Verkehrssicherheit

Autofahren bei Epilepsie und zerebralen Anfällen

Mobilität ist in unserer Gesellschaft ein hohes Gut. Für Menschen im erwerbsfähigen Alter ist sie oft eine Grundvoraussetzung für eine aktive Teilhabe am Berufsleben. Umfragen bei Epilepsiepatienten ergaben, dass der Erhalt der individuellen Mobilität und damit verbunden die Möglichkeit, selbst Auto fahren zu dürfen, zu den wichtigsten Faktoren für eine zufriedenstellende Lebensqualität zählt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass eine Einschränkung der Mobilität zu sozialer Isolation führen kann und von anderen abhängig macht. Daher ist die Sicherung der Mobilität ein wichtiger Faktor für ein eigenbestimmtes und eigenverantwortliches Leben.
Inhaltsverzeichnis: Schwerpunkt Verkehrssicherheit


Etwa ein Prozent der Verkehrsunfälle geschieht aufgrund eines epileptischen Anfalls, wobei es sich bei einem Drittel der Fälle um erstmalig auftretende epileptische Anfälle handelt.

Risiko epileptischer Anfall

Somit stellt die Epilepsie im Vergleich zu anderen Krankheiten, die das Bewusstsein eintrüben können (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen), oder auch im Vergleich zu Fahren unter Alkoholeinfluss ein geringeres Risiko im Straßenverkehr dar als im Allgemeinen angenommen wird. Es gibt verschiedene Formen epileptischer Anfälle und die Abstände zwischen einzelnen Anfällen können zwischen Sekunden und Jahren oder gar Jahrzehnten schwanken. Von daher ist die Frage, ob Patienten mit einer Epilepsie Auto fahren dürfen, nicht mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten.

Die Fahrerlaubnisbehörde erhält in der Regel keine Meldung über eine Epilepsie, und der Führerschein kann in diesem Fall ungeprüft beim Kraftfahrer verbleiben. Es besteht dennoch nach § 2 Absatz 1 der Fahrerlaubnisverordnung eine gesetzliche Verpflichtung, die sogenannte Vorsorgepflicht, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Fahreignung nicht eingeschränkt ist. Der Patient sollte daher unbedingt durch einen Facharzt abklären lassen und sich gegebenenfalls bestätigen lassen, ob die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sind.

Eine stabile körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ist eine sehr wichtige Voraussetzung für die Fahreignung. Bei bestimmten Formen der Epilepsie kann es anfallsartig jederzeit zu einem Versagen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit kommen. So lange solche Anfälle noch auftreten können, ist eine sichere Beherrschung eines Kraftfahrzeugs nicht gegeben. Beim Vorliegen komplex-fokaler sekundär generalisierter oder generalisierter Anfälle besteht grundsätzlich keine Fahreignung. Daneben gibt es aber zahlreiche andere Formen zerebraler Anfälle, bei denen die Kraftfahreignung – je nach Form des Anfallsleidens – an die Erfüllung unterschiedlicher Bedingungen gebunden ist.

Anfallsfreiheit entscheidend

Entscheidend für die Kraftfahreignung bei zerebralen Anfällen ist die Anfallsfreiheit. Es darf keine wesentliche Rückfallgefahr für Anfälle mehr bestehen. Für die verschiedenen Formen zerebraler Anfälle bestehen Sperrfristen, während der es nicht zu weiteren Anfällen kommen darf. Sie müssen eingehalten werden. In den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sind detailliert die Bedingungen für die verschiedenen Formen zerebraler Anfälle aufgeführt. Für die Fahrerlaubnisgruppe 1 (Motorrad, Auto, Mofa, Traktor, Leichtkraftfahrzeug) bestehen Sperrfristen zwischen drei Monaten (z. B. bei einem einmaligen Anfall) und drei Jahren. Für die Fahrerlaubnisgruppe 2 (LKW, Fahrgastbeförderung) gelten in der Regel deutlich höhere Anforderungen, nämlich in der Regel fünf Jahre Anfallsfreiheit und zwar ohne Medikamente.

In den meisten Fällen ist eine medikamentöse Therapie der Epilepsie mit Antiepileptika jedoch notwendig, um das Ziel der Anfallsfreiheit zu erreichen. Leider können aber auch diese Medikamente das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fahreignung vermindert wird.

Einheitliche EU-Fahrerlaubnis ab 2013

Ab 2013 wird in der Europäischen Union schrittweise eine neue, einheitliche Fahrerlaubnis in Kreditkartenformat eingeführt, die nur eine begrenzte Gültigkeit (10 bzw. 15 Jahre) haben wird. Die Erneuerung der Fahrerlaubnis kann auch vom Gesundheitszustand abhängig gemacht werden. Die entsprechende EU-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit ein, bei Personen über 50 Jahren deren Gültigkeitsdauer zu begrenzen und/oder für diesen Personenkreis häufigere ärztliche Kontrollen oder Auffrischungskurse vorschreiben.

