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2060: GKV-Beitrag über 50 Prozent?

KIEL (tmb). Das Fritz-Beske-Institut für Gesundheitssystemforschung (IGSF) in Kiel hat in zwei im September veröffentlichten Schriften Daten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hochgerechnet und Thesen für die langfristige Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland abgeleitet. Um die Ausgabendynamik des medizinischen Fortschritts auszugleichen, fordert Prof. Dr. Fritz Beske eine Konzentration der GKV auf ihren Kern.

In der Schrift über "Handlungsoptionen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung bei begrenzten Mitteln" (Band 117 der IGSF-Schriftenreihe) führt Beske seine schon früher präsentierten Thesen zur Gestaltung einer zukunftssicheren Krankenversicherung aus. Er unterstellt dabei, dass die Probleme der GKV durch Kostendämpfung, Beitragserhöhungen und Steuerzuschüsse nur gemindert werden können. Daher schlägt Beske vor, als primäre Aufgabe der GKV die Durchführung der nötigen medizinischen Maßnahmen im Krankheitsfall festzuschreiben. Alle Bürger sollten Versorgungssicherheit genießen, niemand dürfe durch Kosten für die notwendige Versorgung in existenzielle Not geraten, Alter dürfe kein Grund zum Leistungsausschluss sein und alle sollten am medizinischen Fortschritt teilhaben. Doch dürfe die GKV wegen der begrenzten Mittel nur in Krankheitsfällen leisten. Prävention und versicherungsfremde Leistungen, die aus familien-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen gewährt würden, müssten aus der GKV gestrichen werden, die Quersubventionierung anderer Etats durch die GKV müsse beendet werden. Außerdem sei eine Priorisierung medizinischer Leistungen angebracht, Leistungen müssten also innerhalb einer Indikation oder sogar innerhalb des gesamten Leistungsspektrums nach ihrer Bedeutung geordnet werden. Beske betrachtet Priorisierung als primär ärztliche Aufgabe, die insbesondere der Bundesärztekammer zu übertragen sei, während Rationierung eine politische Aufgabe sei. Priorisierung sei ethischer als die zunehmende stille Rationierung. Als entscheidende Voraussetzung für die öffentliche Diskussion zu diesen Themen fordert Beske, die Anerkennung der Probleme durch die Politik. "Anderenfalls läuft jeder, der sich dieser Problematik stellt und auch Lösungsvorschläge erarbeitet, Gefahr, hierfür diskriminiert und der sozialen Demontage beschuldigt zu werden", heißt es in der Zusammenfassung der Veröffentlichung.

Ausgabendynamik durch Fortschritt

Wie eine Bestätigung dieser Thesen wirkt die ebenfalls gerade veröffentlichte Schrift zur "Ausgaben- und Beitragssatzentwicklung der Gesetzlichen Krankenkassen bis 2060" (Band 118 der IGSF-Schriftenreihe). Auf der Grundlage der Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundesamtes und verschiedener Annahmen über den medizinischen Fortschritt hat Beske die Ausgaben und Beitragssätze hochgerechnet. Demnach würde der mittlere monatliche Beitrag im Zeitraum von 2010 bis 2060 nur von 142 auf 178 Euro steigen, der Beitragssatz damit von 14,9 auf 18,6 Prozent. Bei einem starken Anstieg der Lebenserwartung von Neugeborenen würden die Ausgaben auf 184 Euro und der Beitragssatz auf 19,3 Prozent steigen. Die weitaus größere Dynamik entsteht hingehen durch den medizinischen Fortschritt. Bei einer Ausgabensteigerung von nur einem Prozent jährlich läge der Beitragssatz im Jahr 2060 bei 30,6 bis 31,7 Prozent und bei zwei Prozent Ausgabensteigerung bei 50,1 bis 51,7 Prozent. Da diese Zahlen unrealistisch sind, betrachtet Beske die zuvor dargestellte Diskussion über Änderungen in der GKV als notwendig.

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