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Sawicki geht

BERLIN (ks). Peter Sawicki, noch Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), muss seinen Posten räumen. Vergangene Woche wurde im Vorstand der IQWiG-Stiftung lange über Sawickis Zukunft diskutiert. Am 22. Januar fiel die offizielle Entscheidung im Stiftungsvorstand. Diese war absehbar: Ende August wird der Vertrag des Mediziners auslaufen.
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Dr. Peter Sawicki Seine Zukunft liegt nicht mehr beim IQWiG. Ihm wurden Unregelmäßigkeiten bei der Nutzung des Dienstwagens sowie Spesenabrechnungen und Reisekosten angelastet. Die fachliche Seite seiner Arbeit stand nicht infrage.

Eigentlich hatte man bereits am 20. Januar eine Entscheidung erwartet. An diesem Tag beschäftigte sich der fünfköpfige Vorstand der IQWiG-Stiftung, in dem neben Vertretern der Kassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft auch Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer einen Sitz hat, mit dem Bericht der BDO Deutsche Warentreuhand Aktiengesellschaft. In diesem Bericht wurden einige Verhaltens- und Abrechnungsfragen des Institutsleiters behandelt – insbesondere wurden Sawicki Unregelmäßigkeiten bei der Nutzung des Dienstwagens sowie Spesenabrechnungen und Reisekosten angelastet. Sawicki hatte den Prüfbericht selbst in Auftrag gegeben und erhielt bei der Sitzung Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen und wies die Vorwürfe zurück.

Unabhängige und kritische Arbeit weiter erwünscht

Die offizielle Personalentscheidung erfolgte aus formal-juristischen Gründen jedoch erst zwei Tage später auf einer Sitzung des Stiftungsrates. In einer gemeinsamen Erklärung des Rates und des Vorstandes der Stiftung hieß es anschließend knapp, die vertragliche Amtszeit des IQWiG-Leiters laufe zum 31. August 2010 aus. Zugleich würdigten die Gremien die geleistete Aufbauarbeit und die bisherige Ausrichtung des Instituts: Die konsequente Fortsetzung dieser inhaltlichen Ausrichtung – unabhängig und kritisch – sei auch in Zukunft unverzichtbar. Obwohl die Vertreter der Kassen und der KBV im Grunde nichts gegen Sawicki einzuwenden hatten, fiel der Beschluss zu dessen Ungunsten letztlich einstimmig. Am Ende war offenbar auch Sawickis Befürwortern die gesamte Debatte um seine Person zu viel geworden: "Um die hervorragenden inhaltlichen Leistungen des Instituts nicht mit Diskussionen um ordnungsgemäße Verwaltungsabläufe zu belasten, halten Stiftungsrat und Vorstand die Fortsetzung der bisherigen Arbeit unter einem neuen Leiter ab 1. September 2010 für notwendig", heißt es daher in der gemeinsamen Erklärung. Die Nachfolge Sawickis soll nun öffentlich ausgeschrieben werden. Dem Vernehmen nach gibt es zwar schon einen Favoriten – doch formale Fehler kann sich die Regierungskoalition bei der Neubesetzung nicht leisten.

Sawicki selbst zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht und erklärte, er hätte "gerne weitergemacht". Dabei war seine im Jahr 2004 begonnene Arbeit keinesfalls ein Zuckerschlecken, immer wieder war der scheidende IQWiG-Chef scharfer Kritik – insbesondere aus der pharmazeutischen Industrie – ausgesetzt. Dass seine Tage als Institutsleiter gezählt sind, zeichnete sich jedoch bereits ab, bevor der Prüfbericht der BDO vorlag. In der neuen Regierungskoalition war man schon Ende letzten Jahres auf der Suche nach einem Nachfolger.

Opposition kritisiert Klientelpolitik

Obwohl auch seitens des Bundesgesundheitsministeriums beteuert wurde, dass die Personalie Sawicki in keiner Weise die Kosten-Nutzen-Bewertung infrage stelle und es keine Lockerungen der bestehenden Regelungen und Standards geben werde, übte die Opposition scharfe Kritik an der Entscheidung. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, hielt den Gesundheitspolitikern von Union und FDP vor, gemeinsam Klientelpolitik zugunsten der Pharmaindustrie zu betreiben. Sawicki sei einer der profiliertesten deutschen Vertreter der evidenzbasierten Medizin – ihn abzulösen, sei "der erste Schritt auf dem Weg der Koalition, die sinnvolle Arbeit des IQWiG weichzuspülen". Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach sprach von einer "rein politischen Entscheidung". Sawicki sei wegen seiner verbraucherorientierten Arbeit ohne Rücksicht auf Lobbyinteressen für FDP und Pharmaindustrie "nicht tragbar" gewesen, sagte er dem "Tagesspiegel". Für das Institut sei nun das Schlimmste zu befürchten. "Die FDP sucht einen Industrieknecht, der sich an den Umsätzen der Pharmakonzerne orientiert." Dadurch verkomme die Institutsarbeit "zur Farce", so Lauterbach. Martina Bunge von der Linksfraktion sprach von einem "herben Rückschlag für eine unabhängige Kosten-Nutzen-Bewertung". Mit der Entscheidung würden "alle enttäuscht, die sich ein unabhängiges Gegengewicht zur Übermacht der Pharmakonzerne wünschen".

VDPP warnt vor Rufschädigung

Kritik kam auch vom Verein Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP). "Die Entscheidung der IQWiG-Gremien droht den Interessen der Pharmaindustrie in die Hände zu spielen", sagte Florian Schulze vom Vorstand. Er verwies darauf, dass Union und FDP schon seit Langem forderten, Sawicki durch einen industriefreundlicheren Kandidaten zu ersetzen. Rösler habe noch im Sommer eine Erklärung unterschrieben, wonach die Bewertungsmethoden des IQWiG als nicht "volkswirtschaftlich hinnehmbar" bezeichnet wurden. Schulze: "Das IQWiG ist aber nicht gegründet worden, um auf Kosten der Versicherten die Renditeerwartungen der Pharmaindustrie zu bedienen." Um dem internationalen Ansehen des Instituts keinen schweren Schaden zuzufügen, sei es nötig, nun einen ähnlich kompetenten und durchsetzungsfähigen Kandidaten als Nachfolger zu bestimmen.

BPI setzt auf Neuanfang

Hoffnungsvoll gibt sich dagegen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI): "Wir setzen darauf, dass der personelle Neuanfang auch eine Besinnung auf den gesetzlichen Auftrag mit sich bringt. Und dieser heißt, dass das IQWiG eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach internationalen Standards einführen soll", erklärte die stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführerin Barbara Sickmüller. Bisher wolle das Institut mit seinem Effizienzgrenzenmodell einen neuen, international nicht etablierten Weg gehen. Nicht nur die pharmazeutische Industrie, sondern auch Wissenschaftler hätten hieran Kritik geübt. "Das bisherige Modell schneidet Deutschland von Innovationen ab und verschlechtert die Versorgung", so Sickmüller. Es gebe nun die Chance, einen wirklichen wissenschaftlichen Konsens zu erzielen und "sich nicht weiter in einen Irrläufer zu verlieren".

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IQWiG Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Berlin sucht einen neuen Leiter.
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Neue Leitung In der neuen Regierungskoalition war man schon Ende letzten Jahres auf der Suche nach einem Nachfolger für Peter Sawicki.

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