Klinik und Pathogenese des Parkinson-Syndroms
Inhaltsverzeichnis
- Klinik und Pathogenese
- Antiparkinsonmittel
- Pharmakotherapie des Parkinson-Syndroms
- Leitliniengerechte Therapie
- Klinische Fälle
- Pharmako-logisch! auf einen Blick
- Literaturverzeichnis
- Lernen und Punkten
Das Krankheitsbild
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist das wichtigste primäre Parkinson-Syndrom, die hereditären Parkinson-Formen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Beim IPS steht die Degeneration der Substantia nigra compacta (SNC) im Vordergrund. Das IPS muss zum Verständnis seiner Pathogenese und seiner Therapie von den sekundären Parkinson-Formen abgegrenzt werden. Wenn nicht anders vermerkt, ist hier mit dem Parkinson-Syndrom immer die idiopathische Form gemeint.
Es lassen sich je nach Dominanz der Symptome Unterformen definieren:
- Tremor als dominante Störung: meist früher Beginn; vor allem motorische Symptomatik.
- Akinese und Rigor als Hauptstörung: später Beginn, vegetative Störungen; je später der Beginn desto häufiger demenzielle Symptome.
Genetische Ursachen: bei 2 bis 3% der Patienten mit einer IPS-Symptomatik lassen sich genetische Defekte nachweisen; 50% davon zeigen einen frühen Beginn.
Die dominanten Symptome: Störungen der Bewegung
Die Parkinson-Krankheit ist eine sich langsam entwickelnde chronische neurologische Störung. Sinkt der Dopamin-Gehalt im Striatum um 60 bis 70%, kommt es zu klinisch relevanten motorischen Störungen. Diese Veränderungen werden differenziert in die Kardinalsymptome Akinese bzw. Bradykinese sowie in die drei Hauptsymptome Rigor, Ruhetremor und Bradyphrenie (Tab. 1). Die Patienten leiden unter einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit ("Gebunden-sein") bis hin zu abrupten Unterbrechungen von Bewegungen ("freezing"). Besonders die Initiierung von Bewegungen ist eingeschränkt, das Gangbild ist ebenso beeinträchtigt wie die Feinmotorik.
Tab. 1: Hauptsymptome des Morbus Parkinson
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Akinese/
Bradykinese |
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Rigor
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Ruhetremor
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Bradyphrenie
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Unser Nervensystem ist gefüllt mit oszillierenden, sich gegenseitig aktivierenden Regelkreisen, die durch hemmende Netzwerke unterdrückt werden. Es ist oftmals eher der Wegfall der Hemmungen als eine erhöhte Grundaktivität, die überschießende oder fehlerhafte Bewegungen wie Tremor oder Dyskinesien hervorruft. Jeder weiß, wie schwierig es ist, die ausgestreckten Hände ruhig und ohne Grundzittern zu halten.
Psychische und kognitive Veränderungen
Neben der Substantia nigra degenerieren auch andere Kerngebiete im Gehirn wie der Locus coeruleus, der Nucleus raphe oder der Nucleus basalis Meynert. Beim fortgeschrittenen Parkinson sind 30 bis 50% dieser Neurone degeneriert. Damit gehen noradrenerge und cholinerge Neuronen verloren. Es entwickeln sich affektive Symptome, Störungen vegetativer Funktionen und kognitive Defizite.
- Depressive Störungen: Die Parkinson-Krankheit geht einher mit einer hohen Komorbidität (25 – 40%) für depressive Verstimmungen, die bei retrospektiver Analyse oftmals den motorischen Störungen vorausgehen. Sie werden oft verkannt, da Bradyphrenie und Bradykinese als typische Symptome die entsprechenden depressiven Signale überdecken.
- Kognitive Defizite und demenzielle Symptome bis hin zum Vollbild einer Demenz bei 30 bis 80% gelten als die wesentliche Langzeit-Komplikation. Bei Parkinson-Patienten entwickelt sich die Demenz früher als bei Menschen ohne Parkinson.
