Schwerpunkt Diabetes

Auf die Wahl des passenden Messverfahrens achten

Für die Selbstbestimmung der Blutglucosekonzentration werden enzymatische Messverfahren unter Verwendung der Enzyme Glucoseoxidase (GOD) oder Glucosedehydrogenase (GDH) eingesetzt. Die Detektion der bei der Enzymreaktion entstehenden Reaktionsprodukte erfolgt photometrisch oder elektrochemisch. Je nachdem welches Enzym und welches Messprinzip verwendet werden, kann die Messung mit anderen Zuckerarten oder der Begleitmedikation interferieren. In Abhängigkeit von der individuellen Patientensituation sollte das jeweils passende Blutzuckermessverfahren ausgewählt werden.

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Im August 2009 nahm die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA mehrere Todesfälle zum Anlass, um vor potenziellen Messfehlern zu warnen, die bei Blutzuckermessgeräten auftreten, deren Messprinzip auf einer Enzymreaktion mit Glucosedehydrogenase und dem Kofaktor Pyrrolochinolinchinon (GDH-PQQ) basiert. Die Probleme resultieren aus der Tatsache, dass GDH-PQQ nicht zwischen Glucose und anderen Zuckern wie Maltose, Galaktose oder Xylose unterscheiden kann. Demnach ergeben sich in der Summe zu hohe Blutzuckerwerte, wenn andere Zucker im Blut des Patienten vorhanden sind. Dies führte in einigen Fällen zu einer Überdosierung von Insulin, die wiederum eine tödliche Hypoglykämie zur Folge hatte.

Kontraindikationen für GDH-PQQ-Teststreifen

In den Jahren 1999 bis 2009 registrierte die FDA insgesamt 13 solcher Todesfälle, wovon sich sechs allein im Jahr 2008 ereigneten, nachdem die FDA auf das Risiko hingewiesen hatte. Der Anstieg könnte folglich auch auf die erhöhte Sensibilisierung für die Problematik zurückzuführen sein. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass sich alle Todesfälle in Gesundheitseinrichtungen ereigneten. Die gemessenen Blutzuckerkonzentrationen lagen bei den Patienten 3- bis 15-fach über den tatsächlichen Werten. Bei einem Patienten zeigte das Messgerät einen Blutzuckerwert von 200 mg/dl an, also eine behandlungsbedürftige Hyperglykämie, während der korrekte Glucosewert eigentlich 19 mg/dl betragen hätte, demzufolge also eine lebensgefährliche Hypoglykämie vorlag. Die meisten Todesfälle traten bei Patienten auf, die zuvor eine Peritonealdialyse erhalten hatten, da die hierfür eingesetzten Dialyselösungen größere Mengen anderer Zucker, unter anderem auch in Form von Oligo- bzw. Polysacchariden enthalten. Laut FDA sind daher die Peritonealdialyselösung Extraneal® (enthält das Glucosepolymer Icodextrin, das zu Maltose abgebaut wird), einige Immunglobuline, das Rheumamedikament Abatacept (Orencia®; enthält Maltose), eine vierprozentige Icodextrin-Lösung (Adept®), die zur Adhäsionsvorbeugung bei gynäkologischen Operationen eingesetzt wird, sowie alle Produkte, die Maltose, Galaktose oder Xylose als Zusatzstoffe enthalten, absolute Kontraindikationen. Hier dürfen GDH-PQQ-Teststreifen aufgrund ihrer mangelnden Diskriminierung zwischen den verschiedenen Zuckerarten nicht eingesetzt werden!

CAVE!

Bei Patienten, die eine Peritonealdialyse oder Produkte mit Maltose, Galaktose oder Xylose erhalten, dürfen GDH-PQQ-Teststreifen nicht für die Blutzuckermessung eingesetzt werden, da sich verschiedene Zuckerarten mit diesen Teststreifen nicht unterscheiden lassen und falsch erhöhte Messwerte zu tödlichen Überdosierungen bei der Insulingabe führen können.

