Aus der Hochschule

GA-Kongress in Berlin

An der Freien Universität Berlin, die offiziell als "Center of International Cooperations" ausgezeichnet ist, war kürzlich Internationalität angesagt: Vom 29. August bis 2. September fand dort die diesjährige Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneipflanzen- und Naturstoff-Forschung (GA) zusammen mit der 7. Tannin-Konferenz statt. Das umfassende Programm und sicher auch die attraktive Stadt hatten über 900 Teilnehmer aus 75 Ländern angelockt. Auch heuer wurden wieder drei Wissenschaftler für Arbeiten auf dem Gebiet der Arzneipflanzenforschung mit GA-Preisen bzw. der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet.
Zufriedene Kongressorganisatoren: GA-Präsidentin Brigitte Kopp (li.) bedankt sich bei den Professoren Matthias Melzig und Herbert Kolodziej (re.) und deren Team.
Fotos: GA

Ausgerichtet wurde der Kongress für die GA von den Professoren Dr. Matthias Melzig und Dr. Herbert Kolodziej und ihrem Team vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin. Für die vorausgegangene Tannin-Konferenz zeichnete Prof. Kolodziej verantwortlich. Vorbild und sicher auch themenmitbestimmend für die etwa 70 Vorträge und über 600 Poster war der große Berliner Naturforscher und Weltreisende Alexander von Humboldt, der bereits 1828 zur Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte namhafte Wissenschaftler aus ganz Europa nach Berlin eingeladen hatte.

Völlig neue Einblicke

Neben Beiträgen zu neuesten analytischen Methoden und aus ganz modernen Forschungsrichtungen wie etwa der "Molekularen Pflanzensystematik", wo mithilfe der DNA-Diagnostik völlig neue Einblicke in systematische Zusammenhänge gefunden werden, oder dem "Genomic Mining" zum Auffinden neuer molekularer Leitstrukturen und biologisch aktiver Sekundärstoffe gehörten Beiträge und Diskussionen zur Nutzung traditionellen Wissens über Arzneipflanzen unter Beachtung von Nachhaltigkeit und Qualität zu den Hauptthemen der Tagung. Auch fast 200 Jahre nach Humboldt sind Therapien auf der Basis von Arzneipflanzen und ihren Wirkstoffen für einen Großteil der Erdbevölkerung die wichtigsten Mittel ihrer medizinischen Grundversorgung. Zugleich sind sie eine unerschöpfliche Quelle für die moderne evidenzbasierte Phytopharmakotherapie und ein zukunftsorientierter Ansatz für die moderne Therapieforschung generell.


Der Kongress in Kürze


Die Abstracts des 58. Jahreskongresses der GA und der 7. Tannin-Konferenz vom 29. August bis 2. September 2010 in Berlin sind in Heft 12/2010 von Planta Medica (Bd. 76, S. 1163 – 1374), dem Wissenschaftsorgan der GA, erschienen und erhältlich im Thieme Verlag, Stuttgart. Kurzfassungen und Ergebnisse zu den Workshop-Diskussionen werden demnächst unter www.ga-online.org zugänglich gemacht.

Globales Umdenken erforderlich

In einem eindrücklichen Appell mahnte Prof. G. Cordell, Chicago, in seinem Eröffnungsvortrag "Sustainable drugs and global health care" (Nachhaltige Arzneimittel und weltweite Gesundheitsversorgung) einen sorgsamen Umgang mit der nicht unerschöpflichen Ressource Pflanze und ein globales Umdenken an: Bei einer Weltbevölkerung von fast sieben Milliarden Menschen sind allein für die Alltagsbedürfnisse dieser Menschen schon ein Großteil der natürlichen Ressourcen in einem erschreckenden Maße aufgebraucht. Um die medizinische Versorgungssicherheit generell und speziell von Entwicklungs- und Schwellenländern, deren traditionelle Medizinsysteme weitgehend auf der Verwendung von Heilpflanzen basieren, auch weiterhin zu gewährleisten, sind gesetzliche Maßnahmen zu ihrem Schutz wie auch hohe Standards bei ihrer Verarbeitung zu sicheren und wirksamen pflanzlichen Arzneimitteln (HMP) unumgänglich. Nur unter Einsatz moderner Arbeits- und Forschungsmethoden und auf der Basis von globalem Wissenstransfer kann dieses Ziel erreicht werden.

Nachhaltige Nutzung, rechtliche Aspekte der Verwendung des traditionellen Wissens in den Industrieländern, aber auch die internationale Kooperation bei der weiteren wissenschaftlichen Erforschung von isolierten pflanzlichen Wirkstoffen waren wichtige Diskussionsthemen.

Dem heurigen "Jahr der Biodiversität 2010" wurde in der special session "Möglichkeiten und Herausforderungen in der Nutzung der Biodiversität unter Erfüllung der UN Convention on Biological Diversity (CBD)" Tribut gezollt. Auch 17 Jahre nach dem Inkrafttreten erweist sich die Umsetzung der CBD-Prinzipien noch als ziemlich schwierig und oft unbefriedigend. Vieles ist zu ungenau definiert, vieles wurde von modernen Entwicklungen bereits wieder überholt.

Andrang bei aktuellen Themen-Workshops

Großen Anklang fanden die Workshops zu aktuellen "heißen" Themen, die von den Fachleuten der speziellen permanenten Komitees der GA angeboten wurden.

