Arzneimittel und Therapie

Acetylsalicylsäure kann vor Dickdarmkrebs schützen

Acetylsalicylsäure (ASS) senkt nicht nur das Herzinfarktrisiko. Die Langzeiteinnahme von mindestens 75 mg ASS pro Tag kann auch das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken oder zu versterben, reduzieren. Darauf deuten die Ergebnisse eines 20-Jahre-Follow-up von fünf randomisierten Studien hin.

Schon in früheren Studien konnte gezeigt werden, dass Acetylsalicylsäure (ASS) und Cyclooxygenase-2-Hemmer die Rückfallrate bei kolorektalen Karzinomen um 20% senken können. Jedoch ließen sich anhand dieser Studien keine grundsätzlichen Aussagen zu Risiken und Nutzen einer Darmkrebsprävention mit ASS treffen, weil die Nachbeobachtungszeiten mit zwei bis drei Jahren zu kurz waren. In zwei weiteren großen Studien, in denen der Einfluss von hochdosierter Acetylsalicylsäure (≥ 500 mg/d) auf kardiovaskuläre Risiken untersucht worden war, ließ sich nach fünfjähriger ASS-Einnahme zehn Jahre später eine Reduktion des Darmkrebsrisikos feststellen. Einem breiten Einsatz von hochdosierter ASS zur Primärprävention steht jedoch ein dosisabhängig erhöhtes Risiko für Blutungskomplikationen entgegen. Ob eine niedrigdosierte ASS-Einnahme bei reduziertem Blutungsrisiko in gleichem Ausmaß vor Darmkrebs schützen kann, ist unbekannt.

Was leistet niedrigdosierte Acetylsalicylsäure?

Vor diesem Hintergrund haben britische Forscher jetzt Daten von Patienten aus fünf großen Studien zur kardiovaskulären Prävention mit Acetylsalicylsäure ausgewertet. Sie wollten wissen, wie sich nach zwanzig Jahren die Langzeiteinnahme von Acetylsalicylsäure in Dosierungen zwischen 30 und 1200 mg auf das Darmkrebsrisiko ausgewirkt hat. Vier der Studien waren randomisiert und placebokontrolliert durchgeführt worden, in der fünften Studie war die tägliche Einnahme von 283 mg ASS mit 30 mg ASS verglichen worden.

Seltener proximale Kolonkarzinome

391 von insgesamt 14.033 Patienten der placebokontrollierten Studien hatten in der Folgezeit von durchschnittlich 18,3 Jahren ein Kolonkarzinom entwickelt. Hochgerechnet auf zwanzig Jahre wurde durch Acetylsalicylsäure das Kolonkarzinom-Risiko um 24% gesenkt (Hazard Ratio [HR] 0,76), die Kolonkarzinomsterblichkeit sank um 35% (HR 0,65). Dabei traten vor allem im proximalen Kolon lokalisierte Tumoren nach ASS-Gabe seltener auf (HR 0,45). Auf die Entwicklung von rektalen Karzinomen hatte Acetylsalicylsäure keinen Einfluss. Die protektive Wirkung nahm zudem mit der ASS-Einnahmedauer zu, bei mehr als fünf Jahren sank das Risiko für ein proximales Kolonkarzinom um 70%.

Kein größerer Benefit bei mehr als 75 mg/d

Die Kolonkarzinom-protektive Wirkung war unter allen ASS-Dosierungen ab 75 mg/d festzustellen, wobei sich die Schutzwirkung von 75 mg/d nicht durch die Einnahme höherer Dosierungen steigern ließ. Die tägliche Einnahme von 30 mg ASS scheint dagegen keinen Schutz vor Darmkrebs zu bieten: in der Studie, in der die 30-mg-Dosierung mit der 283-mg-Dosierung verglichen worden war, war die Darmkrebssterblichkeit in der 30-mg-ASS-Gruppe höher als in der 283-mg-Gruppe.

Viele offene Fragen

In einem begleitenden Editorial wird auf wichtige Limitationen des 20-Jahre-Follow-up hingewiesen:

In keiner der zugrunde liegenden Studien war ein kolorektales Karzinom als primärer Endpunkt definiert.

Die Autoren des Follow up geben keine Auskunft über die Gesamtsterblichkeit nach 20 Jahren, insbesondere wird nicht aufgeführt, wie sich ASS-Nebenwirkungen wie vermehrte gastrointestinale Blutungen auf die Sterblichkeit ausgewirkt haben. Verwiesen wird auf einen systematischen Review, nach dem zwar ASS die Inzidenz für Kolorektalkarzinome insbesondere nach Langzeitanwendung über mehr als zehn Jahre reduzierte, nach dem aber auch dosisabhängig das Risiko für gastrointestinale Komplikationen gestiegen ist. Dabei ist unklar, ob die Dosisabhängigkeit für den Bereich speziell zwischen Tagesdosen von 75 mg bis 500 mg gilt.

Gastrointestinale Komplikationen, insbesondere das Auftreten von Blutungen unter ASS, können zu einer höheren Detektionsrate kolorektaler Karzinome in den ASS-Gruppen beigetragen und damit das Ergebnis verzerrt haben.

In den Studien gab es hohe Abbruchraten, die zu einer Selektion geführt haben können mit unvermeidbaren Konsequenzen für die Langzeitauswertung.

Die Studien sind überwiegend mit männlichen Teilnehmern und Patienten mit kardiovaskulären Risiken durchgeführt worden. Aussagen über Frauen und Patienten ohne kardiovaskuläre Risiken lassen sich auf dieser Datenbasis nicht treffen. Die Karzinogenese könnte sich hier deutlich unterscheiden, beispielsweise durch einen vermehrten Tabakkonsum.

Am Ende der Studien haben alle Patienten ASS erhalten. Das könnte dazu geführt haben, dass auch Patienten der Placebogruppen von karzinomprotektiven Eigenschaften der Acetylsalicylsäure profitiert haben, so dass der Benefit der ASS-Langzeiteinnahme möglicherweise größer ist.

Um wichtige offene Fragen zu Nutzen und Risiken einer Primärprävention kolorektaler Karzinome mit ASS zu klären, wären randomisierte Langzeitstudien erforderlich. Damit ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Diskutiert werden muss, ob auf Basis der bislang vorliegenden Daten eine ASS-Primärprävention zumindest bei Hochrisikogruppen zu vertreten ist.

Quelle Rothwell PM et al: Long-term effect of aspirin on colorectal cancer incidence and mortality: 20-year follow-up of five randomised Trials. Lancet Online-Publikation 22, Oktober 2010.

 

Benamouzig R, Uzzan B: Aspirin to prevent colorectal cancer: time to act? Lancet Onlinepublikation 22. Oktober 2010.

 


 

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