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Nobelpreis für künstliche Befruchtung

Mehr als 10% aller Paare weltweit sind unfruchtbar. Für viele von ihnen ist dies eine große Enttäuschung und für einige Ursache lebenslanger psychischer Traumata. Mit der In-vitro-Fertilisation (IVF) entwickelte der Physiologe Robert Edwards vor rund 50 Jahren ein Verfahren zur künstlichen Befruchtung, dem mittlerweile rund vier Millionen Kinder ihr Leben verdanken. Am 10. Dezember 2010 wird er dafür mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin und Physiologie geehrt.

Seine Grundlagenforschung zur Biologie der Befruchtung begann der britische Wissenschaftler Robert Edwards in den späten 1950er Jahren. Schon bald erkannte er, dass die Befruchtung außerhalb des Körpers eine mögliche Alternative für unfruchtbare Paare darstellen könnte. Denn andere Wissenschaftler hatten bereits gezeigt, dass Eizellen von Kaninchen durch die Zugabe von Spermien im Reagenzglas befruchtet werden können und auch zu Nachkommen führen. Edwards wollte daher untersuchen, ob ähnliche Methoden auch zur Befruchtung menschlicher Eizellen eingesetzt werden können. Dabei stellte sich allerdings heraus, dass menschliche Eizellen einen ganz anderen Lebenszyklus haben als die der Kaninchen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern fand Edwards in den folgenden Jahren heraus, wie menschliche Eier reifen, wie ihre Reifung durch verschiedene Hormone reguliert wird und zu welchem Zeitpunkt Eizellen für das befruchtende Spermium empfänglich sind. Zudem entdeckte er, wie Spermien aktiviert werden und unter welchen Bedingungen sie in der Lage sind, die Eizelle zu befruchten. Im Jahr 1969 hatten seine Bemühungen schließlich Erfolg: Es gelang ihm erstmals eine menschliche Eizelle im Reagenzglas, oder genauer gesagt in einer Zellkulturschale, zu befruchten. Trotz dieses Erfolges blieb ein großes Problem noch zu lösen. Das befruchtete Ei entwickelte sich nicht über eine einzige Zellteilung hinaus. Edwards vermutete, dass der Einsatz von Eiern, die in den Eierstöcken gereift waren, bevor sie für die In-vitro-Fertilisation entnommen wurden, mehr Erfolg versprach und suchte nach einer sicheren Methode, um solche Eier zu gewinnen.


Robert G. Edwards


Robert G. Edwards wurde 1925 in Manchester geboren. Nach dem Militärdienst im Zweiten Weltkrieg studierte er Biologie an der University of Wales in Bangor und an der Universität Edinburgh in Schottland, wo er 1955 mit einer Arbeit über die embryonale Entwicklung von Mäusen promovierte. 1958 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am National Institute for Medical Research in London und begann mit der Erforschung der menschlichen Befruchtung. Ab 1963 arbeitete Edwards in Cambridge, zunächst an seiner Universität und später an der Bourn Hall Clinic, dem weltweit ersten In-vitro-Fertilisations-Zentrum, das er zusammen mit Patrick Steptoe gründete. Dort war Edwards viele Jahre Leiter der Forschungsabteilung und Herausgeber mehrerer führender Fachzeitschriften auf dem Gebiet der Fertilisation. Derzeit ist Robert Edwards emeritierter Professor an der University of Cambridge.

Vom Experiment zur praktischen Methode

Edwards kontaktierte den Gynäkologen Patrick Steptoe, mit dem er die In-vitro-Fertilisation vom Experimentierstadium zu einer praktisch einsetzbaren Methode weiterentwickelte. Steptoe war ein Pionier der Laparoskopie, einer zu jener Zeit neuen und kontrovers diskutierten Technik. Sie erlaubte die Untersuchung der Eierstöcke mit einem optischen Instrument. Mithilfe des Laparoskops entnahm Steptoe aus den Eierstöcken reife Eizellen, die Edwards dann in seinen Zellkulturschalen mit Spermien befruchtete. Die befruchteten Eizellen konnten sich in der Tat mehrmals teilen und bildeten frühe Embryonen, die aus acht Zellen bestanden. Obwohl diese Studien recht vielversprechend waren, entschied sich das Medical Research Council, die Fortführung des Projekts nicht zu finanzieren. Private Spenden ermöglichten glücklicherweise die Fortsetzung der Arbeiten. Zugleich wurde die künstliche Befruchtung zum Gegenstand einer lebhaften ethischen Diskussion, die von Edwards selbst initiiert worden war. Einige geistliche Würdenträger, Ethiker und Wissenschaftler forderten das Projekt einzustellen, andere sprachen sich hingegen für eine Fortführung der Arbeiten aus.