Elektrochemische Messung weniger störanfällig

Die Glucosebestimmung mit den Enzymen Glucoseoxidase (GOD), Glucose-Dehydrogenase-Nicotinadenindinucleotid (GDH-NAD) oder Glucose-Dehydrogenase-Flavinadenindinucleotide (GDH-FAD) ist laut FDA hingegen unbedenklich. Als Vorteil der GDH-Methoden gegenüber Glucoseoxidase (GOD) galt lange Zeit die im Allgemeinen geringere Störanfälligkeit in Bezug auf Arzneimittel (reduzierende Substanzen) und den Sauerstoffgehalt der Probe. Die meisten mit der GOD-Methode interferierenden Substanzen haben ihren Angriffspunkt allerdings nicht auf Ebene der eigentlichen enzymatischen Reaktion, sondern auf Ebene der Peroxidase-vermittelten Indikatorreaktion bei der photometrischen Bestimmung und führen über den Verbrauch des Indikators zu falsch niedrigen Werten. Teststreifen, die mit photometrischen Verfahren arbeiten, sind demnach störanfälliger als neuere, elektrochemisch arbeitende Biosensoren. Sensoren der neuesten Generation sollen den Einfluss reduzierender Substanzen (wie Paracetamol oder Ascorbinsäure) zudem durch den Einsatz einer dritten Elektrode weitgehend kompensieren, sodass gängige therapeutische Konzentrationen reduzierender Arzneistoffe die Richtigkeit der Messergebnisse bei modernen GOD-basierten Geräten kaum mehr beeinträchtigen. Dennoch ist eine abnorm erhöhte Einnahme von Vitamin C beispielsweise in der Erkältungszeit auch bei elektrochemisch detektierenden Messgeräten als Ursache für das Auftreten unerwarteter (im Gegensatz zur photometrischen Methode erhöhter) Messergebnisse in Betracht zu ziehen.

Auch Hämatokrit beeinflusst die Messung

Der Hämatokrit bezeichnet den Anteil der zellulären Bestandteile am Volumen des Blutes und ist ein Maß für die Zähigkeit des Blutes. Steigt der Hämatokrit, nimmt die Zähigkeit des Blutes zu, was unter Umständen zu Interferenzen mit der Messung führen kann. Aber auch besonders dünnflüssiges Blut mit einem niedrigen Hämatokrit kann die Messung beeinträchtigen. Bei sehr hohem Hämatokritwert ist der angezeigte Blutzuckerwert möglicherweise zu gering, bei sehr niedrigem Hämatokritwert möglicherweise zu hoch. Die Gebrauchsanweisungen von Blutzuckermessgeräten zur Vollblutmessung schränken den zulässigen Hämatokritwert daher in der Regel ein. Einige Geräte bieten allerdings auch eine interne Hämatokritkorrektur, das heißt, das Gerät erfasst die Aufsauggeschwindigkeit und berücksichtigt diese bei der Errechnung des Messwertes. Geräte mit interner Korrektur sind häufig daran erkennbar, dass ein sehr breiter Hämatokritbereich für die Messung zugelassen ist. Zu niedrig für eine zuverlässige Blutzuckermessung ist der Hämatokrit unter Umständen bei Überwässerung und allen Formen von Blutarmut (Anämien) z. B. in der Schwangerschaft (siehe Tab.). Besonders hohe Hämatokritwerte treten unter anderem bei Flüssigkeitsverlust, Polyglobulie, Polycythämia vera auf.

Hämatokrit-Normalwerte
Neugeborene44 – 65 %
Neugeborene 2. bis 6. Tag50 – 70 %
Neugeborene 14. bis 23. Tag42 – 62 %
Neugeborene 24. bis 37. Tag31 – 59 %
Neugeborene 40. bis 50. Tag30 – 54 %
Neugeborene 2 bis 2,5 Monate30 – 44 %
Neugeborene 3 bis 3,5 Monate31 – 43 %
5 Monate - 13 Jahre32 – 44 %
Jungen bis 16 Jahre38 – 44 %
Mädchen bis 16 Jahre35 – 43 %
erwachsene Frauen36 – 45 %
erwachsene, schwangere Frauenabfallend bis 
etwa 34 %
erwachsene Männer42 – 50 %

