DAZ aktuell

Länder wollen keine Mehrkostenregelung

BERLIN (ks). Neben der Forderung, das Pick-up-Verbot wieder aufzugreifen (siehe AZ 2010, Nr. 37, S. 8), hat der Gesundheitsausschuss des Bundesrats am 8. September eine Reihe weiterer Änderungsanträge zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) beschlossen. Unter anderem sprach er sich gegen die geplante Mehrkostenregelung bei Rabattverträgen sowie die beabsichtigte Verschärfung der Substitutionsregelung aus.
Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat am 8. September eine Reihe weiterer Änderungsanträge zum Arzneimittelmarktneuordnungs-
gesetz beschlossen.
Foto: Bundesrat

Die Mehrkostenregelung wurde mit der Begründung abgelehnt, sie erhöhe den bürokratischen Aufwand. Zudem werde die Wirksamkeit der Rabattverträge gefährdet, da die Krankenkassen den Herstellern keine Abnahmegarantie mehr gewähren könnten. Überdies könne die Regelung zu erheblichen finanziellen Zusatzbelastungen bei Patienten führen. "Sofern im Einzelfall therapeutische Gründe vorliegen, können Patienten bereits heute nicht rabattierte Arzneimittel ohne Mehrkosten erhalten" heißt es in der Begründung. Ganz konsistent ist die Argumentation allerdings nicht. Ein weiteres Mal ist die Mehrkostenregelung im AMNOG-Kabinettsentwurf angesprochen. Hier heißt es in der Begründung des Änderungsantrages der Länder, die Einführung einer Mehrkostenregelung sei sinnvoll, da sie den Patienten mehr Wahlfreiheit lasse.

Präzisierung der Substitutionsregelung

Auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Verschärfung der Substitutionsregelung lehnte der Ausschuss ab. Er fordert eine Präzisierung der aktuell bestehenden Formulierung. Eine Substitution soll demnach nur erfolgen, wenn die Indikationsbereiche des verordneten und des abzugebenden Arzneimittels gleich sind. Gleicher Indikationsbereich bedeute dabei nicht, dass das abzugebende Präparat die gleiche Anzahl von Indikationen aufweisen muss wie das verordnete. Es müsse alle Indikationen des verordneten Arzneimittels abdecken, könne darüber hinaus aber weitere Indikationen umfassen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Fachinformation des abzugebenden Arzneimittels in jedem Fall die Indikation aufführt, die der ärztlichen Indikation zugrunde liegt.

Zur geplanten Novellierung der Packungsgrößenverordnung legt der Ausschuss gleich mehrere Änderungsanträge vor. Einer sieht eine komplette Streichung des einschlägigen Artikels aus dem Gesetzentwurf vor. Findet sich hierfür keine Mehrheit, soll die geplante wirkstoffbezogene Berechnung der Messzahlen im Hinblick auf die Therapiedauer für den Bestandsmarkt erst am 1. Juli 2012 Anwendung finden. Ein entsprechender Änderungsantrag (siehe DAZ 2010, Nr. 36, S. 18) ist auch seitens der Regierungskoalition geplant. Darüber hinaus möchten die Länder Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen Homöopathie und Anthroposophie von dem neuen Berechnungssystem ausnehmen und ihnen entsprechend einer neuen Anlage 1 festgelegte Messzahlen zuteilen.

Umstrittene Zwangsabschläge

Ein weiterer Änderungsantrag betrifft das Inkassoverfahren bei den Herstellerabschlägen. Durch die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung soll sichergestellt werden, dass bei unterschiedlicher Auffassung bezüglich dieser Zwangsabschläge die Durchsetzung des Anspruchs direkt zwischen den begünstigten Krankenkassen und dem jeweiligen Arzneimittelhersteller innerhalb von sechs Monaten zu regeln ist. Zudem spricht sich der Ausschuss für eine Ausnahme von Importarzneimitteln vom auf 16 Prozent erhöhten Zwangsrabatt aus.

Frühe Nutzenbewertung

Weitere Änderungsanträge betreffen die geplante frühe Nutzenbewertung. Hier sollen die Anhörungs- und Beteiligungsrechte der Unternehmen sowie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens gestärkt werden. Dazu sollen nach Auffassung des Gesundheitsausschusses auch in diesem frühen Verfahren mündliche Anhörungen durchgeführt und die von den pharmazeutischen Unternehmern eingereichten Stellungnahmen vom Gemeinsamen Bundesausschuss gewürdigt werden. Zudem sollen Orphan Drugs von dem Verfahren der frühen Nutzenbewertung ausgenommen werden. Diese Arzneimittel sollen aus Sicht des Bundesrats gleich nach dem erstmaligen Inverkehrbringen dem neuen Preisverhandlungsverfahren zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellern zugeführt werden. Die Vereinbarung der Erstattungsbeträge sollte dabei unmittelbar auf der Grundlage der Kommissionsentscheidung zur Ausweisung als Orphan Drugs erfolgen. Dies wird damit begründet, dass die Orphan Drugs bereits mit deren Ausweisung einen Beleg für ihren Zusatznutzen erbracht hätten.

Kein allgemeines Wettbewerbsrecht für die Kassen

Die Vorschrift, mit der das allgemeine Wettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen für die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt werden soll, will der Gesundheitsausschuss des Bundesrats gestrichen sehen. Die Bedeutung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen sei mit dem in der gewerblichen Wirtschaft nicht vergleichbar. Der Wettbewerb der Krankenkassen eröffne keine privatrechtlich geordneten Handlungsspielräume, sondern habe lediglich eine dienende Funktion zur Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben. Zudem melden die Länder verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegenüber der Regelung an. Auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Zuweisung des Rechtsschutzes in Vergabestreitigkeiten zu den Zivilgerichten wird als nicht sinnvoll bezeichnet und daher abgelehnt.

Abstimmung im Bundesrats-Plenum offen

Die Beschlüsse des Gesundheitsausschusses sind lediglich Empfehlungen an das Plenum des Bundesrates, das am 24. September im ersten Durchgang das AMNOG beraten wird. Die Abstimmung im Bundesrat selbst ist offen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass im Bundesrat die Bundesländer entsprechend ihrer Größe eine unterschiedliche Anzahl von Stimmen haben, wohingegen in den Ausschüssen jedes Land unabhängig von der Größe jeweils nur eine Stimme hat. Im Übrigen bedarf das AMNOG nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Der Zeitplan zum AMNOG


Nicht nur die Pharmaindustrie ist vom Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) betroffen, auch die Apotheken werden dessen Auswirkungen spüren. Mit welchen Einsparungen die Apotheken durch eine mögliche Umstellung und Kürzung der Großhandelsspanne rechnen müssen, und ob nun Pick-up-Stellen abgeschafft werden oder nicht, ist noch offen und in der Diskussion. Nun geht das Gesetzgebungsverfahren in seine letzte Phase. Hier ist der Zeitplan für die weiteren Beratungen:

Am 24. September 2010 wird der Bundesrat im ersten Durchgang das AMNOG und die Empfehlungen des Gesundheitsausschusses beraten.

Nach der für den 29. September 2010 stattfindenden Öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages ist die 2. und 3. Lesung im Bundestag für den 11. und 12. November 2010 vorgesehen. Nach den abschließenden Beratungen im Bundesrat am 17. Dezember 2010 soll das AMNOG am 1. Januar 2011 in Kraft treten.

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