- Verlangsamte Denkabläufe
- Halluzinosen und Psychosen (verstärkt durch Dopamin-Agonisten)
- Schmerzen und Dysästhesien
- Die nicht-dopaminergen Störungen sind im Gegensatz zu den motorischen Störungen nicht sichtbar, aber zeigen das Spektrum der degenerativen Prozesse (Parkinson ist eine Spektrum-Erkrankung), die im Hintergrund ablaufen und mit denen immer zu rechnen ist.
Vegetative Dysfunktionen
Auch Neuronen des dorsalen Vaguskerns sowie Kerngruppen des autonomen Nervensystems degenerieren. Dabei kommt es
- zu Störungen des Geruchssinnes (frühe Degeneration des olfaktorischen Systems),
- zur Abnahme des Blutdruckes, die das Risiko für orthostatische Dysregulation und Fallneigung verstärkt,
- zu Schlafstörungen (verstärkt durch nächtliche Hypokinese und Nykturie),
- zu schneller körperlicher Ermüdbarkeit und Tagesmüdigkeit,
- zu Verdauungsstörungen infolge einer Blasen- und Darmatonie. ! Cave: Gastroparesen führen zu Resorptionsstörungen von Medikamenten!
- zu Schluckstörungen. ! Cave: erschwerte Einnahme von Tabletten! In der akinetischen Krise kann die Einnahme von Tabletten unmöglich sein,
- zu Störungen der Wärmeregulation,
- zu vermehrtem Tränen- und Speichelfluss (Hypersalivation),
- zu erektiler Dysfunktion.
Insgesamt bedeutet die Parkinson-Erkrankung eine umfassende Verschlechterung der Lebensqualität mit einer – wenn unbehandelt – verkürzten Lebenserwartung.
Diagnose und Biomarker
Die Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) wird v. a. anamnestisch und klinisch gestellt. Wichtig ist der Ausschluss eines symptomatischen bzw. sekundären Parkinson-Syndroms. Das idiopathische Parkinson-Syndrom wird nach Hoehn und Yahr entsprechend der klinischen Beeinträchtigung in fünf Stadien eingeteilt. Eine häufige Fehldiagnose ist die Verwechslung mit einem essenziellen Tremor, der in Ruhe sistiert oder sich unter Alkohol abschwächt.
Bisher ist die Früherkennung schwierig. Riechstörungen gehen den ersten motorischen Symptomen um Jahre voraus und können mit standardisierten Tests ("sniffin’ sticks" oder Riechschwellenerfassung für Butanol) erfasst werden. Bildgebende Verfahren wie PET und SPECT, die Enzyme und Transporter des Dopamin-Stoffwechsels darstellen, werden in der Regel nicht zur Frühdiagnose sondern zur Diagnosesicherung eingesetzt. REM-Schlafstörungen und Depression sind zu unspezifisch für eine IPS-Frühdiagnose.

Pathogenese des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS)
Das IPS ist definiert als die Degeneration von dopaminergen Neuronen der Substantia nigra compacta ohne eine erkennbare Ursache. Die Feststellung der Idiopathie ist von größter klinischer Relevanz für die Pharmakotherapie, da ! ein sekundärer Parkinsonismus als Folge von anderen neurologischen Störungen häufig nicht oder nur schwach auf eine Dopamin-Ersatztherapie anspricht.
! Die Degeneration der dopaminergen Neurone muss als eigenständiger Prozess begriffen werden, der sich vom Untergang der anderen Kerngebiete unterscheidet.
Wie die dopaminerge Kontrolle der striatalen Bewegungsentwürfe funktioniert
Normalerweise wird Dopamin aus den Axonendigungen von langen Projektionsneuronen der Substantia nigra pars compacta (SNC) ins Striatum freigesetzt. Dort bindet Dopamin an inhibitorische D2-Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran striataler Neuronen; ein dopaminerges SNC-Neuron bildet zwischen 40.000 und 150.000 synaptische Kontakte im Striatum, was einen hohen Energieverbrauch erklärt. Inhibitorische GABAerge Neuronen bremsen ihrerseits – im weitesten Sinne – den Entwurf für Bewegungsabläufe im Thalamus (Abb. 1). Durch Bindung von Dopamin an inhibitorische D2-Rezeptoren dieser Neuronen wird also die "Bewegungs-Bremse" enthemmt. Umgekehrt führt ein Wegfall von Dopamin konsequenterweise zu einer Verstärkung der motorischen Hemmung.
