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Was meint ADEXA zur geplanten Reform der Krankenversicherung?

Frau Neusetzer, wie beurteilt die Apothekengewerkschaft den angestrebten Umbau und die Einführung einer einkommensunabhängigen Pauschale bei der Krankenversicherung?

Neusetzer: Damit würde der Solidaritätsgedanke in der Krankenversicherung – eine große und bewährte Errungenschaft des deutschen Gesundheitssystems, auf die wir gerade mit Blick auf andere Länder sehr stolz sein können – weiter unterhöhlt. Faktisch würde durch den nachgelagerten Sozialausgleich die Mehrzahl der Versicherten zu Bittstellern des Staates – damit die Gutverdiener entlastet werden. Das ist aus unserer Sicht die gleiche falsche Richtung wie auch das Einfrieren der Arbeitgeberanteile, mit denen das paritätische System endgültig zerschlagen wird. ADEXA lehnt diesen Weg kategorisch ab.


Frau Kratt, welche Möglichkeit sehen Sie stattdessen, die finanziellen Probleme der GKV in den Griff zu bekommen?

Kratt: Wir wollen keine Kopfpauschale, die für eine PKA genauso hoch wäre wie für den gut verdienenden Abteilungsleiter in der Pharmaindustrie – so er denn überhaupt noch in der GKV wäre. Stattdessen sollte man die Einnahmebasis dadurch verbreitern, dass man auch Selbstständige und Beamte in das System hereinholt und die steuerlichen Zuschüsse für das System erhöht. Aber eben nicht als Zuschuss, den man einzeln beim Staat beantragen muss, sondern für den gesamten GKV-Topf, so wie es bisher auch passiert. Wenn man auch noch die PKV in die Solidargemeinschaft integriert – das heißt ja insbesondere die Gruppe der Besserverdienenden – wird die Einnahmeseite der Krankenversicherung deutlich verbessert.

Es kann auch nicht sein, dass bei eingefrorenen Arbeitgeberanteilen alle Kostensteigerungen an den Arbeitnehmern hängen bleiben. Das könnte zu einer unerträglichen Belastung insbesondere für Menschen mit geringeren Verdiensten werden. Schon jetzt zahlen die Arbeitnehmer ja 0,9 Prozent mehr Krankenversicherungsbeiträge. Wir fordern, wieder zu einer echten Parität zurückzukehren. Was nützen uns und der Binnenkonjunktur künftige Steuersenkungen, wenn sie durch steigende Versicherungsbeiträge aufgefressen werden?


Der Minister verspricht sich von der Gesundheitsprämie ein stabileres System mit mehr Wahlmöglichkeiten. Wie beurteilen Sie die Aussichten für Ihre Mitglieder?

Neusetzer: Schon jetzt haben gesetzlich Versicherte und privat Versicherte nicht die gleichen Chancen auf gesundheitliche Versorgung. GKV-Mitglieder müssen länger auf Facharzttermine warten, bekommen weniger Leistungen erstattet. Solche Unterschiede gibt es tendenziell auch zwischen Gutverdienern und Geringverdienern in der GKV, weil sich die ersteren Zusatzversicherungen leisten können, die letzteren nicht. Diese Zwei-Klassen-Medizin, die jetzt schon existiert, würde sich durch die Prämie drastisch verschärfen, denn Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger würden nur noch einen Basistarif mit Minimalleistungen bekommen, Normalverdiener könnten sich eventuell noch eine kleine Zusatzversicherung leisten. Und bei den Gutverdienern, die ja durch die Kopfpauschale ordentlich sparen, reicht es dann für ein üppiges Zusatzpaket in der privaten Versicherung. Der Vorwurf der Klientelpolitik ist hier allemal gerechtfertigt. ADEXA wird beim Ministerium deshalb gegen diese Pläne protestieren.


Das Interview führte Dr. Sigrid Joachimsthaler

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