Deutscher Apothekertag 2010

Honorar statt Handelsspanne (und Rabatt)?

Klaus G. Brauer

Wie sollten Apotheker für ihre Leistungen bezahlt werden? Eher über ein festes Honorar, ganz unabhängig vom Arzneimittel, seinem Preis, sogar seiner Menge? Oder wie derzeit – über ein Mischsystem, mit einem vom Arzneimittelpreis unabhängigen Fixhonorar und einem kleinen prozentualen Aufschlag, der preisabhängige Kosten abdecken soll? Welche Rolle dürfen oder sollten Rabatte beim Einkauf spielen? War vielleicht sogar die bis zum Systemwechsel – Anfang 2004 – geltende Form der Arzneimittelpreisverordnung mit ihren preisabhängig degressiv gestaffelten Aufschlägen der vorzuziehende Ansatz? All diese Fragen tangieren Überlegungen und Einstellungen tief im Grundsätzlichen.

Die alte, bis Ende 2003 geltende Preisverordnung ist inzwischen aus dem Rennen. Ihr fehlt eine realistische Berechnungsgrundlage, seitdem es Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen gibt, bei denen die effektiv vereinbarten Preise im Dunkeln bleiben und Listenpreise Mondpreise sein können.

Bei der derzeit geltenden Spannenregelung deckt die prozentuale Komponente von 3% die preisabhängigen Kosten allerdings völlig unzureichend ab. Das gilt insbesondere für hochpreisige Arzneimittel. Ihre Bevorratung ist zu einem betriebswirtschaftlichen Risiko geworden. Mit Blick auf die Versorgungslage war das gerade noch erträglich, solange sich der Großhandel mit diesen Arzneimitteln großzügig bevorratete. Durch die im AMNOG vorgesehene Kappung seiner Spanne bei hoch- und höchstpreisigen Arzneimitteln auf 21 Euro könnte sich das ändern. Die schnelle Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln könnte damit zum Problem werden.

Von Befürwortern der gegenwärtigen Spannenregelung wird zu Recht ein Gewinn an Vertrauenswürdigkeit angeführt: Der Apotheker, im Ertrag vom Preis des konkreten Arzneimittels weitgehend abgekoppelt, profitiert nicht mehr von höherpreisigen Alternativen. Damit entfiel ein Hindernis, den Apothekern bei der Entscheidung über die Substituierbarkeit und bei der Auswahl unter substituierbaren Arzneimitteln mehr Verantwortung zu übertragen.

Diesen Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. Das Fixhonorar (8,10 Euro) und die prozentuale Komponente werden per Verordnung festgelegt, für den Rabatt, den Apotheken an die GKV abführen müssen (derzeit 1,75 Euro), gilt dies vielleicht bald auch wieder. Eine Dynamisierung dieser Honorarregelung politisch durchzusetzen, wird angesichts der absehbar zunehmenden Finanzierungsprobleme von GKV und PKV extrem schwer. Das lässt sich sogar bei den Honoraren der Ärzte beobachten – und die sind, machen wir uns nichts vor, im Vergleich zu uns Apothekern in einer wesentlich besseren Position. Die aktuelle Situation belegt dies: Den Ärzten wird ein "weniger vom vereinbarten Mehr" zugestanden, den Apotheken sollen existenzbedrohende Einschnitte aufgebürdet werden – über die Bande zwar, aber nicht weniger heftig.

Die Großhandelsspanne soll um 400 Mio. Euro gekürzt werden. Das sei mehr als das Doppelte der mageren Gesamtgewinne der Branche, rechnen Branchenvertreter vor. Wenn die Großhandelsunternehmen ihren status quo halten wollten, müssten sie, je nach Ausgangslage, die Einschnitte durch Rabattkürzungen mehr oder weniger komplett an die Apotheken durchreichen. Im Schnitt würde das zu einem Ertragseinbruch in Höhe von 23.000 Euro pro Apotheke führen – eine überzogene, für etliche Apotheken existenzbedrohende Belastung.

Dies im Blick meinte ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt, die Apotheker wollten beim 2004 eingeführten Mischsystem bleiben, obwohl es dabei bisher keinerlei Anpassung gegeben habe. Wenn die Rabatte des Großhandels entfielen, müsste aber die Festvergütung der Apotheker entsprechend erhöht werden. "Rabatte gehören nicht in unsere Philosophie" – sagte er mit Blick auf Jens Spahn (CDU), der zuvor betont hatte, Großhandelsrabatte gehörten "nicht zur Pflicht", sie hätten "nichts mit dem Versorgungssystem zu tun".

Das freilich ist gewagt. 2004, bei Einführung des neuen Systems der Apothekervergütung und Halbierung der Großhandelsspanne, hatte es noch geheißen, verbleibende Rabattmöglichkeiten würden als Funktionsrabatt akzeptiert. In der Tat: Solche Rabatte machen Sinn, wenn sie nicht – wie derzeit im AMNOG vorgesehen – marginalisiert werden. Sie erlauben kostengünstiges Bestellverhalten zu belohnen und kostentreibende Bestellungen zu sanktionieren. Das sind wichtige Anreize, auch für Rationalisierungsanstrengungen in den Großhandlungen; wer dabei die Nase vorn hat, hat mehr Spielräume im Wettbewerb um Apothekenkunden.

Wer diese Zusammenhänge ausblendet, setzt effizienzsichernde und effizienzsteigernde Anreizstrukturen außer Kraft, er zerstört das Design eines "Marktes", der im Gesundheitswesen sicher Besonderheiten und Zusatzelemente aufweist, aber gleichwohl wichtig ist, um Leistungen und Kosten zu optimieren.

Klaus G. Brauer


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