Historisches Ereignis: Die Geburt von Louise Brown

Dank zusätzlicher Spendengelder konnten Edwards und Steptoe kontinuierlich weiter forschen. Durch die Analyse der Hormonspiegel ihrer Patienten waren sie in der Lage, den besten Zeitpunkt für die Befruchtung zu bestimmen und so die Chancen für deren Erfolg zu maximieren. Im Jahr 1978 kamen Lesley und John Brown zu Edwards und Steptoe, nachdem sie vorher neun Jahre lang vergeblich versucht hatten ein Kind zu zeugen. Die beiden Forscher führten eine In-vitro-Fertilisation durch und setzten das befruchtete Ei, nachdem es sich zu einem achtzelligen Embryo entwickelt hatte, in Mrs. Browns Gebärmutter ein. Am 25. Juli 1978 erblickte das gesunde Baby Louise nach einer voll ausgetragenen Schwangerschaft durch einen Kaiserschnitt das Licht der Welt. Edwards Vision war damit Wirklichkeit geworden und läutete die Ära der Reproduktionsmedizin ein.

Die IVF geht um die Welt

Edwards und Steptoe gründeten die Bourn Hall Clinic in Cambridge, das weltweit erste Zentrum für IVF. Bis zu seinem Tod im Jahr 1988 war Steptoe medizinischer Direktor der Einrichtung und Edwards blieb bis zu seiner Pensionierung Leiter der Forschungsabteilung. Gynäkologen und Zellbiologen aus aller Welt erlernten an der Bourn Hall Clinic die Technik der In-vitro-Fertilisation, die zugleich kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Bis 1986 hatten in Cambridge bereits 1000 Kinder dank der IVF das Licht der Welt erblickt, was etwa der Hälfte aller bis dahin geborenen Retortenbabys entsprach. Heute ist die In-vitro-Fertilisation ein weltweit etabliertes Verfahren, das seither wichtige Verbesserungen erfahren hat. Zum Beispiel kann mittlerweile ein einzelnes Spermium direkt in die Eizelle mikroinjiziert werden, wodurch sich, insbesondere für den Fall einer Unfruchtbarkeit des Mannes, die Erfolgsaussichten der IVF erheblich verbessert haben. Darüber hinaus können für die In-vitro-Fertilisation geeignete, reife Eizellen mittlerweile durch Ultraschall erkannt und mit einer feinen Spritze anstatt durch das Laparoskop entnommen werden.

Ein Meilenstein der modernen Medizin

Die IVF ist eine sichere und effektive Methode. 20 bis 30% der befruchteten Eizellen führen zur Geburt eines Kindes. Komplikationen wie Frühgeburten sind sehr selten, insbesondere dann, wenn nur ein befruchtetes Ei in die Gebärmutter eingesetzt wird. Langzeit-follow-up-Studien haben gezeigt, dass IVF-Kinder genauso gesund sind wie andere Kinder. Etwa vier Millionen Menschen verdanken ihr Leben mittlerweile der IVF. Viele von ihnen sind inzwischen erwachsen, einige haben bereits selbst Kinder geboren und damit den wohl besten Beweis für die Sicherheit und den Erfolg der In-vitro-Fertilisation geliefert. Robert Edwards nahm dabei auf dem gesamten Weg von der Grundlagenforschung bis zur praktisch angewendeten IVF-Methode stets eine Vorreiterrolle ein. Seine Forschungsbeiträge gelten daher mit Recht als ein Meilenstein in der Entwicklung der modernen Medizin.


Dr. Andreas Ziegler, Großhabersdorf

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