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Warum Spinat stark macht

Was Generationen von Eltern bereits wussten und der Matrose Popeye immer wieder eindrucksvoll zeigte, stellten Wissenschaftler vom Biotech Center der Rutgers Universität, New Jersey, jetzt in einer Studie fest: Spinat macht tatsächlich stark. Verantwortlich für den Effekt sind einem Team um Jonathan Gorelick-Feldman zufolge Phytoecdysteroide.

Phytoecdysteroide sind pflanzliche Inhaltsstoffe, die mit Steroidhormonen von Insekten vergleichbar sind. Bei vielen Insekten können sie die Häutung auslösen – und offenbar wirken sie auch auf den Menschen. Die Wissenschaftler aus New Jersey stellten einen Spinatextrakt her und testeten die Auswirkungen auf Muskelzellen von Mäusen und Menschen. In diesen In-vitro-Versuchen konnten die Phytoecdysteroide die Proteinbiosynthese um bis zu 20 Prozent erhöhen. In In-vivo-Versuchen an Ratten konnte deren Vorderpfoten-Greifkraft erhöht werden [1].

Untersuchungen am Institut für Biochemie in Szeged, Ungarn, ergaben, dass die Effekte auf Muskelgröße und Muskelkraft mit denen androgener Steroide vergleichbar sind. Die Ecdysteroide binden allerdings nicht an zytoplasmatische Zellrezeptoren für Steroide. Sie haben vielmehr Strukturähnlichkeit mit Vitamin D3. Die Verbindung zwischen Muskelfunktion und Vitamin-D-Status ist in der medizinischen Literatur mehrfach belegt [3]. Sie wird von den amerikanischen Wissenschaftlern unterstützt. In Zelllinien des Skelettmuskels von Mäusen bewirkte 20-Hydroxyecdyson, ein verbreitetes Ecdysteroid bei Insekten und Pflanzen, einen raschen Calciumeinstrom in die Muskelzelle, gefolgt von anhaltender Muskelaktivierung und Proteinbiosynthese. Diese Wirkung wird gehemmt durch einen Hemmstoff des G-Protein gekoppelten Rezeptoren, einen Phospholipase C- sowie Phosphoinositid Kinase 3-Hemmer [4].

Bei Eisen nicht spitze

Spinat besitzt innerhalb der Gemüsearten auch einen hohen Gehalt an Eisen, jedoch nicht wie lange angenommen einen Spitzenwert. Der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge hatte 1890 den Eisengehalt von Spinat zwar richtig berechnet, doch bezogen sich seine Angaben auf getrockneten Spinat, wurden aber später irrtümlich frischem Spinat zugeschrieben, der zu ca. 90% aus Wasser besteht. 100 Gramm frischer Spinat enthalten also ca. 3,5 mg Eisen und nicht außergewöhnliche 35 mg. Weiter enthält Spinat Oxalsäure und reichert überdurchschnittlich viel Nitrate aus dem Boden an, besonders wenn er nicht im Freiland gezogen wird.

Pflanzen wie Spinat enthalten ein großes Reservoir von Ecdysteroiden. Die Überlegungen der Wissenschaftler gehen daher in die Richtung, dass Ecdysteroide eine vielversprechende nebenwirkungsfreie Alternative zu anabolen Steroiden sein könnten [2]. Allerdings werden die kleinen Mengen aus Popeyes Spinatdosen wohl nicht ausreichen für eine Verwandlung in einen Kraftprotz. Rechnet man die in den Tierversuchen verwendeten Mengen um, müsste ein Mensch mehr als ein Kilo Spinat täglich essen, um eine Wirkung zu spüren. Möglicherweise werden findige Chemiker bald jedoch in der Lage sein, die Moleküle so zu modifizieren, dass sie effektiver sind und dann nicht mehr kiloweise Blattspinat verzehrt werden müsste, um anabole Effekte zu ermöglichen. Dann könnten die "Body-Building-Mucki-Buden" durch Spinat-Imbisse verdrängt werden oder Fahnder auch nach illegalen Ecdysteroiden aus den Laboren von gewissenlosen Dopingärzten suchen müssen.

Literatur: [1] Gorelick-Feldman, J et al.: J. Agricol. Food Chem. 2008; 56(10): 3532 – 3527 [2] Bathori, M et al.: Curr. Med. Chem. 2008; 15(1): 75 – 91 [3] Toth, N. et al.: Curr. Med. Chem. 2010; 17(18): 1974 – 1994 [4] Gorelick-Feldman- J et al.: Steroids 2010; 75 (10): 632 – 637

 


Autor

Apotheker Jens Bielenberg

Raphael-Apotheke

25364 Westerhorn

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