Häufige Anwendungsfehler

Eine häufige Ursache für Messfehler sind schmutzige oder feuchte Finger. Besonders zuckerhaltige Speisereste führen dabei zu falsch hohen Messergebnissen. Daher ist gründliches Händewaschen und Abtrocknen vor der Messung wichtig. Auch wenn moderne Blutzuckermessgeräte mit minimalen Blutmengen arbeiten, reicht der gewonnene Blutstropfen manchmal für eine korrekte Messung nicht aus. Bei einigen Geräten ist ein Nachdosieren zwar möglich, dies ist gegenwärtig jedoch noch eher die Ausnahme. Wichtig ist aber, insbesondere beim Nachdosieren, dass die Fingerbeere nicht zu stark gepresst wird, um genügend Blut zu erhalten, da es gegebenenfalls zu einer Verdünnung des Blutes mit Lymphflüssigkeit und damit zu falschen Messwerten kommen kann. Weitere Fehlerquellen können abgelaufene oder falsch gelagerte Teststreifen sein. Kratzer auf der Oberfläche, etwa bei Aufbewahrung außerhalb der Originalpackung, zu hohe Feuchtigkeit sowie extreme Temperaturen können das Ergebnis ebenfalls beeinflussen und sollten daher vermieden werden. Ein weiterer Einflussfaktor ist ein niedriger Sauerstoffpartialdruck (z. B. bei Messung in großen Höhen), der bei der elektrochemischen Messung zu falsch niedrigen Ergebnissen führen kann. Dies ist in der Praxis jedoch von eher untergeordneter Bedeutung, da die meisten Messungen nicht in so großen Höhen durchgeführt werden, als dass dieser Effekt einen signifikanten Einfluss hätte.

Codierung heute weitgehend unproblematisch

Für die Produktion von Blutzuckerteststreifen sind verschiedene Rohmaterialien nötig, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geringfügige Abweichungen aufweisen können. Um diese auszugleichen ist eine chargenspezifische Korrektur der Messwerte (Codierung) notwendig. Hierfür verwenden die derzeit im Handel befindlichen Geräte im Wesentlichen eines der folgenden drei Verfahren:

manuelle Codierung: Bei der ursprünglichen Art des Codierens muss man die auf der Teststreifenverpackung angegebene Code-Nummer von Hand in das Messgerät eingeben. Diese Art der Codierung ist allerdings sehr fehleranfällig.

Chip Codierung Bei der Chip-Codierung muss ein mit den Teststreifen mitgelieferter Chip in das Messgerät einfügt werden. Dabei handelt es sich um eine halbautomatische Codierung, welche zumindest den Teil der falschen (manuellen) Eingabe ausschließt. Es gibt auch Geräte, bei denen man zuerst einen Codierstreifen einfügen muss, um den aktuellen Code einzulesen.

automatische Codierung Die sicherste Variante ist die automatische Codierung. Sie wird von immer mehr Blutzuckermessgeräte-Herstellern verwendet. Beim Einfügen der Messstreifen wird die Codierung automatisch vorgenommen, da die entsprechende Codierungsinformation auf den Teststreifen selbst hinterlegt ist und vom Messgerät direkt ausgelesen werden kann. Das Risiko einer Falsch- oder Nichtcodierung ist daher von vornherein quasi ausgeschlossen.

Bei Messgeräten die noch zu codieren sind (manuell oder mittels Chip) kann bei Falsch- oder Nichtcodierung der gemessene Wert um bis zu 43% vom tatsächlichen Blutzuckerwert abweichen. Die eigenhändige Codierung durch den Patienten ist demnach nicht mehr State of the Art und wird immer mehr durch automatische Codierungsverfahren verdrängt, sodass durch Fehlcodierungen verfälschte Messwerte schon in absehbarer Zeit keine Rolle mehr spielen dürften. Bis es soweit ist, ist die Codierung im Patientengespräch über die Beurteilung selbst erhobener Messwerte als Fehlerquelle allerdings weiterhin in Betracht zu ziehen.

Quelle Baum, J.M., et al.: Improving the quality of self-monitoring blood glucose measurement: A study in reducing calibration errors. Diabet. Technol. Therapeut. 2006; 8: 237 – 247.

 


 

Apotheker Dr. Andreas Ziegler

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