DAZ aktuell

Kleinere Liste – größerer Druck

BERLIN/HAMBURG (tmb). Die Entwicklung bei den Präparaten mit umstrittenem Herstellerabschlag hat sich stark beschleunigt. Weitere Hersteller haben inzwischen eingelenkt und die Forderungen der Krankenkassen akzeptiert. Umso mehr steigt der Druck auf die Anbieter mit weiterhin strittigen Produkten. Zugleich bekräftigte der GKV-Spitzenverband seine Empfehlung, die verbliebenen strittigen Beträge bei den Apotheken einzutreiben. Dabei dürfte es noch immer um über 100 Mio. Euro gehen.

Das Problem beruht auf unterschiedlichen Auffassungen über die Einordnung einzelner Arzneimittel. Bei den umstrittenen Produkten gehen die Hersteller von einem sechsprozentigen Herstellerabschlag aus, während die Krankenkassen einen zehnprozentigen Abschlag für Generika fordern.

Noch über 100 Millionen Euro offen

Die Zahl der betroffenen Produkte wird laufend geringer. Nach einer mehrwöchigen Verhandlungsphase hatte der GKV-Spitzenverband zunächst am 16. Juli eine Liste mit den strittigen Arzneimitteln veröffentlicht. Am 23. Juli folgte eine neue, wiederum verkleinerte Liste. Denn in der Zwischenzeit hatten unter anderem die Hersteller Baxter, Bristol-Myers Squibb, Dr. F. Köhler Chemie, PB Pharma und Pfizer Deutschland die geforderten Zusagen oder Erklärungen abgegeben und die Forderungen der Krankenkassen auch für zurückliegende Zeiträume anerkannt. Damit hat sich das Problem für etliche umsatzstarke Arzneimittel erübrigt.

Die Liste vom 23. Juli enthält daraufhin noch 530 Positionen von 17 Herstellern. Nach Berechnungen des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) belaufen sich die strittigen Beträge für diese Produkte bundesweit noch auf über 100 Mio. Euro. Denn die relevanten Zeiträume erstrecken sich teilweise über mehrere Jahre. Vor einigen Wochen ging es noch um etwa 300 Mio. Euro.

Den jeweiligen Stand der Liste des GKV-Spitzenverbandes finden Sie auf der Internetseite www.gkv-spitzenverband.de/Rueckabwicklung_Generika.gkvnet unter "Ansprüche Krankenkassen (ohne Einvernehmen)". Dort ist jederzeit mit Änderungen zu rechnen. Inzwischen hat sich auch der Deutsche Apothekerverband in die Verhandlungen eingeschaltet. Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, berichtete gegenüber der DAZ, er habe versucht, auf mehrere betroffene Hersteller einzuwirken. Er sei zuversichtlich, dass kurzfristig weitere Anbieter einlenken würden.

Empfehlung zur Rechnungskürzung

Bei den noch strittigen Produkten wird die Situation dagegen zunehmend problematisch. Bereits in der vorigen Woche hatte der GKV-Spitzenverband den Krankenkassen "abschließend" empfohlen, "die Rechnungen der Apotheken in Höhe der ausstehenden Rabatte zu kürzen". Dies betreffe Produkte, deren Kennzeichnung nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes nicht leitfadenkonform ist oder bei denen der Hersteller nicht mit der Rückabwicklung der Herstellerrabatte gemäß § 8b Absatz 3 des Rahmenvertrages nach § 129 Absatz 2 SGB V einverstanden ist. Die Krankenkassen hätten den Rabatt nach den gesetzlichen Bestimmungen von den Apotheken zu erhalten, so der GKV-Spitzenverband. Das Gesetz bestimme weiter, dass die Hersteller den Apotheken den Herstellerrabatt zu erstatten haben.

Drohung ernst nehmen

Allerdings wurde dieses Verfahren bisher nicht so praktiziert. Aus Praktikabilitätsgründen hatte die Abrechnung über die Apothekenrechenzentren stattgefunden, soweit der Deutsche Apothekerverband und die Krankenkassen diesem Weg zugestimmt hatten. Fraglich ist nun, ob die Krankenkassen tatsächlich den aufwendigen Weg gehen, die Apotheken einzeln zu belasten und die komplizierte Abrechnung selbst zu organisieren. "Zunächst heißt es abzuwarten, ob die einzelnen Krankenkassen die Empfehlung zur Kürzung der Rechnungen umsetzen", erklärte Dr. Jörn Graue, doch die Drohungen der Krankenkassenseite sollten ernst genommen werden, "denn für die Krankenkassen wird ein Schwert stumpf, wenn es ständig in der Scheide bleibt". Den Herstellern empfiehlt Graue, gegebenenfalls unter Vorbehalt zu zahlen und eine Leistungsklage zu prüfen.

Perspektiven für die Apotheken

Doch was wäre zu tun, wenn die Krankenkassen Apothekenrechnungen kürzen? "Wenn es zu Retaxationen kommt, könnten die Apotheken ihrerseits die Herstellerrabatte über den Großhandel oder direkt beim Hersteller geltend machen", erläuterte Graue. Bei der Forderung über den Großhandel könnten sich die Apotheken auf § 130a Absatz 7 SGB V beziehen, denn dort sei geregelt, dass die Apotheken den Abschlag mit dem pharmazeutischen Großhandel verrechnen könnten, so Graue. Der Großhandel könnte wiederum die Hersteller belasten. Bisher hatte diese Regelung jedoch keine praktische Bedeutung erlangt.

Zum Weiterlesen


Herstellerrabatt wieder auf der Tagesordnung

Rechnungskürzungen drohen

AZ 2010, Nr. 30/31, S. 18

www.deutsche-apotheker-zeitung.de

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