Die komplexen Regelkreise zielen darauf ab, bewusste Bewegungsabläufe zu aktivieren ("Gewohnheitslernen") und ungewollte Bewegungen zu hemmen. Dopamin scheint v. a. bei zielgerichteter Bewegung der Beine freigesetzt zu werden, weniger bei Arm- oder Augenbewegungen.
Die inhibitorische Wirkung von Dopamin wird ihrerseits durch Gegenspieler unter Kontrolle gehalten, die die striatale Bremse verstärken: Acetylcholin, Glutamat und Adenosin (Abb. 2A). Hemmstoffe von Acetylcholin-, NMDA- und Adenosin-Rezeptoren wirken daher funktionell ähnlich wie Dopamin-Agonisten (Abb. 2B) und werden als Verstärker der Dopamin-Transmission klinisch eingesetzt.
! Dopamin blockiert via D2-Rezeptoren im Striatum die "Bremse" für Bewegungen, d. h. Dopamin erleichtert durch seine enthemmende Wirkung die Initiierung von Bewegungsabläufen.


Untergang der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra compacta
Der Untergang der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra compacta (SNC) ist der zentrale, aber nicht der einzige degenerative Prozess der Parkinson-Pathogenese. Er soll aber hier vor dem Hintergrund der dopaminergen Antiparkinsontherapie ausführlich behandelt werden. Ein Parkinson-Syndrom wird klinisch manifest, wenn 50% der dopaminergen Substantia-nigra-Neuronen degeneriert sind bzw. der striatale Dopamin-Gehalt um 70 bis 80% vermindert ist.
Zunächst gilt festzuhalten, dass mit zunehmendem Alter die Neuronenzahl der Substantia nigra physiologisch abnimmt von 350.000 bis 500.000 (unilateral) bei Jungen auf 250.000 bis 400.000 bei den über 80-Jährigen.
Im Gegensatz zu den psychiatrischen Erkrankungen wie Depression und Psychosen, bei denen die Pathogenese zu 50% und mehr genetisch bedingt ist, liegt beim IPS in 75% eine idiopathische Genese vor. In einer Zwillingsstudie entwickelten von 14.000 Zwillingspaaren nur zwei Paare ein IPS. Für 3 bis 5% wurde eine genetische Mutation als Ursache gesichert. Bisher sind 10 bis 15 Genloci definiert, deren Veränderungen mit der Entstehung eines Parkinson-Syndroms korrelieren (Tab. 2).
Tab. 2: Kandidatengene, die zur Entstehung eines Morbus Parkinson beitragen |
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Genlocus
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Genprodukt
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pathologische Funktionen und assoziierte klinische Merkmale
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PARK1,4
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α-Synuclein
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Bildung zytotoxischer Fibrillen; häufig demenzielle Symptome
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PARK2
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Parkin
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reduzierte Zellprotektion; früher Beginn, L-Dopa-Dyskinesien
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PARK5
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UCH-L1
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reduzierte Ubiquitinierung bzw. Entsorgung von Proteinen
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PARK6
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PINK-1
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reduzierte Zellprotektion
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PARK7
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DJ-1
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reduzierte Zellprotektion; früher Parkinson-Beginn, psychische Auffälligkeit
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PARK8
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LRRK2
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Proteinaggregation; später Beginn, Tremor, gutes Ansprechen auf L-Dopa
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Die Ursachen für den dopaminergen Zelluntergang in der Substantia nigra compacta (SNC) sind vielfältig, es wird ein Zusammenspiel von lokalen SNC-spezifischen Faktoren mit Dopamin-abhängigen Veränderungen und unspezifischen Faktoren wie dem Alter vermutet. Immer wieder gibt es überraschende Beobachtungen, die keine naheliegenden Antworten erlauben. Warum, zum Beispiel, trifft es die dopaminergen Neurone der SNC, während die benachbarten dopaminergen Neurone im ventralen Tegmentum alle intakt bleiben? Dopamin, Alter und unmyelinisierte Projektionsneurone scheinen also nicht die wesentlichen spezifischen Ursachen zu sein. Hier werden nun einige der wichtigsten pathogenetischen Prozesse beschrieben, die für die Entstehung des Morbus Parkinson verantwortlich gemacht werden.
