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Neue und alte Vorschläge

Thomas Müller-Bohn

Der erste Monat des Jahres ist noch nicht ganz vergangen, doch die Zeichen für nennenswerte Neuerungen im Arzneimittelmarkt mehren sich bereits. Ende voriger Woche wurde gemeldet, dass der Vertrag von Peter Sawicki als Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nicht verlängert wird. Ende August wird er seinen Posten nach fünf Jahren Amtszeit räumen. Noch bleibt offen, ob diese Personalie auch zu einer inhaltlichen Kurskorrektur führen wird. Doch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) meldete sich bereits mit dem Vorschlag zu Wort, die Preise für patentgeschützte Arzneimittel könnten künftig zwischen Herstellern und Krankenkassen ausgehandelt werden. Wenn solche Verträge für 30 Prozent der Versicherten gelten würden, könnte das Präparat den übrigen Krankenkassen zum Durchschnitt der ausgehandelten Vertragspreise angeboten werden, so der BPI-Vorschlag.

Dieses Modell würde transparente Verträge voraussetzen und böte den großen Vorteil, das zunehmend drängende Problem der steigenden Kosten für Innovationen auf dem Konsensweg anzugehen. So könnten wir eine schnelle und praktikable Umsetzung und damit baldige Einsparungen für die Krankenkassen erwarten. Bei der bisher vorgesehenen Festlegung eines Höchstbetrags wären dagegen lähmende Rechtsstreitigkeiten zu befürchten, zumal ein Höchstbetrag niemals rechtssicher aus pharmakoökonomischen Betrachtungen "errechnet" werden könnte. Die vorgeschlagenen Preisverhandlungen würden das IQWiG keineswegs überflüssig machen – im Gegenteil, denn gerade Verhandlungen erfordern pharmakoökonomische Analysen als solide Grundlage.

Doch nicht nur bei Innovationen, sondern auch auf dem Generikamarkt gibt es immerhin eine kleine Aussicht auf praxisnähere Lösungen. Denn kürzlich sprach sich sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihren gesundheitspolitischen Vorschlägen für Wirkstoffverordnungen aus. Die Ärzte sollten Wirkstoff und Dosierung auswählen, die Apotheker das Produkt. Wenn Ärzte und Apotheker künftig gemeinsam für diese alte Apothekerforderung werben, dürften die Chancen für die Umsetzung deutlich steigen. Zusammen mit dem Zielpreismodell könnten Wirkstoffverordnungen auch die nötigen Einsparungen sichern.

Spätestens die Rabattverträge sollten die letzten Vorbehalte der Ärzte gegen Wirkstoffverordnungen beseitigt haben. Denn de facto sind es jetzt ohnehin die Krankenkassen, die das Präparat auswählen, und längst nicht mehr die Ärzte. Im Vergleich dazu verspricht eine flexibel geregelte Auswahl in der Apotheke viel mehr Raum für besondere patientenorientierte Lösungen. Doch leider gibt es noch immer vereinzelte Stimmen, auch aus dem Ärztelager, die den Apothekern eine Auswahl nach Kriterien der Gewinnmaximierung statt im Interesse der Patientencompliance unterstellen. Wer so argumentiert, ignoriert aber die Preisbildung gemäß Kombimodell und die ökonomische Logik. Denn es gibt keinen Widerspruch zwischen Patientencompliance und Gewinnmaximierung in der Apotheke. Für die Apotheke ist es vorteilhaft, vorrätige Arzneimittel abzugeben, weil jede Nachbestellung für alle Beteiligten mühsam ist. Vorrätig ist meist das Arzneimittel, das der Stammkunde bisher erhalten hat. Außerdem ist das dem Patienten vertraute Produkt auch für die Apotheke vorteilhaft, weil die minimalen noch möglichen Einkaufsvorteile den Erklärungsaufwand und die möglichen Folgeprobleme bei einer Präparateumstellung niemals ausgleichen können. Patient und Apotheker haben gleichgerichtete Interessen. So spricht auch der ökonomische Anreiz ganz klar für die Arzneimittelauswahl in der Apotheke.

Die möglichen Probleme bei der Präparateauswahl in der Apotheke liegen an ganz anderer Stelle. Wie bei den Rabattverträgen muss rechtssicher festgelegt werden, welche Produkte überhaupt untereinander austauschbar sind. Daher muss endlich geklärt werden, ob 100 gleich 100 ist und bleibt oder ob Mathematik und gesunder Menschenverstand bei der Arzneimittelauswahl außer Kraft gesetzt werden sollen. Diese Frage drängt unabhängig davon, ob die Arzneimittelauswahl künftig mehr in der Apotheke oder am Rabattvertragsverhandlungstisch entschieden wird. Daher bleibt viel zu tun. Doch die Hoffnung auf konstruktive Lösungen hat neue Nahrung erhalten.

An anderer Stelle hat sich jedoch eine Hoffnung auf eine schnelle Lösung zerschlagen. Der GKV-Spitzenverband hat Klage gegen die Senkung des Kassenabschlages von 2,30 Euro auf 1,75 Euro erhoben. Damit wird die geplante Rückzahlung für 2009 zumindest aufgeschoben und auch für 2010 weiter mit 2,30 Euro Abschlag abgerechnet. Es mag befremdlich erscheinen, dass gegen einen Schiedsspruch überhaupt geklagt werden kann. Denn eine Schiedsstelle soll gerade entscheiden, was juristisch nicht zu entscheiden ist. Daher können die Sozialgerichte einen Schiedsspruch auch nur formal, aber nicht inhaltlich prüfen. Dennoch dürfte die endgültige Klärung sehr lange dauern. Vermutlich stehen bis dahin längst die Abschläge für 2010 und weitere Jahre zur Diskussion. Schlimmstenfalls drohen auch für die folgenden Jahre entsprechende Verfahren. So erweist sich die Verhandlungslösung an dieser Stelle leider als wenig praktikabel. Hoffentlich werden die möglichen neuen Wege zur Preisbildung bei Arzneimittelinnovationen rechtssicherer gestaltet.


Thomas Müller-Bohn

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