Carbamazepin wie 0,5 Promille Alkohol

Bisher gibt es nur wenige Studien, welche die Wirkung bestimmter Antiepileptika auf die Fahrtüchtigkeit direkt untersuchen. Eine niederländische Forschergruppe untersuchte die Wirkung von Carbamazepin und Remacemid ( nicht zugelassen) auf die Fahrleistung [Ramaekers et al. 2002]. Die Testfahrer fuhren dazu mit einem Fahrzeug auf einer abgesperrten Teststrecke und zur Messung der Fahrleistung wurde das Ausmaß des Schwankens in der Spur herangezogen. Die Autoren fanden keine Einschränkungen auf die Fahrleistung unter Remacemid, aber unter Carbamazepin milde bis moderate Verschlechterungen der Spurhaltung, die in etwa vergleichbar waren mit der Leistungsverschlechterung, die unter 0,5 Promille Alkohol bei demselben Test beobachtet wurden.

Gefahr bei monotonen Situationen

Am Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH) wurde die Wirkung von Carbamazepin auf die Fahrleistung mit der Wirkung von Oxcarbazepin anhand eines repräsentativen Fahrparcours in einem Fahrsimulator verglichen [Kaußner et al. 2010]. Beide Substanzen bewirkten eine Verschlechterung der Fahrleistung, was sich insbesondere in einer schlechteren Spurhaltung, vermehrten Fahrfehlern und verstärkter Müdigkeit niederschlug. Allerdings waren diese negativen Effekte etwas stärker für Carbamazepin als für Oxcarbazepin. Am deutlichsten war diese negative Wirkung der Medikamente auf die Fahrleistung bei monotonen Fahrsituationen zu beobachten und konnte von den meisten Fahrern kompensiert werden, wenn die Fahraufgabe kognitiv und/oder motorisch anspruchsvoller war.

Kritisch: Therapiebeginn

Besonders zu Beginn der Behandlung mit Antiepileptika ist es sehr wichtig, auf Nebenwirkungen bei sich zu achten, die einen negativen Effekt auf die Fahreignung haben können. Denn gerade zu Beginn einer Behandlung wirken viele Antiepileptika stark sedierend. Diese sedative Wirkung kann aber in vielen Fällen nach längerer Einnahme schwächer werden. Ein klinischer Neuropsychologe kann beurteilen, ob durch die Medikamente eine fahrrelevante Minderung des Reaktionsvermögens oder der Aufmerksamkeitsleistung hervorgerufen wird, oder ob die psychische Leistungsfähigkeit ausreicht, um ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Eine befürwortende Beurteilung sollte sich der Patient schriftlich bescheinigen lassen. Wenn ein Patient seine medikamentöse Behandlung abbricht, besteht für die Dauer des Absetzens und danach noch für weitere drei Monate eine Sperrfrist, während der keine Anfälle auftreten dürfen.

Literatur und weiterführende Informationen Deutsche Gesellschaft für Epileptologie. www.izepilepsie.de. GNP Arbeitskreis Fahreignung (2007). Kraftfahreignung bei cerebralen Anfällen und Epilepsie. Informationen zu den Eignungsvoraussetzungen und zur Vorsorgepflicht erhältlich unter www.gnp.de. Kaußner Y, Kenntner-Mabiala R, Hoffmann S, Klatt J. Tracik F, Krüger HP: Effects of Oxcarbazepine and Carbamazepine on driving ability: A double blind, randomized crossover trial with healthy volunteers. Psychopharmacology 2010; 210: 53 – 63. Ramaekers JG, Lamers CTJ, Verhey F, Muntjewerff ND, Mobbs E, Sanders N, Lewis JM, Lockton JA: A comparative study of the effects of carbamazepine and the NMDA receptorantagonist remacemide on road tracking and car-following performance in actual traffic. Psychopharmacology 2002;159:203 – 210.


Autorin

 

Dr. Ramona Kenntner-Mabiala, 
Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH) 
Raiffeisenstr. 17 
97209 Veitshöchheim

Sicherheitstraining beim ADAC


Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) bietet in einigen Regionen (z. B. Hessen, Thüringen, Baden-Württemberg) Verkehrssicherheitsprogramme für ältere Kraftfahrer an. Nach eigenen Angaben soll damit Senioren, die bezüglich ihrer Fahrfertigkeiten von Selbstzweifeln geplagt sind oder von Angehörigen gedrängt werden, die Möglichkeit gegeben werden, ihre Fahrtauglichkeit zu überprüfen. Weitere Informationen finden sich unter www.adac.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.