Neuroprotektivum Estrogen?
Männer erkranken doppelt so häufig an einem Parkinson-Syndrom wie Frauen. Zahlreiche experimentelle Studien deuten auf eine neuroprotektive Wirkung von Estrogen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom, außerdem moduliert Estrogen die Dopamin-Transmission. Nur die Plasmaspiegel von Estrogen, nicht aber die von Testosteron, korrelieren positiv mit der motorischen Bewegungsfähigkeit.
α-Synuclein und Lewy-Bodies. Die Lewy-Bodies (LB) oder Lewy-Körperchen, zum ersten Mal von Friedrich Lewy beschrieben, sind obligate histopathologische Merkmale des IPS. Es sind große intra-neuronale Einschlüsse gefüllt mit α-Synuclein. Dieses Protein ist einerseits wichtig für die Faltung von Proteinen, andererseits aggregiert es verstärkt in Gegenwart von Eisenionen oder Dopamin. Prinzipiell können aggregierte Proteine als "zellulärer Müll" den Tod von Nervenzellen provozieren. Wahrscheinlich beruht die schädigende Wirkung von α-Synuclein auf dem Übergang von der (physiologischen) löslichen Form zu aggregierten (unlöslichen) pathologischen Fibrillen. Interessanterweise stabilisiert das zytoplasmatische (und damit das potenziell schädigende) Dopamin die Synuclein-Fibrillen. Umgekehrt kann α-Synuclein die Aufnahme von Dopamin in die Vesikel hemmen und sogar die Freisetzung aus den Vesikeln ins Zytoplasma provozieren. Jedoch gibt es keine zwingende Kausalität zwischen IPS und α-Synuclein-Expression.
Neurodegenerative Erkrankungen mit verändertem Synuclein, die sog. Synucleinopathien, finden sich auch bei Demenz-Erkrankungen oder dem Down-Syndrom. Der Stellenwert der intraneuronalen Ak-kumulation von α-Synuclein ist noch nicht definiert, sie kann Ursache oder Folge des Morbus Parkinson sein, aber auch der Versuch einer Neuroprotektion. Die Korrelation von α-Synuclein-Last und dem klinischen Bild ist nur mäßig.
! Lewy-Körperchen lassen sich beim IPS zuerst im Vaguskern und Ncl. glossopharyngeus nachweisen. Dies erklärt u. a. die Schluckstörungen und vegetativen Symptome und deutet darauf hin, dass die Pathogenese des IPS seinen Ursprung nicht in der Substantia nigra compacta nimmt.
Parkin. Diese E3-Ligase hängt Ubiquitin-Reste an abzubauende Proteine und ist neben der korrekten Faltung daher auch für deren Abbau relevant. Mutationen von Parkin (Tab. 2) führen zum Verlust der Ubiquitinierung mit verstärkter intraneuronaler Ablagerung von "Protein-Müll" einschließlich α-Synuclein, der zum neuronalen Zelltod beiträgt.
Neuromelanin. Die Neuromelanin-Pigmente bzw. ihr hoher Gehalt sind Namensgeber für die Substantia nigra und den dunkelblauen Locus coeruleus, den Kerngebieten mit dem höchsten Neuromelanin-Gehalt. Die Melanine des Gehirns sind amorphe, schlecht lösliche hochpolymere Pigmente, deren Struktur und Synthese noch immer kaum verstanden ist und die sich von den Melaninen von Haut und Retina unterscheiden.
Neuromelanin ist mit der höchsten Ausprägung des Gehirnes verbunden, denn es fehlt bei Nagetieren. Erst bei Primaten ist Neuromelanin nachzuweisen. Neuromelanin ist kein Alterspigment, es wird zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr gebildet.
Interessanterweise besitzen die dopaminergen Neuronen des ventralen Tegmentums, die beim idiopathischen Parkinson-Syndrom unbeeinträchtigt überleben, kein Neuromelanin.
