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Koalition will Kostenerstattung erleichtern

BERLIN (dpa/daz). Die Koalition will gesetzlich Krankenversicherten mehr Möglichkeiten zur Kostenerstattung bieten. Ein erster Schritt soll bereits zum Jahreswechsel erfolgen. Dazu haben die Fraktionen von CDU/CSU und FDP letzte Woche im Gesundheitsausschuss des Bundestages einen Änderungsantrag zum GKV-Finanzierungsgesetz vorgelegt. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte erneut an, Kostenerstattung insgesamt einen höheren Stellenwert einzuräumen. Die Krankenkassen warnten vor weiteren Kostensteigerungen.

Versicherte sollen auch künftig nicht gezwungen werden, den Arzt selbst zu zahlen und sich das Geld von der Kasse erstatten zu lassen. Allerdings sollen in die Liste möglicher – privater – Zusatzversicherungen, die gesetzliche Kassen vermitteln können, ausdrücklich Ergänzungstarife zur Kostenerstattung aufgenommen werden. Mit diesen soll man sich gegen das Risiko absichern können, von der Versicherung nicht den vollen Betrag zu bekommen, den der Arzt verlangt. Zudem sollen sich die Versicherten nur noch ein statt wie bisher drei Jahre an einen Wahltarif etwa zur Kostenerstattung binden müssen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), sagte: "Wir machen den Versicherten die Wahl leichter." Seine FDP-Kollegin Ulrike Flach erklärte, man stelle sicher, "dass Versicherte Leistungen hinterfragen und vor allem kontrollieren können". Eine weitere geplante Änderung sieht eine Informationspflicht von Ärzten gegenüber den Versicherten darüber vor, dass Kosten, die nicht von der Kasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind.

Rösler hatte kurz zuvor erklärt, mittelfristig solle Kostenerstattung in einem "intelligenten System" stark ausgebaut werden. Viele Versicherte hätten den Eindruck, sie zahlten viel für die Krankenversicherung, ohne zu wissen, was einzelne Behandlungen und Diagnosen kosten. Das Ziel sei aber nicht nur, die Versicherten mit einer Rechnung darüber aufzuklären, sondern auch, die Versorgung besser zu steuern und die Zahl der Arztbesuche zu reduzieren.

Die Kassen warnten vor höheren Ausgaben bei einer Umsetzung der Pläne. "Hoffnung, dass Kostenerstattung zu niedrigeren Kosten führt, ist eine Illusion", sagte die Vorsitzende des GKV- Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Rechneten die Versicherten selbst mit dem Arzt ab, verlören die Kassen die Möglichkeit zur Kostensteuerung. Auch die Verwaltungskosten würden dann steigen. Die Vorstandsvorsitzende der BarmerGEK, Birgit Fischer, kritisierte, dass die Patienten unkalkulierbaren finanziellen Risiken ausgesetzt würden. Die Ärzte könnten höhere Honorare abrechnen, da sie nicht mehr an die mit den Krankenkassen vereinbarten Beträge gebunden seien. Die in Vorleistung getretenen Patienten erhielten hingegen nur eine Teilkostenerstattung in Höhe der Sachleistung. Für den Rest sei eine teure Zusatzversicherung erforderlich.

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) warnte vor einem Praxis-Sterben: "Ich gehe davon aus, dass sich bei flächendeckender Kostenerstattung die Zahl der Arztpraxen um rund 25 Prozent reduzieren wird", sagte Andreas Köhler. Denn eine flächendeckende Kostenerstattung wird nach seiner Ansicht die gesetzlich Versicherten zu einem kostenbewussten Verhalten veranlassen, so dass die Zahl der Arztbesuche zurückgeht. Dennoch befürwortet der KBV-Chef das Vorhaben, dass die Patienten die Arzt-Rechnung direkt bezahlen und die Kosten von ihrer Krankenkasse erstattet bekommen: "Bislang lastet die Kostensteuerung immer auf dem Arzt. Ich halte es aber für notwendig, dass auch der Versicherte Eigenverantwortung übernimmt."

Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Christian Lipicki, wies die Darstellung Köhlers zurück: "Es ist schlicht Unfug, dass wegen der Erweiterung der freiwilligen Möglichkeit zur Kostenerstattung ein Praxissterben drohen könnte." Es gebe "keinen sachlichen Grund, warum die Selbstverwaltung ihrem Auftrag, die flächendeckende ambulante Versorgung sicherzustellen, nicht auch in Zukunft nachkommen können sollte".

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