Arzneimittel und Therapie

Bei Dosierung von Antibiotika das Gewicht berücksichtigen

Die beobachtete Zunahme von Resistenzen gegen Antibiotika nehmen griechische Wissenschaftler zum Anlass, damit zusammenhängenden Aspekte in einem aktuellen Viewpoint-Artikel im Lancet zu diskutieren. Ihre Forderung: Um die Wirkung zu optimieren, sollten Antibiotika und antimikrobiell wirksame Arzneistoffe nicht nach einem festen Schema dosiert werden, sondern individuell zugeschnitten auf das Körpergewicht. Dabei reiche es nicht, nur den Body-mass-Index zugrunde zu legen.

Die Autoren stellten fest, dass in der täglichen klinischen Praxis bei den meisten der häufig eingesetzten antimikrobiellen Wirkstoffen Anwendungsempfehlungen nicht ausreichend beachtet werden bzw. die Dosierungsempfehlungen unabhängig von den Körpermaßen gegeben werden. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Einheitsdosierung beim Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe in Zeiten der bedrohlich zunehmenden Resistenzen nicht mehr angemessen sei. Die individuellen Körpermaße und vor allem das Verhältnis von Fett zu Muskelmasse bei einzelnen Patienten könnten die pharmakokinetischen Kennzahlen und die klinische Wirksamkeit verschiedener Antibiotika beeinflussen. Die Autoren stellen das Problem sehr bildhaft dar: ein hypothetischer männlicher Patient, der 90 Kilogramm wiegt und 1,90 Meter groß ist, sowie eine weibliche Patientin von 56 kg Gewicht und 1,50 m Körpergröße haben beide einen Body-mass-Index (BMI) von 24,9, der im gesunden Bereich liegt. Nach den aktuellen Behandlungsrichtlinien würden beide Patienten dieselben Dosen an Antibiotika erhalten. Abgesehen von Missverhältnissen dieser Art weisen die Autoren darauf hin, dass die "Fettleibigkeitsepidemie" – die Tatsache, dass die Menschen immer dicker werden – dafür sorgt, dass es weltweit immer mehr adipöse Patienten mit zu hohem Körpergewicht gibt. Bei Erwachsenen könnte "ein Abstimmen der Antibiotikadosierung auf die körperlichen Merkmale des jeweiligen Patienten eine wichtige Methode sein", um maximale Wirksamkeit und Sicherheit der antimikrobiellen Behandlung zu erzielen. Dieses Ziel scheint wichtiger denn je angesichts der Resistenzlage und der wachsenden Zahl von Patienten in der klinischen Praxis, die durch verschiedene Risikofaktoren besonders infektionsanfällig sind oder deren Immunantwort auf eine Infektion beeinträchtigt ist. Es seien "aussagekräftige Studien nötig, die Ärzten bei der häufigen klinischen Frage Hilfestellung geben, wie sich die optimale Wirksamkeit und Sicherheit einer antimikrobiellen Behandlung bei Patienten erzielen lässt, deren körperliche Charakteristika nicht dem Durchschnitt entsprechen", schließen die Autoren.

Auch der Blick auf die Pädiatrie sollte wieder geschärft werden: Gedanken, wie man Antibiotika bei Erwachsenen angemessen dosiert, seien auch für Kinder nötig, denn die Zahl der übergewichtigen Kinder in der Allgemeinbevölkerung nimmt stetig zu. Obwohl bei Kindern Antibiotika in der Regel bereits je Kilogramm Körpergewicht dosiert werden, müssten den pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Kennzahlen mehr Beachtung geschenkt werden, um für Kinder die optimale Dosierung zu erzielen. Außerdem sei es "angesichts der großen Zahl an ambulant erworbenen Infektionen durch resistente Erreger in dieser Population dringend geraten, Antibiotika bei Kindern nur mit großer Vorsicht anzuwenden." ck


Quellen

Falagas ME; Karageorgopoulos DE: Adjustment of dosing of antimicrobial agents for bodyweight in adults. Lancet 2010; 375: 248.

Editorial: Prescribing medicines: size matters: Lancet 2010; 375; 172.

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