DAZ aktuell

"Mindestens ein Drittel der Infektionen wäre vermeidbar"

LÜBECK (diz). Der Unglücksfall an der Kinderklinik Mainz, bei dem drei Säuglinge durch verunreinigte parenterale Nährlösungen starben, geht nicht auf mangelnde Hygiene bei der Herstellung der Lösungen zurück. Eine defekte Infusionsflasche gilt als Ursache der Verkeimung. Dennoch, der Fall löste eine bundesweite Diskussion um Hygiene in Krankenhäusern aus.
Bärbel Christiansen

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will mit den Bundesländern über neue Regelungen zur Hygiene in deutschen Krankenhäusern beraten. Ein bundesweites Hygienegesetz ist im Gespräch. Die FDP spricht sich dafür aus, dass an jedem Krankenhaus in Deutschland Hygienebeauftragte die Verantwortung für diesen Bereich übernehmen. Auch Krankenhausapotheker halten es durchaus für sinnvoll, dass ein bundesweit einheitliches Gesetz die Hygiene auf Station verbessern könnte. Im Bereich der Klinikapotheken seien die Vorschriften allerdings schon heute ausreichend, wie Klaus Tönne, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) gegen-über DAZ.online betonte. Allerdings liege das Problem ganz einfach darin, dass sich manche Personen nicht ausreichend die Hände waschen und desinfizieren. Dafür gebe es schon sehr lange Regeln und Richtlinien – "da nutzt auch ein Bundesgesetz nichts", so Tönne. Über Hygiene an Kliniken sprachen wir auch mit Dr. Bärbel Christiansen, Krankenhaushygienikerin an der Uniklinik Schleswig-Holstein, stellvertretende Vorsitzende der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut.



DAZ: Wie ist es um die Hygiene an Krankenhäusern bestellt? Haben wir ausreichende Vorschriften?

Christiansen: Wir haben ausreichende Empfehlungen, die aber wegen nicht ausreichender Verbindlichkeit zum Teil nicht konsequent umgesetzt werden.


DAZ: Werden die Vorschriften eingehalten und wird die Einhaltung auch überprüft? Ist das Personal nachlässiger geworden?

Christiansen: Die Empfehlungen werden zum großen Teil eingehalten außer in Fällen wie oben erwähnt. Die Überwachung erfolgt gemäß Infektionsschutzgesetz durch die Gesundheitsämter oder damit beauftragte Behörden. Bezüglich Arzneimittel gibt es eigene gesetzliche Vorgaben, die entsprechend in der Regel von anderen Behörden überwacht werden. Aus meiner Erfahrung kann ich nicht bestätigen, dass das Personal nachlässiger ist als früher, es fehlt aber nach wie vor viel hygienisches Wissen in den Kliniken.


DAZ: Wie groß ist die Infektionsgefahr generell für Patienten?

Christiansen: Aus Daten unterschiedlicher Studien geht man von einer durchschnittlichen nosokomialen Infektionsrate von ca. 3,5 bis 6% bei den in den Kliniken behandelten Patienten aus, auf Intensivstationen ist die durchschnittliche Rate deutlich höher (ca. 15%).


DAZ: Wie viele Infektionen wären heute durch eine bessere Einhaltung der Hygienevorschriften vermeidbar?

Christiansen: Mindestens ein Drittel, in bestimmten Bereichen auch die Hälfte.


DAZ: Was kann man tun? Mehr Hygienefachpersonal? Bessere Überwachung?

Christiansen: Beides ist notwendig, um einerseits das Wissen um aseptisches Arbeiten zu verbessern und andererseits die Umsetzung des Wissens nachhaltig zu fördern.


DAZ: Frau Dr. Christiansen, vielen Dank für das Gespräch!

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