Arzneimittel und Therapie

Neue Indikationen für einen alten Wirkstoff?

Zwei kleinere Studien weisen auf potenziell neue Indikationen für Allopurinol hin. So konnten durch das Gichtmittel die Belastbarkeit bei Angina pectoris verbessert und die Progression von Nierenerkrankungen verlangsamt werden. Das Urikostatikum Allopurinol und sein Hauptmetabolit Oxipurinol verringern die Harnsäurebildung durch Hemmung der Xanthinoxidase, die bei der Oxidation von Hypoxanthin zu Harnsäure eine wichtige Rolle spielt. Infolgedessen werden Harnsäure- und Uratspiegel in den Körperflüssigkeiten und im Urin gesenkt.

Experimentelle Befunde zeigen, dass Xanthinoxidase-Inhibitoren den Sauerstoffbedarf des Herzmuskels verringern können. Allopurinol hemmt den Abbau von Purin zu Harnsäure durch die Inaktivierung der Xanthinoxidase. Xanthinoxidase erhöht bei der Bildung von Harnsäure den Sauerstoffverbrauch. Daher sollte die Hemmung der Xanthinoxidase die Sauerstoffversorgung im ischämischen Gebiet verbessern. Dieser Theorie zufolge müssten daher auch Patienten mit einer Angina pectoris von einer Therapie mit Allopurinol profitieren. In einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Cross-over-Studie wurde diese Hypothese überprüft.

Studie mit Koronarpatienten

Für die in England durchgeführte Studie wurden 65 Patienten ausgewählt, die unter einer angiographisch bestätigten Koronarerkrankung litten. Neben ihrer üblichen Medikation erhielten Probanden der Verum-Gruppe zusätzlich einmal täglich 600 mg Allopurinol, die Teilnehmer der Vergleichsgruppe ein Placebo. Nach sechs Wochen wurde die Medikation getauscht, so dass alle Teilnehmer beide Behandlungen erhielten. Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zur ST-Streckensenkung. (Anmerkung: Die ST-Streckensenkung ist eine EKG-Veränderung, die bei einer belastungsinduzierten myokardialen Ischämie auftritt). Sekundäre Endpunkte betrafen die Belastungszeit und die Dauer der Schmerzfreiheit unter Belastung. Die Behandlung mit Allopurinol verlängerte im Vergleich zur Placebo-Therapie die Zeit bis zum Auftreten einer ST-Streckensenkung signifikant um 43 Sekunden. Auch die Gesamtbelastungsdauer (+ 58 Sekunden) und die Zeit bis zum Auftreten von Brustschmerzen (+ 38 Sekunden) wurde durch Allopurinol signifikant verlängert.

Die Autoren der Studie sehen – sollte sich der Benefit auch in größeren Untersuchungen zeigen – in Allopurinol eine praktikable, günstige und sichere anti-ischämische Behandlungsmöglichkeit. Vor allem für Patienten in Entwicklungsländern, in denen der Zugang zu teuren Medikamenten und aufwendigen invasiven Verfahren (Bypass oder Angioplastik) nicht in Frage kommt, stünde mit dem Gichtmittel eine sichere und billige anti-ischämische Therapie zur Verfügung.

Studie mit Nierenkranken

In einer spanischen Studie wurde Allopurinol bei nierenkranken Patienten eingesetzt. In die prospektive, randomisierte Studie wurden 113 Patienten eingeschlossen, deren glomuläre Filtrationsrate unter 60 ml/min lag. Sie erhielten während zwei Jahren entweder einmal täglich 100 mg Allopurinol oder ihre bisherige Medikation. Festgehalten wurden unter anderem die Harnsäurewerte, Entzündungsparameter (C-reaktives Protein), das Fortschreiten der Nierenerkrankung, kardiovaskuläre Ereignisse und Krankenhausaufenthalte. Nach zwei Jahren waren in der Allopurinol-Gruppe Entzündungsparameter und Harnsäurewerte signifikant gefallen und die glomuläre Filtrationsrate signifikant angestiegen. Das heißt, die Progression der Nierenerkrankung war in der Allopurinol-Gruppe verlangsamt. Ferner traten unter der Allopurinol-Therapie weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf (Abnahme um 71%) und das Hospitalisierungsrisiko sank um 62%.

Quelle Noman A., et al.: Effect of high-dose allopurinol on exercise in patients with chronic stable angina: a randomised, placebo controlled crossover trial. Lancet (2010) 375, 2161 – 2167. Antony R., et al.: Allopurinol for chronic stable angina: old drug, new tricks? Lancet (2010) 375, 2126 – 2127. Goicoechea M., et al.: Effect of allopurinol in chronic kidney disease progression and cardiovascular risk. Cl. J. Am. Soc. Nephrol. Online 10. Juni 2010; DOI: 10.2215/CJN.01580210.

 


 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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