Auch das Neuromelanin hat physiologische Funktionen. Es schützt primär Neurone gegen oxidative Prozesse (u. a. Abfangen von Radikalen), kann aber unter dem Einfluss von Dopamin-Chinon (s. u.) und α-Synuclein (s. o.) toxisch bzw. degenerativ wirken. Die Bildung von Neuromelanin kann ihren Ausgang vom Dopamin-Chinon nehmen und so ist Neuromelanin möglicherweise eine Form der Dopamin-Entsorgung.
Neuromelanin ist das einzige Speichersystem für Eisen – und das IPS ist durch einen signifikanten selektiven Anstieg von Eisen in der SNC gekennzeichnet mit Neuromelanin-Granula als Ort der spezifischen Eisenakkumulation! Jedoch ist unklar, ob dies ein Zeichen einer Neuroprotektion oder die Neuromelanin-Eisenlast Teil der Pathogenese ist. Möglicherweise – und in Analogie zum α-Synuclein – ist Neuromelanin primär neuroprotektiv und wird erst unter Strukturänderungen pathologisch. So lagert sich α-Synuclein nur an das pathologisch veränderte Neuromelanin an. Schließlich steigt die "Neuromelanin-Last" mit zunehmendem Alter.
Untergang des Ncl. basalis Meynert. Bei Parkinson-Patienten kommt es häufig zum Zelluntergang im Ncl. basalis Meynert, einem wichtigen Syntheseort von Acetylcholin. Die Zerstörung dieses Kern-gebietes ist eigentlich das zentrale pathogenetische Ereignis der Alzheimer-Demenz. Bei der Demenz mit Lewy-Body (DLB) oder IPS mit demenziellen Symptomen muss die Therapie der Parkinson-Sym-ptome besonders auf die begleitende Demenz und deren Pharmakotherapie Rücksicht nehmen.
Parkinson-artige Symptome durch Medikamente und Drogen
Blockieren Arzneimittel mehr als 60 bis 70% der Dopamin-Rezeptoren im Striatum, dann lösen sie Symptome aus, die einem Parkinson-Syndrom ähneln oder ein Parkinson-Syndrom verstärken. Die iatrogenen Störungen unterscheiden sich von den idiopathischen: die Akinesie ist symmetrisch (IPS: unilateral) und der Ruhetremor ist schwach (IPS: stark). Das iatrogene Parkinson-Syndrom ist nach dem Absetzen der Arzneistoffe voll reversibel.
Auslöser sind
- D2-Hemmstoffe wie Neuroleptika (DAZ 2010, Nr. 22, S. 56),
- ZNS-gängige Antiemetika wie Metoclopramid,
- α-Methyl-Dopa und Reserpin, die die vesikulären Dopamin-Speicher entleeren,
- durchblutungsfördernde Calcium-Antagonisten wie Flunarizin und Cinnarizin,
- Lithium
- Valproat
- Ecstasy und Amphetamine
Dopamin als pathogener Faktor. Mehr als 90% des intrazellulären Dopamins wird mithilfe des vesikulären Monoamintransporters VMAT2 in Vesikeln gespeichert. Wenn Dopamin nicht im neutralen pH der Vesikel in Sicherheit gebracht wird, autooxidiert Dopamin zum reaktionsfähigen Dopamin-Chinon, das im Zytoplasma die Bildung von Radikalen fördert. Reaktive Moleküle sowie Dopamin-Chinon können auf vielfältige Weise die Nervenzellen schädigen und protektive Moleküle wie Parkin hemmen. ! Gerade das Dopamin, das aus L-Dopa entsteht, wird nicht im Rahmen eines geordneten Dopamin-Stoffwechsels in den Vesikeln gespeichert, sondern akkumuliert auch "ungerichtet" extravesikulär im (synaptischen) Zytoplasma. Verhindert man unter experimentellen Bedingungen, in denen Dopamin im Zytoplasma akkumuliert, die Synthese von Dopamin, dann kann eine Neurodegeneration abgeschwächt werden. L-Dopa könnte ebenso wie Amphetamine oder Reserpin eine Neurodegeneration fördern.
Eine verminderte Expression des VMAT2-Transporters geht tierexperimentell mit einer selektiven Abnahme von SNC-Neuronen einher sowie mit einer verstärkten Ablagerung von α-Synuclein.
