages ganz genau: Versuchen Sie "gute Fahrzeiten" herauszufinden, indem Sie genau beobachten, zu welchen Tageszeiten es Ihnen am besten geht und wann Ihre Medikamente am besten wirken. Versuchen Sie, so gut es geht, Ihre Fahrten in diese guten Zeiten zu legen.
  • Lassen Sie in den schlechteren Zeiten, wenn möglich Ihre(n) Partner(in) fahren. Auch wenn früher hauptsächlich Sie gefahren sind, ist dies eine gute Gelegenheit, dass Ihr(e) Partner(in) Fahrpraxis bekommt.
  • Achten Sie sehr genau darauf, ob Sie tagsüber müde sind oder plötzlich einschlafen. Versuchen Sie, nur ausgeschlafen zu fahren oder sich vor der Fahrt noch einmal hinzulegen.
  • Legen Sie sofort eine Pause ein, wenn Sie beim Fahren müde werden, auch wenn es nur noch ein paar Minuten bis zum Ziel sind!
  • Fragen Sie bei neuen Medikamenten Ihren Arzt oder Apotheker, ob diese zu Tagesmüdigkeit und plötzlichem Einschlafen führen können. Beobachten Sie in den ersten Wochen genau, ob Sie mit Müdigkeit auf die Medikamente reagieren und verzichten Sie in dieser Zeit am besten ganz darauf, selbst zu fahren.
  • Machen Sie eine Probefahrt mit einem Fahrlehrer und nehmen Sie ggf. ein paar Fahrstunden. Mittlerweile gibt es einige Fahrschulen, die sich auf die Probleme älterer Fahrer und Patienten spezialisiert haben.
  • Lassen Sie sich von Verkehrsmedizinern oder – psychologen bei medizinisch-psychologischen Untersuchungsstellen (etwa TÜV oder DEKRA) oder in einer Parkinson-Fachklinik beraten.
  • Bemühen Sie sich, selbstkritisch zu sein und verantwortungsbewusst zu handeln! Falls Sie oder Ihre Angehörigen erhebliche Auffälligkeiten in Ihrem Fahrverhalten feststellen, die Sie auch durch eine angepasste Fahrweise nicht mehr kontrollieren können, sollten Sie die Konsequenzen ziehen und das Fahren aufgeben!


Diese Tipps stehen unter DAZ.plus/Dokumente zum Download bereit.

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