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Kritik an Hausarzt-Protesten

BERLIN (ks). In der vergangenen Woche schlugen die Hausärzte Alarm: Der Plan des Bundesgesundheitsministeriums, das Vergütungsniveau in der hausarztzentrierten Versorgung zu begrenzen, werde gravierende Folgen haben, warnte der Deutsche Hausärzteverband. Er kündigte Protestaktionen an, auch Praxisschließungen sind im Gespräch. Im Bundesgesundheitsministerium und bei den Krankenkassen hält man die Reaktion der Hausärzte für überzogen. Auch in der Ärzteschaft selbst sind die Töne, die im Hausärzteverband angeschlagen werden, nicht unumstritten.

Die Wortwahl hatte es in sich: Die von Landkreis zu Landkreis wegbrechende Versorgung werde "viele Menschenleben" kosten, warnte der Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, Eberhard Mehl, letzte Woche in Berlin. Er forderte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf, seine Sparpläne zu kassieren. "Das Wasser steht einem bis zum Hals, jetzt versucht die Regierung, den Wasserhahn aufzudrehen", so Mehl.

Röslers Pläne sehen vor, dass es bei neuen Hausarztverträgen keine Honorarsteigerungen mehr geben soll, die über dem jeweiligen Plus bei den übrigen Ärzten liegen. Für bestehende Verträge soll Bestandsschutz gelten. Die Hausärzte fürchten jedoch, dass auch in den bereits laufenden Verträgen das Honorar sinkt. Die Mediziner wollen daher mit Plakaten, einem Informationstag 15. September sowie notfalls mit Praxisschließungen protestieren.

BMG: Niemandem wird etwas weggenommen

Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz (CDU), hielt dem Hausärzteverband vor, Patienten für Verbandsinteressen zu instrumentalisieren und zu verunsichern. Sie betonte: "Niemandem wird etwas weggenommen, schon gar nicht dem Hausarzt". Angesichts von Honorarsteigerungen für Ärzte von im Schnitt elf Prozent sei es vertretbar, dass alle Beteiligten im Gesundheitswesen in die Verantwortung genommen werden – zumal es lediglich um die Begrenzung künftiger Honorarzuwächse gehe. Widmann-Mauz unterstrich zudem, dass laufende Verträge gesichert seien. Die gesetzliche Verpflichtung, Hausarztverträge anzubieten, werde nicht angetastet. "Es kann aber nicht sein, dass ein Verband durch ein Vertragsmonopol eine Sonderstellung zulasten der Hausärztinnen und Hausärzte im Allgemeinen hat."

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, warf dem Verband vor, seine Ziele mittels Horrorszenarien auf dem Rücken der Patienten auszutragen. Aus Gründen der Fairness dürften die Hausärzte mit den strittigen speziellen Verträgen nicht besser bezahlt werden als die Hausärzte, die ihr Geld von den Kassenärztlichen Vereinigungen bekommen. Der CDU-Experte Jens Spahn sagte, die Koalition sei zum Dialog bereit. Wer sich aber so im Ton vergreife wie der Hausärzteverband, sei als Gesprächspartner "kaum zu akzeptieren".

SPD steht Hausärzten zur Seite

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, machte sich dagegen für die Hausärzte stark. In einem Brief an die Bundestagsfraktion rief er dazu auf, die Kampagne des Hausärzteverbandes gegen die Pläne der schwarz-gelben Koalition aktiv zu unterstützen. "Die SPD steht an der Seite der Hausärzte, weil es der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik zu verdanken ist, dass Hausärzte in ihrer Lotsenfunktion im Gesundheitswesen besser gestellt worden sind", schreibt Lauterbach. Statt den Hausarztberuf unattraktiver zu machen, wie es Minister Rösler vorhabe, solle die Gruppe der Hausärzte gestärkt werden. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, erkärte, dass weder die Bezahlung noch das Ansehen der Hausärzte der Stellung entspreche, die sie im Gesundheitssystem zu erfüllen hätten. Ohne funktionierendes Hausärztesystem sei vor allem die Versorgung in ländlichen Regionen beeinträchtigt.

Kritik aus anderen Ärzteverbänden

Dagegen wächst unter den Medizinern das Unverständnis für die Kollegen vom Hausärzteverband. So kritisierte der Vorsitzende des freien Ärzteverbandes Hartmannbund, Kuno Winn, – trotz Verständnis in der Sache – den Stil der Auseinandersetzung: Wer davor warne, dass "diese Reform viele Menschenleben kosten wird", führe jede lösungsorientierte Diskussion ins Abseits. Zudem beschädigten solche Äußerungen das Berufsbild des Arztes massiv und führten zu einer zunehmenden Spaltung in der Ärzteschaft. Auch wenn der Hausärzteverband unbestritten viel erreicht habe, hält es Winn für bedenklich, dass der Verband, der im Rahmen der Hausarztverträge zu einem mächtigen Player herangewachsen ist, in Sachen Hausarztverträge allein entscheidet, was richtig und falsch ist. Auch der Vorstand des Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Klaus Heckemann, reagierte auf Mehls Äußerungen empört. Er warf dem Hausärzteverband "Panikmache" vor und betonte, dass es den Hausärzten in Sachsen auch in Zukunft in erster Linie darum gehe, ihre Patienten wie bisher in hoher Qualität zu versorgen. "Sie fühlen sich verunglimpft, wenn sie jetzt, noch dazu in der Urlaubszeit, für Praxisschließungen oder gar die Rückgabe ihrer Zulassung instrumentalisiert werden sollen", so Heckemann. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich im Streit um die vorgesehenen Einsparungen bei Hausarztverträgen bislang zurückgehalten.

Kassen: Auch Hausärzte müssen Beitrag leisten

Kritik kam auch von den Kassen. Die Barmer GEK forderte angesichts der angekündigten Proteste vom Deutschen Hausärzteverband "mehr Verantwortung, Sachlichkeit und Augenmaß" bei der Bewältigung des GKV-Defizits. "Es ist weder den Versicherten, noch den übrigen Ärzten zu vermitteln, dass die Hausärzte die einzige Gruppe sein sollen, die sich nicht an den Sparbemühungen beteiligen will und sogar deutlich höhere Honorare einfordert", erklärte der Vizevorsitzende der Kasse, Rolf-Ulrich Schlenker. Er betonte, dass es zwar richtig sei, die hausärztliche Versorgung zu stärken. Falsch sei hingegen die Annahme des Deutschen Hausärzteverbandes, dass allein höhere Honorare zu mehr Qualität bei der hausärztlichen Versorgung führten. Der Vorsitzende der KKH-Allianz, Ingo Kailuweit, erklärte, Auswertungen aus Modellprojekten hätten ergeben, dass sich durch die Hausarztverträge weder der Gesundheitszustand der Versicherten verbessere noch finanzielle Einspareffekte zu erzielen seien. In ihrer jetzigen Form kosteten die Verträge "nur Geld und bringen weder den Versicherten noch den Krankenkassen etwas".

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