Die Diskussion um das Schadenspotenzial von Dopamin ist klinisch von großer Relevanz. ! Klinische Studien haben bis jetzt den Verdacht einer L-Dopa induzierten Degeneration nicht bestätigen können.
Gestörte Transmission von biogenen Aminen und Acetylcholin
Beim Morbus Parkinson gehen auch die Kerngebiete für die anderen biogenen Amine Serotonin und Noradrenalin sowie für Acetylcholin zugrunde. Dies ist auch von pharmakologischer Relevanz.
Dopamin. Der Dopamin-Gehalt ist nicht nur in den Basalganglien, sondern auch im limbischen System und Kortex reduziert. Diese Verminderung korreliert mit kognitiven und affektiven Störungen.
Im Striatum sind außerdem D2-Rezeptoren vermehrt exprimiert, was u. a. die Supersensitivität von L-Dopa und Dopamin-Agonisten erklärt (s. u.) sowie die von ihnen ausgelösten Dyskinesien. Tabelle 3 fasst die Störungen von Dopamin bei neurologisch-neurodegenerativen Erkrankungen zusammen.
! Die dopaminergen Neurone reagieren empfindlich sowohl auf die Präsenz als auf den Konzentrati-onsabfall von Antiparkinsonmitteln.
! Ein Mangel an Dopamin korreliert mit der Bradykinese und kann in Analogie zu den schizophrenen Erkrankungen als ein Minus-Symptom angesehen werden, d. h. ein "Zuwenig" an Funktion.
Tab. 3: Veränderungen der Dopamin-Transmission bei neurologischen Erkrankungen | ||
Krankheit | betroffenes Gehirnareal | |
Erhöht |
Schizophrenie ADHS Tourette Syndrom Suchtkrankheit Fresssucht |
frontaler Kortex, Striatum frontaler Kortex, Striatum frontaler Kortex, Striatum Ncl. accumbens Ncl. accumbens |
Erniedrigt |
M. Parkinson M. Huntington Epilepsie Prolactinom |
Striatum Striatum Ncl. accumbens Hypophyse |
Noradrenalin. Im Locus coeruleus gehen schon relativ früh Neurone zugrunde, wodurch die Konzentration von Noradrenalin im Gehirn abnimmt. Dies verschlechtert kognitive und affektive Funktionen sowie die Schmerzverarbeitung.
! Parkinson-Patienten können unter einer verstärkten Schmerzempfindung leiden; Schmerzen können aber auch die Folge des muskuloskelettalen Rigors sein.
Serotonin. Der neuronale Untergang im Ncl. raphe vermindert die Menge an zerebralem Serotonin, was ebenfalls die depressiven und kognitiven Störungen verstärken kann.
Acetylcholin. Im Striatum herrscht ein funktioneller Überschuss (!) an Acetylcholin, der mit Tremor-Symptomen korreliert (sog. Plus-Symptome, d. h. ein "Zuviel" an Funktion). Der Tremor spricht daher relativ gut auf Hemmstoffe der muskarinergen Acetylcholin-Rezeptoren an. Dieser relative funktionelle Überschuss muss von der cholinergen Unterfunktion durch den Untergang des Ncl. basalis Meynert (kognitive Defizite) abgegrenzt werden.
Weitere Ursachen
Ein Parkinson-Syndrom kann in ca. 10 bis 20% der Fälle durch andere Grunderkrankungen oder exogene Auslöser entstehen wie durch
Atherosklerose zerebraler Gefäße (10–15%),
Multisystematrophie (3%),
Enzephalopathie (3%),
Toxine und Drogen (<1%).
Dabei sind die dopaminergen Neuronen der SNC weniger betroffen. Im Vordergrund stehen andere Kerngebiete oder Projektionsbahnen im motorischen System. Dies erklärt die verminderte Ansprechbarkeit auf L-Dopa.
Inhaltsverzeichnis
- Klinik und Pathogenese
- Antiparkinsonmittel
- Pharmakotherapie des Parkinson-Syndroms
- Leitliniengerechte Therapie
- Klinische Fälle
- Pharmako-logisch! auf einen Blick
- Literaturverzeichnis
- Lernen und Punkten