Auf Einladung von Prof. A. Vlietinck, Antwerpen, und Prof. Susanne Alban, Kiel, den Vorsitzenden des Komitees "Regulatory Affairs", diskutierten Vertreter aus Behörden, Industrie und Universitätsforschung über den Stellenwert von Nutzen-Risiko-Analysen bei pflanzlichen Arzneimitteln in regulatorischer Hinsicht. Prof. Veronika Butterweck, Gainsville, Florida, hatte als Leiterin des Komitees Pharmakologie pflanzlicher Arzneimittel zum Thema "Polyphenole bei kardiovaskulären Erkrankungen" eingeladen.

Weitere Workshops befassten sich mit den "Möglichkeiten der Biotechnologie im Anbau und der Kultivierung von Arzneipflanzen" (Vorsitz Prof. J. Novak, Wien) und mit dem Einsatz von gekoppelten analytischen Methoden ("hyphenated techniques") in der Qualitätskontrolle pflanzlicher Arzneimittel (Vorsitz Dr. C. Erdelmeier, Karlsruhe).

Bei den inzwischen schon etablierten Workshops für junge Forscher auf dem Gebiet der Arzneipflanzen- und Naturstoffforschung präsentierten und diskutierten Doktoranden aus aller Welt ihre Erfahrungen und Probleme mit einem ebenfalls noch jungen, internationalen Wissenschaftlerteam aus GA-Reihen. Die besten Beiträge zu den Themen "Zelluläre und molekulare Wirkmechanismen von Naturstoffen und Arzneipflanzen" und "Leitstrukturen aus der Natur – Herausforderungen und Fallstricke klassischer und moderner Methoden" wurden mit Preisen bedacht (gestiftet von der Fa. Bionorica).


"Die wissenschaftliche Jugend muss gefördert werden" ist eine Devise der GA. Dazu dienen auch Reisekostenzuschüsse. Hier die glück­liche Gewinner mit GA-Präsidentin Kopp und Travel Grant Chair Prof. Marston, Südafrika.

Ehrungen und Preise

Für seine über 25-jährige aktive Mitarbeit im erweiterten GA-Vorstand und sein Engagement als Vorsitzender des permanenten GA-Komitees für regulatorische Belange bei pflanzlichen Arzneimitteln wurde Prof. Dr. Arnold Vlietinck, Antwerpen, von GA-Präsidentin Prof. Brigitte Kopp, Wien, mit der Ehrenmitgliedschaft der GA ausgezeichnet.

Der mit 1500 Euro dotierte Egon Stahl-Preis in Bronze für herausragende Promotionsarbeiten junger Wissenschaftler ging heuer an Dr. Melanie Laszczyk aus Freiburg. Sie hatte den erfolgversprechenden topischen Einsatz von Birkenkorkextrakt, kurz Betulin, bearbeitet. Ihre Arbeit mit dem Titel: "Triterpentrockenextrakt aus Birkenkork (Betulae albae cortex) – Untersuchungen zur chemischen Zusammensetzung, Galenik, Penetration und pharmakologisch-biologischen Wirkung" umfasste die Analyse der chemischen Zusammensetzung des Extraktes, In-vitro-Studien zur antitumoralen und entzündungshemmenden Wirkung sowie die Begleitung von Studien zu unterschiedlichen dermatologischen Problemen, u. a. chronischem Pruritus oder strahlen- und chemotherapeutisch bedingten Hautveränderungen.

Der von der Firma Schwabe gestiftete und mit 10.000 Euro dotierte Dr. Willmar Schwabe-Preis der GA würdigt herausragende pharmakologische oder klinische Forschung an Arzneipflanzen und Naturstoffen von jüngeren Wissenschaftlern. Gemeinsam verliehen GA-Präsidentin Kopp und Dr. G. Meng, Fa. Schwabe, den Preis an Prof. Dr. Jürg Gertsch, Universität Bern. Unter dem Titel "Playing with bioactive natural products: Looking for molecular dei ex machina” berichtete Gertsch anschließend über seine Arbeit mit bioaktiven Naturstoffen, die in die Signaltransduktion des Endocannabinoid-Systems eingreifen. Mit der Entdeckung, dass β-Caryophyllen an den CB2-Rezeptor bindet, wurde erstmals ein Link zwischen der Ernährung und dem CB2-Rezeptor gefunden. Ziel seiner Forschung ist, die Rolle des Endocannabinoid-Systems in entzündlichen Prozessen besser zu verstehen und letztendlich in Zusammenarbeit mit der Industrie neue Arzneistoffe zu entwickeln.

Wie jedes Jahr erhielten sieben junge Wissenschaftler für besonders gute Kongressbeiträge Reisekostenzuschüsse von der GA. Die Autoren der fünf besten Poster wurden mit Geldpreisen belohnt.

Drei verdiente und berühmte Berliner Professoren und Arzneipflanzenforscher feierten in diesem Jahr runde Geburtstage und wurden in einer ihnen gewidmeten Vortragsreihe geehrt: Prof. Dr. Rudolf Hänsel, langjähriger Vorstand des Instituts für Pharmazeutische Biologie in Berlin, der 1964 den GA-Kongress in Berlin ausgerichtet hatte, vollendete sein 90. Lebensjahr, und die Professoren Dr. Karl Hiller und Dr. Heinz Schilcher wurden 80 Jahre alt.

In der alljährlichen Mitgliederversammlung der GA wurde u. a. auch der Austragungsort des nächstjährigen internationalen 59. GA-Kongresses angekündigt: Er findet vom 4. bis 9. September 2011 in Antalya, Türkei, statt (Website: www.ga2011.org).


Dr. Renate Seitz, Emmering

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.